Die nächtliche Aktion der Polizei in Brigachtal ist auf großes Unverständnis gestoßen. Wie berichtet, wurde dort in der Nacht auf Mittwoch, 18. Juni, eine georgische Familie von der Polizei abgeholt, um sie abzuschieben.
Das Regierungspräsidium Karlsruhe begründete am Freitagnachmittag, 20. Juni, gegenüber dem SÜDKURIER seine Entscheidung: „Die betreffende Familie aus dem sicheren Herkunftsland Georgien war vollziehbar ausreisepflichtig“, heißt es aus der Pressestelle der Behörde. Da die Familie ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht nachgekommen sei, habe man aufenthaltsbeendende Maßnahmen eingeleitet.
Tochter hatte keine offizielle Ausbildungsduldung
Zum Vorwurf, die Familie sei abgeschoben worden, obwohl sich eine Tochter in einem Ausbildungsverhältnis befunden habe, äußert sich das Regierungspräsidium folgendermaßen: „Eine Ausbildungsduldung bei der Tochter bestand nicht. Diese wurde zwar beantragt, konnte jedoch nicht erteilt werden, da die Betreffende keinen gültigen Reisepass vorgelegt hatte und bereits aufenthaltsbeendende Maßnahmen eingeleitet waren.“
Dass die Familie nachts abgeholt worden sei, habe besondere Gründe gehabt. „Ein Beginn der Abschiebung zur Nachtzeit kommt nur in Betracht, soweit dies im Hinblick auf den Abflugtermin oder aufgrund von Vorgaben des Ziellandes aus Zeitgründen erforderlich ist“, schreibt das Regierungspräsidium.
Bei der Zeitplanung würden die im Interesse der rückzuführenden Personen sowie verfahrensbedingt erforderlichen Vorlaufzeiten berücksichtigt. „Hierbei müssen unter anderem der Übergabezeitpunkt am Flughafen sowie eventuell eintretende Verkehrsstörungen einkalkuliert werden. Regelmäßig sind die betroffenen Personen bei Luftabschiebungen spätestens zwei Stunden vor dem geplanten Abflugtermin der Bundespolizei zu überstellen“, so eine Pressesprecherin des Regierungspräsidiums.
In den Tagen zuvor hatte die Nachricht von der Ausweisung empörte Reaktionen verursacht. „Es ist unglaublich, dass eine beliebte und integrierte Familie aus der Mitte unserer Gesellschaft urplötzlich herausgerissen wird“, schreibt Kai Humphries, Vorsitzender Jusos Schwarzwald-Baar, in einer Stellungnahme. Die Familie habe sich in der Gemeinde engagiert und sei dort auch verwurzelt.
Jusos: „Menschenunwürdige Willkür“
Dieser Fall zeige aus Sicht der Jusos eindeutig: Es gehe nicht um Integration und schon gar nicht um die Abschiebung von Straftätern. „Diese Praxis der Abschiebungen ist menschenunwürdige Willkür!“, heißt es in der Stellungnahme. Die Bundesregierung und auch die SPD seien aufgefordert, diese Abschiebung sofort rückgängig zu machen, heißt darin abschließend.
Grüne Jugend: Familie war geschätzter Teil der Gemeinde
Die Grüne Jugend Schwarzwald-Baar verurteilt die nächtliche Abschiebung einer georgischen Familie aus Brigachtal ebenfalls aufs Schärfste. Über Jahre hinweg sei die Familie ein geschätzter Teil der Gemeinde gewesen: „Die Tochter befand sich in Ausbildung, der jüngste Sohn besuchte die Grundschule und war im örtlichen Fußballverein aktiv“, heißt es in der Stellungnahme.
„Diese Familie war nicht nur angekommen – sie hat unser gesellschaftliches Zusammenleben mitgestaltet“, erklärt Fabian Braun, Vorstandsmitglied der Grünen Jugend im Kreis.
Dass sie mitten in der Nacht von der Polizei aus ihrem Lebensumfeld gerissen worden sei, empfindet er nicht nur als als unmenschlich, sondern als einen „eklatanten Bruch mit dem Versprechen gelingender Integration“.
„Wir appellieren daher an die Landes- und Bundesregierung sowie an Kanzleramtsminister Thorsten Frei, diesen Fall lückenlos aufzuklären und sich für die Rückholung der Familie einzusetzen“, schreibt die Grüne Jugend.

Gemeinderäte aus Brigachtal: Appell an Bürgermeister
Zur Wort melden sich auch die Brigachtaler Gemeinderäte Heike Stöckmeyer und Jonas Fehlinger. Sie sprechen von „schockierten Stimmen“ der Mitbürger und Nachbarn, mit denen sie konfrontiert seien. „Wir fordern den Bürgermeister nachdrücklich auf, sich entschieden für jene Familie einzusetzen, die im Brigachtal ihr Zuhause gefunden hat“, heißt es in einem öffentlichen Appell an den Bürgermeister. Das Schweigen zu einem derart erschütternden Vorfall in unserer Gemeinde, so heißt es in der Stellungnahme weiter, sei kaum zu ertragen.

Die Tatsache, dass die Wohnung der betroffenen Familie bereits am frühen Morgen durch die Ortsverwaltung geräumt werde, sei ein deutliches Signal: „Man ordnet sich der unmenschlichen Abschiebepraxis der Bundesregierung stillschweigend unter“, schreiben Heike Stöckmeyer und Jonas Fehlinger.
Dabei gehe es hier nicht um Straftäter, sondern um Nachbarn, Freundinnen und Freunde, um Menschen, die unser Leben mitprägten und bereicherten.