Wenn es irgendwo ein Paradies speziell für Männer gäbe, dann könnte dieses vielleicht in Wacken liegen. Zumindest an jenen Sommertagen jedes Jahr, wenn am ersten Augustwochenende in dem kleinen Dorf in Schleswig-Holstein Deutschlands bekanntestes Heavy Metal-Festival steigt. Vier Villinger haben sich diesen Männertraum jetzt erfüllt.
Angekommen in einer anderen Welt
„Wacken ist wie eine andere Welt“, sagt Robert Logusan (52). „Wir kommen alle nicht mehr aus dem Grinsen heraus.“ Alle, das sind außer dem bekannten Fußballer Logusan, einst in Diensten des FC 08 und der Villinger DJK, der 56-jährige Daniel Neumaier, der ehemalige Pfadfinder Holger Flaig (56) und Ingo Höfner, Rietvogel und mit 62 Jahren der älteste im Bunde.
Seit Dienstag, einen Tag vor Festivalstart, sind die vier Villinger vor Ort auf dem Holy Ground (heiliger Boden), wie das Gelände bei Fans heißt. Dort, wo sie schon seit Jahren unbedingt gemeinsam hinwollen.

Was die Freude im hohen Norden derzeit erleben, ist sozusagen das Männer-Paradies in der Deluxe-Variante. Zelt an Zelt, null Privatsphäre und jeden Tag das gleiche Shirt mit von Tag zu Tag strengerer Duftnote an, weil einfach kaum Gepäck in die provisorische Mini-Behausung passt?
Bloß nicht! Das Quartett ist mit einem großen Luxus-Camper aus der Doppelstadt angereist, inklusive geräumiger Kochecke, sauberen sanitären Einrichtungen und bequemer Ruhestatt für jeden Einzelnen nach anstrengendem Festivaltag.

Für das glanzvolle Gefährt haben sie extra ein kleines Grundstück gemietet, auf dem nun auch noch das weiße Vorzelt und der Grill Platz gefunden haben. „Wir sind jetzt in dem Alter, in dem man anständig auf einem Festival campen kann“, betont Robert Logusan und lacht.
Mit Bier und Gefriertruhen unterwegs
Neben dem absolut Notwendigen – Bier in nicht geringen Mengen – haben die Villinger auch Gefriertruhen voller Essen mit im Camper. Nichts mit Fünf-Minuten-Terrine zu jedem Frühstück, Mittagessen und Abendessen. Die Villinger Metalheads speisen für Festival-Besucher nahezu feudal, mit Cevapcici, Spaghetti mit Lauch-Speck-Sauce, Reis und vielem mehr.
Jeden Morgen bruzzelt Chefkoch Daniel Neumaier gar frische Eier mit Speck. Klar: Wer den Wacken-Tag gut durchstehen will, braucht schließlich Kraft, weiß der 56-Jährige, der zu den „Harten Hunden“ gehört, einer ehemaligen Handballmannschaft beim TV Villingen. Dass Ingo Höfner schon beim Start in VS das Bett im Camper auf den Kopf geknallt ist und seine Brille zerstört hat – geschenkt. Ja, es ist der siebte Herren-Himmel hier auf dem heiligen Boden.
Der Festival-Start selbst war „rundum super“. Nein: „Phänomenal“, beschreiben Robert Logusan, Daniel Neumaier, Holger Flaig und Ingo Höfner die Stimmung dort bei den beiden Hauptbühnen namens „Faster“ und „Harder“. Vier Villinger mitten unter 85.000 Besuchern. „Alle sind supergut drauf hier“, sagen sie.
Was bislang der Höhepunkt war? Für die Schwarzwälder ist dies ganz klar: der Auftritt von Suzi Quattro. Eineinhalb Stunden hat die 74-jährige Heavy-Metal-Größe das Festival gerockt, „und wir haben bei fast jedem Lied mitgesungen“, erzählt Robert Logusan.

Überhaupt, das Wacken-Gefühl: Es ist ein Gefühl von Familie, erzählen die Villinger. Wie viele Leute sie bislang kennengelernt haben, können sie schon nicht mehr genau sagen. „Hier redet jeder mit jedem, alle sind lustig und frei“, beschreibt es Fußballer Logusan.
Der Rocker in schwarzem Leder mit Tätowierungen auf nahezu jeder sichtbaren Körperstelle und „gefühlt 100 Jahren Gefängnis im Gesicht“ beispielsweise entpuppt sich im Gespräch als lieber und witziger Kerl, erzählt der 52-Jährige. Harte Musik, harte Jungs und Familienidyll – das passt hier offenbar doch perfekt zusammen.
Klar, zu hören gibt‘s genügend, doch die vier Villinger sind noch mit etwas anderem schwer beschäftigt: „Gucken, gucken, gucken“, sagen sie. Der Camper ein Stück weiter zum Beispiel: Der war im früheren Leben ein Gefängnisbus. Oder die Statuen bekannter Heavy-Metal-Größen im Dorf. Oder die Frau mit den fluoreszierenden Kontaktlinsen und dem Kopfschmuck aus Federn und Knochen. Oder, oder, oder – diese Aufzählung könnte noch viele Zeilen dauern.

Einmal Wacken, immer Wacken, heißt es bei vielen treuen Festivalbesuchern und jetzt auch bei den vier Jungs aus Villingen. Das wissen sie heute schon. Am Sonntagmorgen geht es im Luxuscamper zwar wieder Richtung Schwarzwald. So ganz schnell werden sie das Festival der sehr, sehr lauten Töne aber nicht vergessen. Da ist sich Robert Logusan sicher, der 2022 schon einmal dort war: „Nach einer Woche hatte ich immer noch ein Klingeln im Ohr.“