Wo früher einfach mal schnell und preiswert ein Kessel oder ein Öl-Brenner ausgetauscht wurde, steht der Hauseigentümer heute vor einem Berg an Herausforderungen. Denn klassische Heizressourcen wie Gas und Öl werden knapper und vor allem teurer. Hinzu kommt aktuell der moralische Aspekt: Die Gas-Abhängigkeit zu Russland hat neben dem Klimawandel viele zum Umdenken gebracht.

„Was in diesem Markt derzeit abgeht, habe ich in meinen ganzen 30 Berufsjahren noch nicht erlebt und ein Ende ist nicht in Sicht“, sagt Tilo Päßler. Gemeinsam mit Michael Erndle führen er seit 25 Jahren den Heizungsbaubetrieb „Der neue Käfer“ im Donaueschinger Ortsteil Grüningen.

Raimund Neininger hat bei seinem Haus in Tannheim viel Platz und hat sich daher für eine Hackschnitzel-Anlage entschieden. Einmal im ...
Raimund Neininger hat bei seinem Haus in Tannheim viel Platz und hat sich daher für eine Hackschnitzel-Anlage entschieden. Einmal im Jahr muss er dazu den Vorratsraum hinter dem Haus auffüllen. Wer nicht so viel Platz hat, setzt statt dessen auf eine Platzsparende Pellet-Lösung, die passt eigentlich in jeden Keller. | Bild: Hans-Juergen Goetz

Die Situation beim Grüninger Heizungsbauer ist kein Einzelfall, sondern die ganze Branche erlebt gerade einen Ansturm. In den baden-württembergischen Kellern gibt es laut Fachverband Sanitär-Heizung-Klima Baden-Württemberg über eine Million veraltete Heizkessel, die seit über 15 Jahren ihren Dienst tun. Nur ein geringer Prozentsatz der Anlagen sei energetisch auf dem neusten Stand der Technik.

Die Unsicherheit der Verbraucher bezüglich der zukünftigen Wärmeversorgung ihrer Immobilien habe in den vergangenen Wochen zu einem Ansturm bei den Heizungsbauern in Baden-Württemberg geführt. „In den vergangenen Wochen ist die Nachfrage nach Angeboten für Heizungen auf Basis von erneuerbaren Energien radikal angestiegen“, beschreibt Hauptgeschäftsführer Wolfgang Becker die aktuelle Situation. „Das freut uns sehr, bringt die Betriebe aber an ihre Grenzen.“

Das können auch die beiden Grüninger bestätigen: In ihrem Büro steht das Telefon nicht mehr still, pro Tag rufen drei bis vier Neukunden an, die dringend eine schnelle und gute Lösung für ihre überalterte Heizung suchen oder jetzt sehr schnell vom Gas wegwollen. Verstärkt wird die Situation auch durch den Ausfall anderer Heizungsbaufirmen, die inzwischen Altershalber aufgegeben und keine Nachfolger gefunden haben.

Nachfrage ist groß – zu groß

Klingt eigentlich gar nicht so kompliziert oder? Da es in den vergangenen Jahren in der Branche einen großen Sanierungsstau gab und seit zwei Jahren für solche Sanierungsprojekte erhebliche Fördermittel zur Verfügung gestellt wurden, gibt es derzeit einen enormen Nachfrage-Boom. Zusätzlich angetrieben wird der seit März durch die stark steigenden Gas-Preise, gekoppelt mit der Frage der Versorgungssicherheit.

Und da es auf der Bank auch keine nennenswerten Zinsen mehr gibt, empfehlen Vermögensberater liquide Geldmittel optimalerweise auch in eigene Renovierungsprojekte zu investieren. Für eine umfassende Sanierung muss häufig schon mal ein mittlerer fünfstelliger Betrag in die Hand genommen werden. Je nach Objekt und Aufwand kann der Preis sogar noch einmal deutlich steigen.

