Jürgen Dreher

Der Kreistag fordert, dass der Lückenschluss der Bundesstraße B 523 nördlich von Villingen so bald wie möglich gebaut werden soll: Das ist der Kern einer Resolution, mit der sich der Kreistag mit großer Mehrheit am Montag an das Landesverkehrsministerium gewandt hat. Lediglich die Grünen versagten mit drei Nein-Stimmen und vier Enthaltungen ihre Unterstützung, da die Resolution nicht ausgewogen und sachgerecht sei.

In dem Entschluss widerspricht der Kreistag deutlich der jüngsten Entscheidung von Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne), in welcher Reihenfolge die Landesstraßenbauverwaltung die Bundesstraßenprojekte in den kommenden Jahren umsetzen soll. Denn aktuell ist der Lückenschluss in Südbaden an die letzte Stelle aller Vorhaben gerutscht, deren Planung offiziell bis 2025 beginnen soll. Das will der Kreistag nicht hinnehmen: Er geht davon aus, dass die neue Einstufung fehlerhaft sei und korrigiert werden müsse (siehe Infokasten).

Der Kreistag verweist auch darauf, dass die neue Einstufung einer früheren Bewertung des Landesverkehrsministeriums von 2013 entgegen stehe: Damals wurde der B 523-Lückenschluss ebenfalls schon unter Minister Hermann als dringlichstes Projekt in Südbaden eingestuft – wenn auch nicht nach ganz denselben Kriterien wie jetzt. Landesverkehrsminister Hermann hatte am 7. April in einem Interview mit dem SÜDKURIER allerdings schon argumentiert, dass inzwischen neue Erkenntnisse, etwa veränderte Verkehrsdaten, zu berücksichtigen gewesen seien.

Vor der Abstimmung gab es eine längere Debatte, in der nur kurz die Freude zum Ausdruck kam, dass nach Einsatz vieler Beteiligter nun gute Perspektiven für den Bau der Ortsumfahrungen Blumberg-Randen und -Zollhaus erreicht worden seien. Statt dessen übten fast alle Fraktionen und Landrat Sven Hinterseh deutliche Kritik an der Entscheidung des Verkehrsministers zum B 523-Lückenschluss – denn mangels eigener Straßenbauverwaltung muss der Bund den Ländern die Aufgabe überlassen, die Bundesstraßenprojekte umzusetzen. Klar ist bislang nur, dass das Land nun spätestens bis 2025 zumindest mit den Planungen für den Lückenschluss beginnen will.

"Völlig inakzeptabel" fand Landrat Hinterseh (CDU) diese Aussichten, das Projekt sei schließlich "schon weit fortgeschritten in den Planungen". Es gehöre daher hochgestuft in eine Kategorie, die schneller umgesetzt werde. "Ich persönlich bin sehr unzufrieden", betonte er. Denn wenn die Planungen womöglich erst 2024 begönnen, dauere es mit dem Bau "schnell bis Mitte der 30er Jahre". Hier eine Auswahl der Wortmeldungen aus den Fraktionen:

  • CDU: Fraktionssprecher und Bundestagsabgeordneter Thorsten Frei warf Verkehrsminister Hermann mit Blick auf dessen Erläuterungen im Interview im SÜDKURIER vom 7. April vor, dass "einige Punkte dezidiert nicht der Wahrheit entsprechen", und "selbst wenn alles stimmte, dann wäre es noch keine Begründung", den Lückenschluss nun so weit hinten einzustufen. Der Bund habe das Projekt schließlich in den Vordringlichen Bedarf eingeplant in der Erwartung, dass es bis 2030 umgesetzt sei. "Unerklärlich", "nicht nachvollziehbar" und "nicht hinnehmbar" bleibe die Diskrepanz der hohen Einstuftung von 2013 der der hinteren Platzierung jetzt, auch vor dem Hintergrund früherer Äußerungen von Hermann. "
  • Freie Wähler: "Sehr unzufrieden und enttäuscht" zeigte sich St. Georgen Bürgermeister Michael Rieger. Bislang sei er "sehr angetan" gewesen von der Zusammenarbeit mit dem Verkehrsministerium beim B 523-Projekt, das insbesondere dem westlichen Schwarzwald-Baar-Kreis und den dortigen Firmen eine schnellere Verbindung zur Autobahn A 81 ohne Umweg über Villinger Stadtgebiet ermöglichen soll. Doch nach der Aufnahme des Projekts in den Vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans 2016 sei beim Land merklich "die Luft raus" gewesen: "Jetzt fühlen wir uns nach hinten durchgereicht." Und die Sorge um den Wirtschaftsstandort gehe wieder um.
  • SPD: Villingen-Schwenningens Oberbürgermeister Rupert Kubon schloss sich Thorsten Frei und Michael Rieger voll an: "Wir können die Haltung des Verkehrsministes in keiner Weise nachvollziehen." Noch bei der Eröffnung der Südwest-Messe vergangenes Jahr habe Minister Hermann die Bedeutung des Lückenschlusses deutlich hervorgehoben. Oberzentrum und Landkreis hätten mit eigenen Mitteln die Planungen vorangebracht, "nun wird uns bei der B523 die Tür vor der Nase zugeschlagen." Der Lückenschluss sei viel mehr als nur eine Villinger Ortsumfahrung, er beseitige ein ganzes "System von Straßen-Krampfadern."
  • Grüne: Fraktionssprecher Christian Kaiser betonte, dass mehrere Bundesstraßenprojekte im Landkreis schon in Planung oder gar in Bau seien. "Es gibt keinesfalls Stillstand im Straßenbau." Allerdings brauche es nun einmal eine Reihenfolge, wie die vielen weiteren Projekte bei begrenzten Mitteln umgesetzt werden sollen. Die Kriterien, die das Verkehrsministerium dafür angewandt habe, habe aber nicht einfach der Minister bestimmt. Sie seien gemeinsam mit der Wirtschaft, Kommunalverbänden und weiteren Akteuren im Land festgelegt worden – mit dem Ziel einer möglichst objektiven Entscheidungsgrundlage. Nach diesem Raster habe die B 523 dann nur im Mittelfeld abgeschnitten. Nun die Kriterien wieder über den Haufen zu werfen würde bei jenen auf Widerstand treffen, die jetzt bessere Perspektiven hätten. Das Ergebnis wären Chaos und weitere Verzögerungen, warnte Christian Kaiser.

Kaisers Einschätzung stimmte auch Landrat Hinterseh zu: Daher wolle der Kreis auch keine Kriteriendiskussion anfangen, sondern innerhalb der jetzigen Auswahlkriterien eine Korrektur und die Neueinstufung des Lückenschlusses erreichen.

  • FDP: Kreisrat und Bundestagsabgeordneter Marcel Klinge sagte, "das ist eine Riesen-Sauerei, was da passiert ist." Die Liberalen seien "erstaunt und sauer" wegen der schlechten Platzierung: "Wir sehen hier Gesprächsbedarf." Beispielsweise, weil die "städtebauliche Wirkung" des Lückenschlusses einfach mit "Null" bewertet worden sei: "Hier ist eindeutig ein Fehler passiert", so Klinge: "Daher müssen wir uns die ganze Priorisierung noch einmal genau anschauen." Vor allem müsse das Land Gas geben, sonst sei das Geld weg, wenn der aktuelle Bundesverkehrswegeplan 2030 ende und ein neuer Plan komme.

Die Forderung

Der Kreistag verlangt konkret, dass das Verkehrsministerium den B 523-Lückenschluss in eine bessere Kategorie von Bundesstraßenprojekten hochstuft – und zwar in einen Korb mit jenen Vorhaben, die bereits heute offiziell im Planungsstadium sind. Denn diese Projekte wird das Land nun bevorzugt weiterplanen und umsetzen. Dazu gehören bereits heute die Ortsumfahrung Blumberg-Randen im Zuge der B 27 und die Ortsumfahrung Immendingen (B 311). Der Landkreis argumentiert, dass auch für den B 523-Lückenschluss schon so viel Planungsarbeit geleistet worden sei, dass er auch in diese bevorzugte Kategorie gehöre. Landesverkehrsminister Hermann hat diese Argumentation im SÜDKURIER-Interview am 7. April allerdings nicht akzeptiert. (jdr)