Mikroplastik ist weltweit ein Problem. Nahezu überall in der Natur ist es nachweisbar, ja sogar in Tieren und Menschen sind diese winzigen Plastikpartikel zu finden. Die darin enthaltene Stoffe, wie zum Beispiel Weichmacher, können im Körper ähnlich wie Hormone wirken und krank machen.

Dass kleine Plastikpartikel aber auch positive Eigenschaften haben, das beweisen derzeit drei Absolventen der Hochschule Furtwangen mit ihrer Firma Polymeractive. Ihr Ziel ist es, die Wasseraufbereitung in Kläranlagen zu revolutionieren. Viele weitere Anwendungsbereiche liegen auf der Hand. Für den Ansatz wurden die Gründer jetzt bei der zweiten Innovation-Night, einem Wettbewerb für Firmengründer, mit dem Jurypreis ausgezeichnet.

Die Idee

„Mikroplastikpartikel haben die Eigenschaft, Schadstoffe an sich zu binden“, erklärt Raphael Bosch das Grundprinzip. Das können zum Beispiel Schadstoffe wie Pharmaka, Pestizide oder Hormone sein. Gelangen Plastikpartikel mit dieser Fracht in den menschlichen Körper, bestehe die Gefahr, dass sich angelagerte Stoffe wieder lösen, sich im Fettgewebe einlagern und letztlich schädlich wirken.

Raphael Bosch (am Mikrofon) nimmt den Jurypreis bei der zweiten Innovation-Night im Gründer- und Kreativzentrum in VS-Schwenningen ...
Raphael Bosch (am Mikrofon) nimmt den Jurypreis bei der zweiten Innovation-Night im Gründer- und Kreativzentrum in VS-Schwenningen entgegen. Zusammen mit Mitgründer Adrian Monteleone (rechts) hatte er ihre Firma Polymeractive vorgestellt und den 1000 Euro dotierten Preis gewonnen. Überreicht wurde die Auszeichnung von Markus Dauber (links), Co-Vorstand der Volksbank, Felix Ramert von den Regionalagenten (2. v.l.), Stephanie Schenk von der Firma Vitra (3. v.l.), und von Verena Ziegler (5.v.l.) von Open-Dress. | Bild: Wirtschaftsförderung Schwarzwald-Baar-Heuberg

Während dem Studium an der Hochschule Furtwangen entwickelte Bosch zusammen mit Adrian Monteleone und Moritz Ruff, ebenfalls HFU-Absolventen, die Idee, sich diese Eigenschaft von Plastikpartikeln zunutze zu machen und das Material als eine Art Schadstofffilter einzusetzen. Ausgangsmaterial sind Plastikabfälle, genauer Polyamide.

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Diese Abfälle werden in einem patentierten chemischen Verfahren zu einem Granulat aufbereitet, „das dadurch eine große Oberfläche bekommt, an der sich die Schadstoffe anheften können“, erklärt Bosch. Das chemische Verfahren hatte er im Rahmen seiner Thesis entwickelt.

Mit einem speziellen Stipendium im Gepäck gründeten die drei HFU-Absolventen die Polymeractive GmbH mit Sitz in Offenburg. Das war im Juli 2021.

Adrian Monteleone (von links), Raphael Bosch und Moritz Ruff sind die Gründer der Polymeractive GmBH.
Adrian Monteleone (von links), Raphael Bosch und Moritz Ruff sind die Gründer der Polymeractive GmBH. | Bild: Polymeractive

Als Standort wurde vorausschauend Offenburg gewählt, da die Region strategisch günstig liegt, gut angebunden an wichtige Straßen und Bahnlinien ist und nicht weit entfernt von Frankreich und der Schweiz liegt. Denn sollte die Firma mit ihrem Konzept erfolgreich sein, müssten in Zukunft große Mengen Rohstoffe und Filtergranulat transportiert werden. Frankreich und die Schweiz könnten zu interessanten Märkten werden.

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Tests verlaufen vielversprechend

So weit ist man bei Polymeractive derzeit aber noch nicht. „Aktuell befinden wir uns in der Pilotierungsphase“, erklärt Bosch. Konkret bedeutet das, dass von Firmen aus der Region Plastikabfälle bezogen werden, um daraus in noch kleinem Maßstab im Labor das spezielle Filtergranulat herzustellen.

Dieses Material kommt dann bei Tests und Pilotprojekten zum Einsatz, wie aktuell in einer Kläranlage in Biberach im Schwarzwald. „Die Ergebnisse dort sind vielversprechend“, verrät Bosch.

Unser Bild zeigt die Pilotanlage in der Klaranlage Biberach (Baden).
Unser Bild zeigt die Pilotanlage in der Klaranlage Biberach (Baden). | Bild: Polymeractive

Nachhaltige Alternative

Mit Hilfe solcher Granulate könnten in Zukunft Abluft oder Abwasser von Schadstoffen befreit werden, zum Beispiel in Kläranlagen. Davon gebe es 10.000 in Deutschland. In drei bis vier Prozent der Anlagen werden neben den gängigen Reinigungsschritten auch Spurenrückstände aus dem Abwasser gefiltert. Häufig kommen dabei Aktivkohlefilter zum Einsatz. Das neu entwickelte Verfahren könnte die Aktivkohle künftig ersetzen oder ergänzen.

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Bosch schätzt, dass pro Kläranlage 280 bis 300 Tonnen Aktivkohle pro Jahr nötig sind. Plastikgranulat aus Abfall sei nachhaltiger als der energieintensive Abbau von Kohle. Ein weiterer Pluspunkt: Die Filteranlagen müssten nicht neu gebaut werden. Man könnte in vorhandenen Anlagen die Aktivkohle einfach durch das neue Material ersetzen.

Außerdem könnte es in Zukunft gelingen, verbrauchtes Plastikgranulat aufzubereiten. „Erste Überlegungen in diese Richtung gibt es bereits“, so Bosch. „Die Abfälle sind eh da. So erhalten sie einen zweiten Verwendungszweck und werden nicht einfach verbrannt.“

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Zukunftsperspektiven

Neben dem Recycling des verbrauchten Granulats schwebt Bosch und seinen Mitgründern vor, den Rohstoff für ihr Granulat künftig aus Hausmüll oder alten Fischernetzen zu beziehen, ein weiterer Schritt hin zu mehr Nachhaltigkeit und einer Kreislaufwirtschaft. Auch andere Kunststoffe haben die Gründer für ihre Anwendung bereits im Visier. Auch pulverförmige und mit speziellen Eigenschaften ausgestattete Produkte sind geplant.

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Zahlreiche weitere Einsatzgebiete sind damit denkbar. Die neuen Granulatfilter könnten beispielsweise in der Industrie oder im Pharmabereich Anwendung finden, etwa bei Fermentationsprozessen, um Proteine herauszufiltern. Momentan konzentrieren sich die Gründer aber auf Abwasser, um hier bald in den Markt eintreten zu können. Dafür sind sie noch auf der Suche nach Investoren und Partnern. Denn um nach der erfolgreichen Erprobung in die kommerzielle Produktion einsteigen zu können, muss eine große Anlage gebaut werden. „Und solche Anlagen sind teuer“, so Bosch.

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