35 Prozent – um diesen Wert sind die Bewerbungen für Lehrstellen in der Gastronomie im Bereich der Arbeitsagentur Rottweil – Villingen-Schwenningen von 2020 im Vergleich zu diesem Jahr zurückgegangen. Dadurch kämen sieben freie Lehrstellen auf einen Bewerber. Darüber hatte der SÜDKURIER jüngst berichtet. Wie aber sieht es in anderen Branchen aus? Gibt es Wirtschaftszweige, die von der Corona-Krise sogar profitieren konnten?

Genaue Einblicke in die Situation bei den Auszubildenden in der Region hat die Industrie- und Handelskammer Schwarzwald-Baar-Heuberg (IHK). „Grundsätzlich kann man sagen, dass es bei den kaufmännischen Ausbildungsberufen einen recht ordentlichen Zuwachs gibt. Bei den technischen Berufen gibt es dagegen einen Rückgang“, sagt Miriam Kammerer, Referentin für Bildung bei der IHK.

Lage bei den Auszubildenden

Zu den technischen Berufen gehört beispielsweise der Job des Mechatronikers oder Mechanikers. Es gebe viele Plakate, mit denen nach Azubis in diesen Berufsfeldern gesucht werde. Den Rückgang gebe es aber schon in den vergangenen Jahren – also schon vor Corona.

„Innerhalb der technischen Berufe gibt es aber auch Zuwächse. Die sind vor allem im IT-Bereich zu verzeichnen. Hier werden mehr Ausbildungsplätze angeboten und auch angenommen“, sagt Kammerer weiter. Der Grund sei einfach: Unternehmen würden digitaler. „Unternehmen stellen sich alle paar Jahre die Frage, was zu ihnen passt, was sie brauchen, wo sie sich verbessern können“, so die Bildungsreferentin.

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Dennoch: Trotz des Zuwachses bei IT-Berufen verzeichnet die IHK einen Rückgang bei den Azubis in technischen Berufen. Im Vergleich zum Juli 2020 liege dieser bei etwa 20 Prozent. Aber: „Die finalen Zahlen gibt es dann erst Anfang Oktober. Bis dahin müssen wir noch abwarten“, sagt Kammerer.

Den Zuwachs bei den Azubi-Zahlen im kaufmännischen Bereich beziffert die IHK auf derzeit über 40 Prozent. Eine Steigerung gebe es vor allem bei Kaufleuten im Einzelhandel. Auch der Job des Groß- und Außenhandelskaufmanns sei derzeit beliebt. Kammerer: „Oft wird dieser Beruf von kleineren Betrieben ausgebildet. Daher kann es hier mal sehr schlechte und mal sehr gute Jahre geben.“

Neue Ausbildung in der Region

Neu in der Region – in anderen Gebieten gibt es den Beruf schon länger – ist laut der Jobexpertin das Arbeitsfeld Kaufmann für Digitalisierungsmanagement. Auch gefragt ist der Bereich der Lagerlogisitk.

„In absoluten Zahlen gibt es aber immer noch mehr Azubis in den technischen Berufen. Das spiegelt schlicht unsere Region wider, wo es im Industriesektor mehr Arbeitsplätze gibt“, sagt die Referentin für Bildung bei der IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg. In diesem Jahr rechnet die Industrie- und Handelskammer mit 1500 bis 2000 neuen Lehrlingen in der Region.

Einbruch vor allem bei Minijobbern

Auskunft darüber, wie sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt entwickelt, kann die Arbeitsagentur Rottweil – Villingen-Schwenningen geben. „Das Gastgewerbe (Hotellerie und Gastronomie) ist eine von der Krise besonders betroffene Branche. Im Zuge der Corona-Krise ist die Beschäftigung in diesem Wirtschaftszweig deutlich zurückgegangen“, sagt Pressesprecherin Elena Niggemann. Demnach habe die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung um 7,6 Prozent abgenommen. Bei den geringfügig Beschäftigen sind es sogar 21,6 Prozent.

Wo sind sie alle hin?

Im Gastgewerbe, so Niggemann weiter, arbeiteten viele Minijobber. Wo diese eine neue Anstellung gefunden haben, sei schwer zu sagen, aber: „Unserer Einschätzung nach haben viele dann Jobs in Testzentren und anderen Einrichtungen gefunden, die derzeit noch in Betrieb sind. Zudem fallen in Zeiten des Fernstudiums viele Studierende weg, die in ihrem Heimatort verblieben sind und sich sonst oft in der Gastronomie am Studienort etwas dazuverdient haben.“ Es sei insbesondere aus finanziellen Gründen nachvollziehbar, dass einige Minijobber sich während der Krise eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung gesucht haben. Denn Minijobber haben beispielsweise keinen Anspruch auf Kurzarbeitergeld.

