Das gibt es selten: Schwarzwald-Baar bundesweit auf Platz eins im Landkreis-Vergleich. Am Donnerstag war es soweit. Laut RKI (10. März, 3.33 Uhr) rangierte die Schwarzwald-Region im deutschlandweiten Vergleich der Landkreise und ihrer Corona-Belastungen (Sieben-Tage-Inzidenz bei 3038) ganz oben, deutlich vor Garmisch-Partenkirchen (2995) und mit Abstand zu Karneval-Metropolen wie Köln (2785).
Die Behörden-Besetzung spricht Bände
Woran liegt der markante Anstieg der Neuinfektionen, fragten wir den Leiter des Kreisgesundheitsamts, Hatem Saleh.
Der Arzt leitet die Behörde in einer schwierigen Zeit. Die Herausforderung für seine Behörde wird an diesen Zahlen klar. Rund 30 Mitarbeiter stark ist die Behörde aktuell und regulär. Wegen der vielen Fallzahlen sind dem Amt weitere dreißig Personen zugeordnet, ergänzt wird das verdoppelte Team sogar noch durch Bundeswehrsoldaten.

Saleh kennt sich bei Corona auch so aus: „Ich bin ja selbst viermal geimpft und einmal genesen“, sagt er mit einem Schmunzeln. Ganz zu Beginn der Pandemie habe er sich angesteckt. Bei der Beurteilung der Lage vergeht ihm das Lächeln. Er wird sehr ernst. Saleh geht wie andere Fachleute davon aus, dass es „bei uns derzeit zusätzlich eine sehr hohe Dunkelziffer an Infizierten gibt“, Menschen also, die das Virus in sich haben, davon aber nichts bemerken, „weil sie vielleicht meinen einen Schnupfen zu haben“, wie er formuliert.
Zu Ostern wieder alles gut?
Was diese Konstellation aktuell für den weiteren Infektionsverlauf bedeuten kann, wagt der Amtsleiter nicht konkret auszudrücken: „Vielleicht ist es an Ostern auch alles wieder normal, wir haben ja auch gute Gründe, die uns hoffen lassen, dass sich die Lage entspannt“. Bei den vorangegangenen Virus-Wellen sei jeweils die wärmere Jahreszeit vorteilhaft gewesen, „warum sollte das nun bei Omikron nicht der Fall sein“, nennt er als Beispiel.

War es die Fastnacht, welche die Ansteckungsraten so in die Höhe hat schnellen lassen? Saleh ist ein höflicher Mensch. Schuldzuweisungen sind nicht sein Ding, das könnten maximal Spekulationen sein, meint er zu den vielen Treffs der Narren etwa in Villingen: „Es liegt eben nur nahe, dass es die Fastnacht war.“
„Zeitlich würde es passen“
Beim Nachhaken lässt er sich aber auf diese Betrachtungsweise zustimmend ein: Betrachtet man Fastnacht als Termin und zieht die Inkubationszeit in Betracht, dann deutet es schon aut. viele närrische Auslöser hin, oder? „Ja, so kann man das schon sehen, das ist zumindest logisch und wissenschaftlich nachvollziehbar“, sagt er als Antwort. „Zeitlich würde es wirklich passen“, ergänzt er dann noch mit einem Kopfnicken in dem Gespräch, das über eine kamerabasierte Konferenzplattform geführt wurde.
Saleh ist auch ein Mensch, der die gute Nachricht in der schlechten sucht. Und findet: „Wir dürfen ja auch davon ausgehen, dass die vielen Infizierten jetzt eine lange Phase der Immunität haben“, sagt er.
„In den Kitas ging es nach den Weihnachtsferien los“
Dass beispielsweise in und um Vs herum aktuell viele Kitas und Schulklassen betroffen sind, kann er als Behördenleiter derzeit „kaum in den Details nachvollziehen“. Es gebe „jedenfalls bis jetzt weder in Kindergärten noch in Betrieben größere Ausbrüche, wie wir sie beispielsweise 2021 erlebt haben“, sagt er.
Bei den Kindergärten „ist es ja schon nach den Weihnachtsferien losgegangen mit den vermehrten Ansteckungen. Im Prinzip hat sich das bis heute nur fortgesetzt.“ Einige Einrichtungen, Saleh nennt auch Pflegeheime, seien aktuell mit „fünf bis zehn Erkrankten“ beschäftigt, schildert er. In den Pflegeheimen der Region werden derzeit die zweiten Booster angeboten, nicht nur Hochbetagte können sich ein zweites Mal den Schutz auffrischen lassen, auch Beschäftigte im Gesundheitsbereich, erklärt er.
„Keine Gruppe besonders stark betroffen“
Zusammengefasst sei das Infektionsgeschehen als „diffus wie noch nie bei uns zu betrachten“, formuliert er. Er könne keine speziellen Bevölkerungsgruppen sehen, die besonders betroffen seien – „alle Altersschichten haben es.“

„Wir können nicht gesichert sagen, wie es nun weitergeht“, blickt er nach vorne. Die These von Bundesgesundheitsminister Lauterbach, der vor einer Sommerwelle warnt, stützt Saleh nicht. Er betont aber sofort, dass Lauterbachs Festlegungen „stets wissenschaftlich fundiert seien“.
So beurteilt der Amtsleiter die Lage der Systeme
Eine gute Nachricht ist für Saleh, dass die Gesundheitsstrukturen im Schwarzwald-Baar-Kreis halten. „Die niedergelassenen Kollegen sind mit der Zahl der vielen Abstriche besonders beschäftigt“, berichtet er.

Fürs Klinikum selbst sagte Sprecherin Sandra Adams am Mittwoch, die 3000-Mitarbeiter starke Einrichtung habe aktuell „einen doppelt so hohen Krankenstand wie sonst“. Diese führe dazu, dass viele beschäftigte Schichten von ausgefallenen Kollegen übernehmen müssten – eine besondere Beanspruchung.

Und die ganz harten Fälle? Saleh beruhigt. Stand Donnerstag seien etwa 116 Personen in der Corona-Behandlung im Krankenhaus. „Zwei Drittel davon sind aber mit Corona dort und nicht ausschließlich wegen Corona“, führt er aus. Und: Sechs Personen würden intensiv betreut, kein einziger müsse invasiv beatmet werden, fünf Personen davon würden aber konventionell beatmet werden, präsentiert er die neusten Zahlen aus dem Krankenhaus.
Saleh drückt beim nach vorne Schauen auf die Stimmungsbremse. „Wir können auch als Fachleute immer überrascht werden“, sagt er. Und fügt hinzu: „Hätten Sie mich vor drei Wochen gefragt, hätte ich gesagt, dass die Inzidenz bei uns sinken wird. Dann aber kam die Fastnachtszeit“, formuliert er selbst.
Tipps für Bevölkerung? Saleh appelliert an alle, sich impfen zu lassen. Auch an jene, die noch keinen Booster hätten. „Es gibt hier keine wissenschaftlichen Gründe, sich zurückzuhalten“, betont er. Die zusätzlichen Dosen würden sicher einen Zusatzschutz bieten. Es sei klar, dass durchgeimpfte Menschen, also alle mit Zweifachimpfung und Booster, im Infektionsfall „einen weniger schweren Krankheitsverlauf erleben“, zeigt er sich überzeugt.