„Man sieht sich im Leben immer zweimal“, sagt Ingolf Kieper (73) mit leiser Genugtuung. Er konnte vor kurzem einen Hundehalter stellen, dessen Vierbeiner ihn 2022 angegriffen hatte. Der Mann hatte sich vor zwei Jahren mit falschem Namen und Adresse aus dem Staub gemacht. Jetzt muss er zahlen. Leider, so bedauert der Geschädigte, hat der Fall keine strafrechtlichen Konsequenzen mehr.

„Fahrlässige Körperverletzung und unterlassene Hilfeleistung“ konstatierte die Polizei in ihrem Pressebericht vom 4. Mai 2022 über diesen Vorfall. Tags zuvor, morgens um 7.30 Uhr, war Ingolf Kieper auf seinem E-Bike im Villinger Germanswald von einem Hund angegriffen worden.

Gewöhnlich ist der sportliche Rentner aus Villingen um diese Zeit im Germanswald zu Fuß auf seiner Joggingrunde unterwegs. Er startet sehr früh, auch, weil er Begegnungen mit Hundehaltern vermeiden will. An diesem Tag aber war er ausnahmsweise mit dem Fahrrad unterwegs. Denn Kieper hatte sich ein neues E-Bike gekauft, das er ausprobieren wollte.

Albtraum im Wald: Aggressiver Hund greift an

Die Radrunde durch den städtischen Forst wurde unvermittelt zum Albtraum. Wie aus dem Nichts sei urplötzlich ein aggressiv knurrender Hund aus dem Gebüsch gesprungen und haben ihn auf dem E-Bike angegriffen, schildert Kieper. Der große braune Hund, vermutlich ein Labrador, habe versucht, ihn in den Fuß, in die Wade und in den Oberschenkel zu beißen.

Mit einem aggressiv angreifenden Hunde, hier ein Symbolbild, bekam es Ingolf Kieper im Germanswald zu tun.
Mit einem aggressiv angreifenden Hunde, hier ein Symbolbild, bekam es Ingolf Kieper im Germanswald zu tun. | Bild: Hoffmann, Claudia

Kieper war damals geistesgegenwärtig genug, um den ersten Angriff mit dem linken Fuß abzuwehren. Der zweite Angriff sei dann aber mit so einer Wucht erfolgt, dass der Hund ihn samt Fahrrad umgestoßen hatte. Er stürzte und landete mit seinem Rad im Graben.

Hundehalter entschuldigt sich

Nur mühsam konnte er sich wieder aufraffen und musste gleichzeitig den Hund fernhalten. Erst nach ein paar Minuten sei endlich der Hundehalter aus dem Wald gekommen, habe Entschuldigungen vorgetragen und erklärt, dass er beim Pinkeln gewesen sei.

Mit dem Handy machte Kieper zwei Fotos von Hund und Herrchen und fragte sein Gegenüber nach Namen, Anschrift, Telefon. Er wollte unbürokratisch und entgegenkommend ohne Polizei den Schaden über die Versicherung des Hundebesitzers regeln.

Alle Angaben waren gelogen

Für diese Gutmütigkeit wurde er nicht belohnt. Wie sich später herausstellte, waren alle Angaben des Hundebesitzers falsch – bis auf den Vornamen. Dieser hatte ihn eiskalt angelogen. Kieper ist noch immer empört über dieses Verhalten. „Ich habe mich auf dem Boden gebogen vor Schmerzen. Der andere sagte mir, es tue ihm furchtbar leid. Und dann gibt er mir einen falschen Namen und Adresse an.“

Dank seiner guten Abwehr-Reaktionen hat er damals keinen Hundebiss erlitten. Doch seine Hose und Schuhe waren kaputt. Vom Sturz hatte er einen schmerzhaften Bluterguss am Oberschenkel und ein lädiertes Knie. Und das nagelneue E-Bike war beschädigt.

Später, als klar war, dass der Hundehalter ihn ausgetrickst hatte, stellte Kieper Strafanzeige bei der Polizei. Doch das war es dann fürs Erste. Der Hundehalter wurde nicht ermittelt, der Fall schien erledigt.

Verfolgungsjagd über verbotene Feldwege

Dann aber kam ihm im April 2024 Kommissar Zufall zu Hilfe. Kieper begegnete dem Hundehalter zufällig eines Morgens an einer Tankstelle wieder. „Nach einer Verfolgungsjagd mit dem Auto über verbotene Feldwege stellte ich ihn im Neubaugebiet Herdenen zur Rede, wobei er noch den ganzen Vorfall leugnete“, berichtet er. Kieper schoss einige Fotos von dem Mann und seinem Fahrzeug und ging erneut zur Polizei.

Ingolf Kieper kann den Hundehalter stellen: „Man sieht sich im Leben immer zweimal.
Ingolf Kieper kann den Hundehalter stellen: „Man sieht sich im Leben immer zweimal. | Bild: privat

Diese forderte den Hundehalter auf, eine Stellungnahme zu den Vorwürfen abzugeben. Das wiederum lehnte der Beschuldigte ab und suchte stattdessen einen Anwalt auf. „Von diesem bekam ich Wochen später ein Angebot zur Wiedergutmachung, verbunden mit einem Entschuldigungsangebot“, erläutert Kieper den weiteren Ablauf.

Rechtsanwälte einigen sich außergerichtlich

Doch der angebotene Schadenersatz fiel für ihn unakzeptabel niedrig aus. „Ich suchte ebenfalls meinen Rechtsanwalt auf, der ein Gegenangebot entwarf.“ Zwischenzeitlich meldete sich ein Sozialarbeiter der Bewährungs- und Gerichtshilfe Baden-Württemberg zu einem Gespräch zum Täter–Opfer–Ausgleich. Doch dazu kam es nicht mehr. Die Rechtsanwälte hatte sich schon auf eine Einigung festgelegt. „Der ich auch zustimmte“, sagt Kieper.

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Staatsanwalt stellt Verfahren ein

Heute bedauert der Ruheständler, dass er sich darauf eingelassen hat. „Was ich leider nicht bedacht hatte, dass sich mit dieser Einigung der Hundehalter strafrechtlich freigekauft hat.“ Die zivilrechtliche Einigung über Schadenersatz und Schmerzensgeld habe sich für den Mann positiv auf das parallel laufende strafrechtliche Verfahren wegen gefährliche Körperverletzung und unterlassener Hilfeleistung ausgewirkt. Dieses Verfahren sei am 26. Juli von der Staatsanwaltschaft Konstanz eingestellt worden.

Über vier Monate lang, sagt er ernüchternd, habe sich „der ganze Vorgang hingeschleppt“. Was am Ende bleibt, ist für den Geschädigten eine Schadenersatzleistung und etwas Schmerzensgeld.

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Enttäuschende Bilanz für den Geschädigten

Dieses Ergebnis stellt Ingolf Kieper nicht zufrieden. Das an den Tag gelegte Verhalten des Hundehalters, sagt er rückblickend, „widert mich nur an“. Dass sich dieser habe strafrechtlich freikaufen können, sei enttäuschend. „Als Strafe hätte ich ihn gerne in einer Sozialeinrichtung, mit 20 Stunden kostenloser Sozialarbeit, gesehen“, bedauert er. Immerhin: Der Mann sei nicht völlig ungeschoren davongekommen.