Lieferketten zusammengebrochen

Und als wäre das alles nicht schon schwierig genug, gebe es auch immer mehr Lieferprobleme bei den Herstellern. Die internationalen Lieferketten sind zusammen gebrochen und die Materialpreise steigen ebenfalls stark an. Kurzfristige Liefertermine gebe es gar keine mehr und eine Preisgarantie sei ein Relikt aus der Vergangenheit.

Tilo Päßler, Geschäftsführer der Firma Käfer Heizungsbau in Grüningen.
Tilo Päßler, Geschäftsführer der Firma Käfer Heizungsbau in Grüningen. | Bild: Hans-Juergen Goetz

„Wir haben uns deshalb schon früh mit Ware eingedeckt und unser Lager entsprechend vergrößert. Außerdem arbeiten wir mit Herstellern zusammen, die unsere jahrelange Treue jetzt bei Lieferzusagen entsprechend würdigen“, sagt Tilo Päßler. Dennoch müssten auch seine Kunden mindestens sechs bis neun Monate warten, bevor er sie beliefern kann.

Nächstes Problem: Mitarbeiter

Und selbst das geht nur noch für seine treuen Bestandskunden. Neukunden müssten hinten an stehen und werden bereits jetzt auf das Jahr 2023 eingeplant: „Wir haben einfach nicht genügend Mitarbeiter, um die erhöhte Nachfrage auch entsprechend bedienen zu können. Und neue Fachleute sind am Markt nicht zu finden““, so Michael Erndle.

Michael Erndle, Geschäftsführer der Firma Käfer Heizungsbau in Grüningen.
Michael Erndle, Geschäftsführer der Firma Käfer Heizungsbau in Grüningen. | Bild: Hans-Juergen Goetz

So fehlen in der Branche über 70.000 Auszubildende. Die Grüninger würden gerne ausbilden, das Interesse sei aber überschaubar. Immerhin: Für das nächste Ausbildungsjahr ließ sich ein Lehrling finden.

Außerdem können Kapazitäten der Mitarbeiter nicht nur für den Einbau neuer Heizungen eingeplant werden. Ein Teil der Arbeitszeit muss auch für Wartungsarbeiten und Notfälle bei seinen Bestandskunden reserviert werden.

Förderung ja, Kapazitäten nein

Ein weiterer Faktor, der die Heizungsbausituation verschärft, sei das Thema Förderung. Zwar stünden derzeit sehr hohe Förderbeträge zur Verfügung. Um die abzurufen, müsse man aber zuerst einen Energieberater beauftragen. Und die sind, man erahnt es, ebenfalls so gut wie ausgebucht. Selbst wenn dann der Förderantrag steht, dauert es bei der BAFA (Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle) inzwischen mehrere Monate, bevor die Bewilligung ausgestellt wird und vorher kann mit der Sanierung nicht begonnen werden.

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Hausbesitzer seien also gut beraten, sich über eine anstehende Heizungssanierung frühzeitig Gedanken zu machen und schon mal etwas mehr Geld auf die Seite zu legen. Ein Ende dieser Misere sei nicht abzusehen.

Forderung an die Politik

Was sich unsere beiden Heizungsbauer wünschen, sind in erster Linie langfristige und klare politische Vorgaben. Aus ihrer Sicht könne auch nur ein gesunder Energiemix der Schlüssel zu einer möglichst effizienten und nachhaltigen Energiewende sein. Beim richtigen Einsatz der vorhandenen Technologien erreichen sie bei ihren Kunden nachweißlich Einsparungen von bis zu 50 Prozent – und das vor allem auch zum Wohle unserer Umwelt.

Doch was sollen Kunden nun tun?

Der Hauptgeschäftsführer Wolfgang Becker rät Heizungsbesitzern zur Geduld: „Wir raten dazu, den kurzfristigen Nachfrage-Boom abzuwarten und einen Heizungstausch langfristig zu planen, wenn die Hysterie wieder etwas abgeflacht ist.“

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