Veronika Oestreich in einer ruhigen Minute zu erwischen, ist gar nicht so einfach. Eben hat sie ihren Imbiss aufgeschlossen und schon klingelt durchdringend das Telefon. Warenbestellung, erklärt sie kurz, und rückt derweil mit einer Hand an der Theke schon alles zurecht für den ersten Kunden des Tages.
„Wünsch Dir was, schaff‘s gut“ – kaum hat sie alles geordert und wieder aufgelegt, parkt der Getränkelieferant vor ihrer Tür. Dieses betriebsame Leben wird jedoch bald vorbei sein: Veronika Oestreich gibt ihren Imbiss mit Herz in Kürze in neue Hände.
Auf den ersten Blick verschwindet das kleine, flache Gebäude im Bad Dürrheimer Gewerbegebiet fast zwischen all den Einkaufs-Giganten ringsum. Elektronikmarkt, Möbeldiscounter, Kfz-Werkstatt, Spielwaren, Supermarkt – und mittendrin der Imbiss mit Herz.
Bratwurst gibt es hier, Currywurst normal und spezial, Pommes, Frikadelle. Kein Sushi, kein Döner, keine Pasta. Er ist wie ein Stückchen von einer Welt, die es heutzutage gefühlt immer seltener gibt.
Die klassische Pommesbude wird immer seltener
Die Zahl der Imbisse in Deutschland steigt zwar seit einigen Jahren leicht: Ende 2023 lag sie laut Zahlen des Deutschen Hotel- und Gaststätten-Bundesverbands (Dehoga) bei 35.728 Betrieben bundesweit und damit leicht über dem Vorjahr. 2022 hatte es 35.486 Buden gegeben. Doch während Trend-Speisen aus aller Welt hier boomen, wird die klassische, bodenständige Pommesbude immer seltener.
Plötzlich Bulletten statt Blusen
Vor 36 Jahren hat Veronika Oestreich den Imbiss übernommen. Sie, die Textilverkäuferin, tauschte damals von einem Tag auf den anderen Blusen und Pullover gegen Bulletten und Pommes. „Mein Mann hat damals zu mir gesagt: Probier‘s doch einfach mal“, erinnert sich die Inhaberin.
Bereut hat sie es nie. Zu der Zeit, 1989, öffnete fast zeitgleich der benachbarte Mediamarkt, gegenüber hatte der Baumarkt Praktiker guten Zulauf – gut zu tun mit Kunden mit Appetit hatte die Villingerin also von Anfang an. Und so gut lief es auch weiter. „36 Jahre, das ist schließlich ‚ne Hausnummer“, sagt sie.
36 Jahre, in denen Oestreich zu vielen ihrer Kunden gute, sehr gute Beziehungen knüpfte. 80 Prozent, so sagt sie, sind ohnehin Stammgäste in dem kleinen Imbiss. Nicht wenige hungrige Gäste müssen ihr inzwischen längst nicht mehr sagen, was sie bestellen wollen, Veronika Oestreich weiß es schon.
Freud und Leid beim Warten auf die Currywurst
So viele Erlebnisse und Geschichten gab es, dass die Imbiss-Wirtin gar keine herauspicken mag. So manches Schicksal, manche gesundheitlichen Probleme, manchen Liebeskummer hat sie mit verfolgt. Von Freud und Leid haben ihr viele beim Warten auf Currywurst und Co. erzählt.
„Ich habe Kunden, die schon seit 25 Jahren kommen, da hat man einfach eine Beziehung aufgebaut“, erzählt sie. Und: „Ich freue mich dann für die Leute, wenn alles gut ist.“
Ein halbes Leben hinter der Imbisstheke
Trotzdem, bald muss es irgendwie ohne den Imbiss und seine liebgewonnenen Kunden gehen. Furchtbar leid tut ihr das, betont Veronika Oestreich und schüttelt bei der Vorstellung auf den Ruhestand ein wenig traurig den Kopf. 36 Jahre sind schließlich ein halbes Leben. „Aber jetzt langt es einfach.“ Auch dass viele Kunden sie gebeten haben, doch noch ein paar Jährchen dranzuhängen, ändere nichts mehr daran, stellt sie klar.
Eine Nachfolgerin für den Platz hinter der Imbisstheke hat Oestreich schon in Aussicht – dass es eine Frau ist, dies war ihr bei der Suche sehr wichtig. „Ich möchte, dass es hier so weitergeführt wird, wie ich das mache, ohne große Veränderung“, erklärt die Noch-Inhaberin.
Sie gibt ihre Erfahrung weiter, ihre Rezepte natürlich auch. Dass die Currywurst Spezial mit Tzatziki – ihre weithin bekannte Spezialität – auf einmal ganz anders schmeckt, das will sie ihren Kunden nicht zumuten. „Die würden wegbleiben“, ist sie sich sicher.
Noch einmal bei Veronika Oestreich essen
Wie auch immer. Seit bekannt ist, dass Veronika Oestreich aufhört, ist am Imbiss noch mehr los als sonst. „Sie rennen mir alle die Bude ein“, sagt sie und lacht. Wie der ältere Herr, der an diesem Morgen extra deswegen von Villingen nach Bad Dürrheim geradelt war, um noch einmal bei ihr zu essen.
Unterdessen hat der Getränkelieferant alle Kisten voller Cola, Wasser und Co. ins Innere des Häuschens getragen und will weiterfahren. „Wir sehen uns aber noch?“, fragt er Veronika Oestreich. „Natürlich“, erwidert diese. Ganz ohne ihren Imbiss mit Herz wird sie es nämlich sowieso nicht aushalten. „Ich werde hier auf jeden Fall zum Essen vorbeischauen“, betont sie.