Aus der Küche zieht ein kerniger Duft durch das Wirtshaus beim Hader-Karle im Villingen-Schwenninger Stadtbezirk Weilersbach. In den Hinterräumen wird gerade gemaischt. Karl Fleig beginnt eine neue Charge Bier zu brauen.
Der Gastwirt und Brauer probiert sich gerne aus. Neben den Klassikern wie Pils und Hellem laufen auch immer ein saisonales Bier und eine Neuentdeckung durch den Zapfhahn seines Wirtshauses. Alles selbst gebraut. Demnächst soll das eben angesetzte Dinkelbier dazustoßen.
In drei bis vier Wochen soll der Neuzugang von Haderbräu über die Theke gehen können. Bis dahin wird der Gerstensaft noch einige Stationen durchlaufen.
Beim Maischen geht es erst einmal darum, durch Zusetzen von Wasser die Enzyme und damit die Aromen des Malzes freizusetzen.

„Im Spezialitäten- und Gourmetbereich hat das Bier mit seinem Ruf zu kämpfen“, hält Fleig fest. Als eintöniges Billiggetränk sei es verschrien, nicht als richtiges Genussmittel.
Dabei habe das Gebräu viel mehr zu bieten, als es das einschnürend anmutende deutsche Reinheitsgebot vermuten ließe, weiß Michael Huschens. Er ist Chefbraumeister bei Fürstenberg-Brauerei in Donaueschingen.

Laut dem Gebot darf zwar nur mit Wasser, Malz, Hopfen und Hefe gebraut werden. „Die Frage ist aber: Wie setze ich die Rohstoffe im Verhältnis ein, dass am Ende ein Bier mit eigenem Charakter rauskommt?“
Drei Fakten über Bier
Alle Folgen unsere Genussserie
Genuss-Reise durch die Heimat: Serie widmet sich den leckeren Seiten des Lebens
Schier unendliche Kombinationsmöglichkeiten
„Ich wollte nie Brauer werden“, schmunzelt Huschens. Durch ein geplatztes Praktikum in der Schule kam es aber anders. Kurzfristig hospitierte er bei seinem Vater, der ebenfalls Braumeister ist. Heute ist Huschens nicht nur Chefbraumeister bei Fürstenberg, sondern auch Biersommelier.
Bei Verkostungen möchte er Menschen vom Facettenreichtum seines Produkts überzeugen. Etwa durch die ungefähr 120 Malz- und 400 zugelassenen Hopfensorten, die Geschmack und Farbe des Biers unterschiedlich beeinflussen.

„Man hat schier unendliche Kombinationsmöglichkeiten, um Bier zu kreieren.“ Aus Malz könne man unter anderem Aromen von Karamell, Schokolade, Schwarzbrot und Süßholz gewinnen.
Man sieht es den kleinen Malzkörnern nicht an, wie unterschiedlich der Geschmack ist, der in ihnen steckt. Wenn man sie einzeln zerkaut, kommt es direkt zur Geschmacksexplosion. Eines schmeckt nach leicht bitterer Schokolade, das Nächste ist süß-zuckrig. Ein Weiteres schießt bereits nach einem winzigen Biss extreme Röstaromen durch die Geschmacksnerven.
„Die geschmackliche Spielwiese beim Bier ist riesengroß. Der Fantasie sind eigentlich keine Grenzen gesetzt.“Karl Fleig, Brauer und Wirt bei Haderkarle in Weilersbach
Und nicht nur mit den Rohstoffen lässt sich so einiges kombinieren. Seit 2019 hat Fleig sein Wirtshaus um eine Brennerei erweitert. Bei der Fasslagerung wechselt er zwischen Schnaps und Bier.

Gerade hat Fleig ein 250 Liter Fass Rum von den französischen Antillen bekommen. In diesem möchte er später Bier lagern. Das gibt einen eigenen Geschmack. „Die geschmackliche Spielwiese beim Bier ist riesengroß. Der Fantasie sind eigentlich keine Grenzen gesetzt.“
Exotischer Geschmack nicht nur in Craft-Bier
Dabei verstecken sich unerwartete Aromen nicht nur in ausgefallenen Craft-Bier Kreationen. Selbst klassische Biersorten warten mit Geschmäckern auf, die vielen gar nicht auffallen. Das klassische Hefe-Weißbier sei laut Huschens eine Mischung aus Nelken und Bananenaroma.
Für die meisten sei die Frage des Biergeschmacks eine zwischen bitter und nicht bitter. Der Chefbraumeister stellt aber fest, wenn man den Menschen erklärt, was genau im Bier steckt, steigert sich das Bewusstsein für die Vielfalt.
„Wenn man den Leuten ein bisschen was an die Hand gibt, dann merken sie die Vielfalt des Biers erst richtig.“Michael Huschens, Chefbraumeister bei Fürstenberg in Donaueschingen
Exklusive Verkostung bei Fürstenberg für SÜDKURIER-Leser
Wer einmal selbst in die Tiefen der Geschmacksvielfalt von Hefe, Hopfen und Malz abtauchen will, bekommt hier die Gelegenheit. Fürstenberg lädt zehn Leserinnen und Leser des SÜDKURIER exklusiv zu einer Bierverkostung ein. Sie findet am Donnerstag, 19. Oktober, von 18 bis 20 Uhr im neuen Brauwerk der Brauerei statt. Wie sie an der Verlosung teilnehmen können, erfahren Sie hier.

Auch zur Schwarzwälder Kirschtorte ein Muss
Durch die breite Palette an geschmacklichen Variationen, passe Bier auch wesentlich besser zu Essen als Wein, betont Huschens. Auch Fleig sieht Bier in dieser Hinsicht unterschätzt. Der Kleinbrauer entwickelt immer wieder saisonale Sorten. „Stärkere Herbstbiere zum Beispiel passen sehr gut zur Schweinshaxe“, so der Biersommelier.
In den letzten Atemzügen des Sommers gibt es bei Haderbräu noch den säurelastigen „Red Summer Dream“ und sehr fruchtigen „Hoppy Charly“.
Huschens empfiehlt Bier sogar zur Schwarzwälder Kirschtorte. „Bier und Schokolade geht eigentlich immer.“ Dunklere Gebräue mit Schokoladenaromen, die vor allem im Winter gebraut werden, seien besonders passend.

Geschmack der Baar bleibt traditionell
Allgemein habe sich der Geschmack in den letzten Jahrzehnten gewandelt, stellt Huschens fest. „Die Leute wollen weniger bitter trinken.“ Selbst Pils habe deutlich weniger Bittereinheiten, als noch vor der Jahrtausendwende.
Auch beim Hader-Karle gehe der Trend laut Fleig stärker zum süffigeren Hellen. Dennoch, da sind sich beide Brauer einig, sei das klassisch bittere Pils auch auf der Baar noch immer die Nummer Eins.

Fleig freut sich jedoch darüber, dass die Experimentierfreudigkeit bei seinen Gästen gestiegen ist. Er wird sich auch in Zukunft weiter ausprobieren, wie heute mit dem Dinkelbier. Und wenn es sich nicht verkauft, ist es auch nicht schlimm. Durch die kleineren Hausbrauer-Chargen und das Gasthaus im Hintergrund, kann sich Haderbräu solche Testläufe erlauben.