Als sich Gerhard Gaiser und Muhammed Daffeh 2017 das erste Mal begegnen, steht der junge Mann aus Gambia vor einem großen Problem: Zwar hat er eine Ausbildungsplatz als Zimmermann bekommen, doch sein Ausbildungsbetrieb hat Insolvenz beantragt. Die berufliche Zukunft des 19-Jährigen, auf die er bei seiner Ankunft in Deutschland zwei Jahre zuvor so sehr gehofft hatte, steht auf der Kippe.

Unbefristeter Vertrag

Im Spätsommer 2021 sitzen Gerhard Gaiser und Muhammed Daffeh auf der Gartenterrasse eines Restaurants in Schramberg. Der junge Mann aus Gambia ist seit Januar ausgelernter Zimmerer mit unbefristetem Arbeitsvertrag. Gerhard Gaiser, früherer Leiter der Gewerblichen Schulen Donaueschingen, ist glücklich.

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Der 70-jährige Ingenieur hat einen guten Teil seines Lebens damit verbracht, jungen Menschen dabei zu helfen, im Berufsleben Fuß zu fassen. Das geht mittlerweile auch über sein eigenes Berufsleben hinaus. Seit 2014 ist Gerhard Gaiser Pensionär und engagiert sich als „Senior Expert“ bei der gleichnamigen Stiftung der Deutschen Wirtschaft für internationale Zusammenarbeit.

Probleme sind vielfältig

Dabei begleitet er junge Menschen, die Probleme in ihrer Ausbildung haben. Sei es, weil sie mit dem Unterrichtsstoff nicht klar kommen, Probleme mit Kollegen haben oder weil Sprachbarrieren den Lernerfolg behindern.

Ein durchdachtes Projekt

Vor Gerhard Gaiser liegt ein Din A4-Ordner, gefüllt mit allem, was Muhammed Daffehs berufliche Laufbahn dokumentiert. Jede Begleitung der „Senior Experts“ ist ein durchdachtes Projekt, wird durchgeplant, besprochen, nachgebessert. Denn: „Jeder Ausbildungsabbruch ist einer zu viel“, schreibt die Stiftung in einer Broschüre.

Als sich die Insolvenz seines ersten Ausbildungsbetriebs abzeichnete, hatte sich Muhammed Daffeh selbst auf die Suche nach Unterstützung gemacht – und dabei Gerhard Gaiser gefunden.

Mehr als Wissensvermittlung

Die ganze Ausbildung über hat Gaiser, selbst Vater dreier erwachsener Kinder, den jungen Gambier begleitet, ihn beim Lernen unterstützt, ihm vieles erklärt, aber im Gegenzug auch von ihm viel gelernt. „Ich lerne von jedem jungen Menschen, den ich begleite“, sagt er. Bei den Treffen gehe es längst nicht nur um bloße Wissensvermittlung. Man tauscht sich aus, über den Alltag, Politik, Religion.

Dass er sich bei den „Senior Experts“ ausgerechnet in der Initiative Vermeidung von Ausbildungsabbrüchen (Vera) engagiert, ist kein Zufall. „Ich hatte schon immer etwas für die Schwächeren übrig“, sagt der Schiltacher. Er engagiert sich unter anderem im „Sozialen Netzwerk Schiltach“ und hat in seiner Zeit in Donaueschingen ein bis heute bestehendes Projekt ins Leben gerufen, das Schüler mit Lernschwäche in den ersten Arbeitsmarkt vermittelt.

„Ich hatte schon immer etwas für die Schwächeren übrig.“
Gerhard Gaiser, ehemaliger Schulleiter und ehrenamtlicher Azubi-Begleiter

Bei Vera handelt sich um Einzelbetreuungen. Bis zu drei hatte Gerhard Gaiser schon parallel am Laufen. „Das reicht aber auch, sonst wird es zu viel“, sagt er. Das Engagement ist ehrenamtlich, die Begleitung für die jungen Menschen und die Betriebe kostenlos. Gaiser hilft den jungen Leuten nach Bedarf – das kann zwei bis drei Mal pro Woche sein, in Phasen der Prüfungsvorbereitung aber auch täglich.

„Ich muss hier zur Schule gehen und ich muss einen Beruf lernen.“
Muhammed Daffeh über sein Ziel bei der Ankunft in Deutschland

„Wir haben uns meist zweimal pro Woche getroffen“, erinnert sich Muhammed Daffeh. Er ist an diesem Abend direkt aus Zell am Harmersbach gekommen, wo er mit seinen Kollegen gerade auf einer Baustelle arbeitet. 2015 kam der Gambier mit 17 Jahren über Mali, Burkina Faso, Niger und Libyen und Italien nach Deutschland. Zurück blieben sein Vater und seine Schwestern. An seine früh verstorbene Mutter hat Muhammed Daffeh so gut wie keine Erinnerung mehr.

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Sein Ziel: „Ich muss hier in die Schule gehen und ich muss einen Beruf lernen.“ Nur so, das sei ihm von Anfang an klar gewesen, werde er Fuß fassen können. Auf die Freiheit, die ihm der gelernte Beruf verschafft, ist Muhammed Daffeh stolz. „Egal, wo ich hingehe, ich kann in meinem Beruf arbeiten.“

Der Wille muss da sein

Gerhard Gaiser ist stolz auf seinen Schützling. Nicht alle Begleitungen sind ein Erfolg, sagt er. Zwei- oder drei Mal hat er die Begleitung auch schon beendet, denn der Wille müsse auf beiden Seiten vorhanden sein. Wer sich als permanent unzuverlässig erweist, kein Interesse daran hat, am Ball zu bleiben – dem kann auch der engagierteste „Senior Expert“ nicht helfen.