Lockerungen positiv für Gastgewerbe

Und wie ist die Situation jetzt? Die Corona-Lockerungen machten sich auch im Gastgewerbe bemerkbar – allerdings später als in anderen Branchen. Deutlich sei aber, dass der Bedarf an Arbeitskräften in der Gastronomie zunehme. Niggemann: „Seit dem Frühjahr 2021 steigt die Anzahl der gemeldeten Arbeitsstellen wieder kontinuierlich. Aktuell sind bei der Agentur für Arbeit 175 Stellen aus dem Gastgewerbe gemeldet, das ist der höchste Wert seit Beginn der Corona-Krise – entspricht aber noch nicht dem Vorkrisen-Niveau.“ Zum Vergleich: Im Juli 2019 waren 250 zu besetzende Stellen gemeldet. Aus den Stellenmeldungen sei ersichtlich, dass die Branche einen höheren Bedarf an Fachkräften als an Helfern habe. Aufgrund mangelnder Bewerber sei die Personalbesetzung aber sehr schwierig.ie

Das sind die Gewinnerbranchen

Während also das Gastgewerbe trotz einer leichten Entspannung insgesamt hohe Abgänge zu verzeichnen hat, profitiert vor allem der Dienstleistungsbereich. Laut der regionalen Arbeitsagentur wurde hier Beschäftigung aufgebaut. Bei wirtschaftlichen Services wie der Arbeitnehmerüberlassung – also bei Zeitarbeit – seien 327 Menschen (4,4 Prozent mehr) beschäftigt als im Vorjahr. Auch das Baugewerbe könne ein Plus verzeichnen. Hier seien 289 Menschen mehr als vor einem Jahr beschäftigt (plus 2,6 Prozent). Ebenso verzeichne der Bereich Heime und Sozialwesen mit 2,5 Prozent mehr als im Vorjahr ein Plus. Das entspreche 236 Personen. „Die geringfügig entlohnte Beschäftigung hat eindeutig im Bereich Verkehr und Lagerei zugenommen: Hier sind 2282 Personen mehr als vor einem Jahr beschäftigt“, so Niggemann. Das entspreche einem Plus von 74,9 Prozent.

So ist die Situation der Selbstständigen

Aber nicht nur für Angestellte, auch für viele Selbstständige hat sich die Situation mit der Krise verschlimmert. Wie die Bundesagentur für Arbeit kürzlich bekannt gab, versechsfachte sich die Zahl der Selbstständigen, die nun Grundsicherung beziehen müssen. Ist das auch in der Region Schwarzwald-Baar der Fall? Niggemann: „Die Zahl der Selbstständigen in der Grundsicherung verläuft in Wellenbewegungen, mit Höhepunkten zum Beginn der Pandemie im April 2020 und im Frühjahr 2021.

Im Schwarzwald-Baar-Kreis meldeten sich zu Beginn der Pandemie insbesondere Selbstständige aus der Gastronomie, aktuell verzeichnet das Jobcenter Schwarzwald-Baar-Kreis vor allem Anträge von Selbstständigen aus dem Friseurhandwerk, aus der Gastronomie und von Nagel- und Tattoostudios. Die Zahl der Selbstständigen in der Grundsicherung im Agenturbezirk Rottweil – Villingen-Schwenningen habe sich im Zuge der Corona-Krise jedoch nicht vervielfacht.

Lage entspannt sich zunehmend

Niggemann: „In den Monaten April 2019 bis Juli 2019 meldeten sich im Agenturbezirk insgesamt 24 selbständig tätige (nichtarbeitslose) Menschen in der Grundsicherung. In den Monaten April 2020 bis Juli 2020 waren es 206 selbständig tätige (nichtarbeitslose) Menschen. Dieser Anstieg geht zum großen Teil auf die Corona-Krise zurück.“ In den letzten Monaten hätten sich die Zugänge aber sichtbar reduziert. So meldeten sich von April bis Juli im Agenturbezirk insgesamt 44 selbständig tätige (nichtarbeitslose) Menschen in der Grundsicherung. Im aktuellen Berichtsmonat vom Juli haben sich sieben Selbständige gemeldet. Vor zwei Jahren – im Juli 2019 – wurden ebenfalls sieben Zugänge von Selbstständigen in der Grundsicherung gezählt.