Schwierige Zeiten für Frauen brechen an. Mit Rolf Schillfahrt hat zum Jahresanfang der zweite Gynäkologe innerhalb weniger Monate seine Praxis in VS-Schwenningen geschlossen. Hunderte Patientinnen sind auf der Suche nach einem neuen Frauenarzt – in vielen Fällen erfolglos. Und die Situation könnte sich im Landkreis weiter verschärfen.
Im Alter von 77 Jahren ist Rolf Schillfahrt nach fast 37 Jahren in den Ruhestand gegangen. Einen Nachfolger hat der Mediziner nicht gefunden, potentielle Interessenten sprangen kurzfristig wieder ab. Seit wenigen Tagen ist die Praxis In der Muslen nun zu. Endgültig. Rund 1100 Patientinnen sind davon betroffen.
Auch hier: Nachfolger sind Mangelware
Sie sind aber nicht die einzigen, die nun auf der nicht ganz einfachen Suche nach einem neuen Gynäkologen in der Region sind. Schon vor einigen Monaten hat Frauenärztin Sabine Karajoli, die in der Schwenninger Rietenstraße praktizierte, aufgehört. Auch hier das gleiche Thema: kein Nachfolger in Sicht.
Die Wartezeit ist meist lang
Die betroffenen Frauen brauchen nun vor allem eins: Geduld. Und oftmals auch noch ganz viel Beharrlichkeit. Denn einen neuen Arzt zu finden, ist im Schwarzwald-Baar-Kreis schwierig, meist sogar sehr schwierig. Viele Praxen in der Region sind an der Kapazitätsgrenze und können keine neuen Patientinnen mehr aufnehmen. Klappt es doch, ist die Wartezeit lang.
Gynäkologe Peter Pfaff ist gemeinsam mit Frauenärztin Kristina Ackermann Inhaber einer Gemeinschaftspraxis an der Villinger Paradiesgasse. Jeden Tag rufen bei ihm derzeit Frauen auf Arztsuche an, um die zehn oder mehr sind es pro Woche. „Für Vorsorgeuntersuchungen beträgt die Wartezeit momentan ein Dreivierteljahr“, sagt Pfaff. Bei Schwangeren, die ohne Arzt dastehen, versuche man auch eine schnellere Aufnahme zu ermöglichen, das gleiche gelte für Notfälle, so der Mediziner. Doch alle Frauen aufnehmen, die nun einen Arzt suchen, das kann – und darf – er natürlich nicht.
Und Pfaff nennt ein zusätzliches Problem: Für kleine, ambulante Operationen haben er und seine Kollegen oft Patientinnen an Rolf Schillfahrt überwiesen. „Das fehlt uns jetzt in VS“, bedauert er. Auch dies bedeute für die betroffenen Frauen nun weitere Wege und längere Wartezeiten.
Massive Investitionen? Nein, danke
Die verzweifelte Suche nach einem Frauenarzt – eine Situation, die sich in den kommenden Jahren im Landkreis weiter zuspitzen könnte. Denn nicht wenige Gynäkologen in der Region sind bereits um die 60 Jahre alt, ein Ruhestand rückt näher und näher. „In den nächsten Jahren sind massive Investitionen nötig, beispielsweise für die elektronische Patientenakte“, erklärt Peter Pfaff. „Da entscheidet sich vielleicht mancher dann dagegen, noch ein paar Jahre weiterzumachen.“
Die Nachfolgersuche bleibt dann oftmals vergeblich. Pfaff selbst hatte vor einigen Jahre die Situation, dass ein Arztsitz innerhalb der Gemeinschaftspraxis nicht mehr besetzt werden konnte – er verfiel. „Das Konstrukt der Selbstständigkeit zieht einfach nicht mehr“, weiß der Mediziner. Lange Arbeitstage, Budgetierung, ausufernde Bürokratie: Junge Ärztinnen und Ärzte, auch Gynäkologen, wollen diese Belastung nicht mehr. Sie arbeiten zunehmend lieber im Angestelltenverhältnis, mit Teilzeit-Möglichkeiten, festen Arbeitszeiten, Urlaub und ohne finanzielle Belastungen.
„Keiner will kommen“
Dies bestätigt auch Kai Sonntag, Pressesprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW). „Wir haben hier im Landkreis die Situation, dass es freie Praxissitze gibt, aber keiner kommen will“, erklärt er. Vor allem für Einzelpraxen sei es mittlerweile sehr schwer, Nachfolger zu finden. Auch Rolf Schillfahrt hatte seine Praxis frühzeitig in der Praxisbörse auf der KVBW-Homepage ausgeschrieben.
Gibt es sechs Monate nach Schließung keinen Nachfolger, verfällt der Sitz, beschreibt Sonntag das Prozedere. „Dann geht man davon aus, dass die Patienten einen neuen Arzt gefunden haben“, so der Pressesprecher.
Dass hunderte Patientinnen im Schwarzwald-Baar-Kreis nach der Schließung von zwei Frauenarztpraxen innerhalb kurzer Zeit nun ein Problem haben, sieht Kai Sonntag durchaus. „Das ist ohne jeden Zweifel schwierig“, sagt er. Doch was nun? Sonntag rät den Frauen zunächst, ihren Suchradius zu erhöhen, wenn sie vor Ort keinen neuen Arzt finden. Auch über die Servicestelle unter der Nummer 116 117 könne man sich Termine vermitteln lassen. „Die Stelle ist hierfür zuständig. Es werden zunächst einmal natürlich Akut-, aber grundsätzlich auch Vorsorgetermine vermittelt.“
Peter Pfaff macht seinen Job ungeachtet zunehmender Schwierigkeiten noch immer „liebend gern“, wie er selbst sagt. Doch eines sei klar: „Es kommen härtere Zeiten auf alle zu.“