Markus Schwarzwälder traut seinen Augen nicht. Als er von einer Beerdigung auf dem Waldfriedhof in St. Georgen zu seinem Fahrzeug zurückkehrte, hatte er an seiner Windschutzscheibe ein Knöllchen über 55 Euro hängen.
Tatbestand; Parken auf dem Gehweg. Und nicht nur er: Etwa 30 weitere Fahrzeuge hatten ebenfalls ein Knöllchen, die meisten über jeweils 55 Euro. Der städtische Vollzugsbeamte hatte am Dienstag, 16. April, auf der Seebauernhöhe etliche Knöllchen verteilt In der Annahme, es handele sich um Anwohner, die aufgrund der weggefallenen Stellplätzen in und auf einer Tiefgarage ihre Fahrzeuge „wild“ geparkt hätten.
Allerdings handelte es sich um Fahrzeuge von Gästen einer Trauerfeier auf dem Waldfriedhof. Doch müssen sich diese Autofahrer nicht an die Straßenverkehrsordnung halten?
Geparkt haben die betroffenen Fahrzeuge in der Kinzigstraße und im Gutachweg, da die Friedhofsparkplätze aufgrund des großen Andrangs alle belegt waren. Dabei missachteten einige Fahrer sowohl das eingeschränkte Halteverbot und parkten ihre Autos zumindest teilweise auf dem Gehweg oder blockierten gar Grundstückszufahrten.

Der Vorwurf: Die Stadt zockt ab
Markus Schwarzwälder platzte angesichts des Übereifers des Vollzugsbeamten der Kragen. „Das kann doch nicht sein, dass die Stadt das ausnutzt und die Bürger so abzockt, wenn sie auf einer Beerdigung sind“, sagte Schwarzwälder im Gespräch mit dem SÜDKURIER. Er entfernte sämtliche Strafzettel und marschierte damit aufs Rathaus, um dort bei Bürgermeister Michael Rieger seinem Ärger über diese Vorgehensweise Luft zu machen.
Stadt wollte den Beschwerden der Anwohner nachkommen
Dort stellte sich die Situation allerdings anders dar. Wie Bürgermeister Michael Rieger erläutert, „gibt es derzeit verstärkt Beschwerden von Anwohnern auf der Seebauernhöhe, weil seit der Sperrung der Tiefgarage in der Schwarzwaldstraße viele Fahrzeuge in den umliegenden Straßen ordnungswidrig abgestellt werden“.
Rieger habe das Ordnungsamt angewiesen, in den ersten Tagen Kulanz zu zeigen und die betroffenen Fahrer auf ihr Fehlverhalten aufmerksam zu machen, jedoch kein Verwarnungsgeld zu verhängen. Seit Anfang dieser Woche sei diese Kulanzphase beendet gewesen und der Ordnungsbeamte ging seiner Tätigkeit nach.

Alles nur ein Missverständnis?
„Offenbar hat er dabei übersehen, dass es sich bei der Vielzahl der im Bereich des Friedhofs abgestellten Fahrzeuge um Trauergäste einer Beerdigung handeln könnte“, sagte Rieger. Er betonte, „dass es keineswegs in der Absicht der Stadt liegt, Trauergäste in dieser Weise zu gängeln.“

Der städtische Vollzugsbeamte Christian Pflumm ergänzt, dass er den Falschparkern in den vergangenen Wochen „einen Hinweis auf ihren Verstoß sowie Möglichkeiten verteilt habe, wo Parkmöglichkeiten zur Verfügung stehen“.
Eine Unterscheidung, ob die falsch geparkten Fahrzeuge von Anwohnern, Besuchern oder Friedhofsgästen stammen, könne er vor Ort nicht treffen. „Das darf jedoch bei der Ahndung von Parkverstößen keine Rolle spielen.“
Schwarzwälder hält eine Unterscheidung für möglich
Das sieht Markus Schwarzwälder, der vor Kurzem in den Gemeinderat nachrückte, anders. „Man sieht doch anhand der Kennzeichen, die aus einem anderen Landkreis kommen, dass das keine Anwohner sind.“ Auch hätte seiner Meinung nach „ein Blick auf den proppenvollen Parkplatz gereicht, um zu erkennen, dass hier eine Trauerfeier stattfindet und die Fahrzeuge nach eineinhalb Stunden wieder verschwunden sind“.
Bürgermeister will eine Lösung finden
Bürgermeister Rieger sicherte Schwarzwälder zu, „eine verträgliche Lösung zu finden“. Wie diese aussehen soll, konnte Rieger noch nicht sagen.
Übrigens: Am Tag nach dem Vorfall hat sich Markus Schwarzwälder wieder etwas beruhigt. „Ich habe vielleicht unkontrolliert und im Affekt gehandelt“, sagt er über die Aktion der entfernten Strafzettel. Seine eigenen 55 Euro hat Schwarzwälder übrigens inzwischen bezahlt.