Lisa Hengstler ist eine echte Seltenheit in Deutschland. Die Bürgermeisterin von Gütenbach ist nämlich bundesweit eine der wenigen Frauen an der Spitze eines Rathauses. Laut dem Deutschen Städtetag ist das nur in etwa jeder elften Gemeinde der Fall.
Im Schwarzwald-Baar-Kreis ist Hengstler sogar die einzige Bürgermeisterin in den 20 Gemeinden. Doch nicht nur in den hiesigen Rathäusern bleiben die Stimmen von Frauen unterrepräsentiert. Nur 12 von 61 Abgeordneten im Kreistag sind Frauen.
Wenige Frauen auf den Listen
„Wenige Frauen lassen sich zur Wahl stellen. Das liegt aber nicht nur an der Außenwelt. Viele trauen es sich nicht zu“, sagt Lisa Hengstler. Gerade bei jüngeren Frauen mit Kindern sei das ein Problem.
„Ich merke es selbst. Wenn man Kinder hat, ist es schwierig.“ Die CDU-Politikerin ist zweifache Mutter, war während der Schwangerschaft und kurz nach der Geburt ihres ersten Kindes auch noch im Kreistag vertreten. Herausfordernd, aber sie hat es geschafft. „Es gibt vielleicht auch nicht so viele Männer, die das als Partner mitmachen.“

Viele Frauen würden das Interesse an politischen Ämtern erstmal hintenanstellen. Es sei dann die Frage, ob sie später noch wirklich in großer Zahl in die Politik einsteigen.
Die Verantwortung dafür liegt für Lisa Hengstler auch bei einer allgemeinen Denkweise. „Von der Öffentlichkeit wird man beim Thema Familie anders behandelt als ein Mann.“ Sie nimmt etwa wahr, dass sie als Frau öfter nach den Kindern gefragt werde als ihre männlichen Kollegen, die ebenfalls kleine Kinder haben.
Kein Fan von Frauenquote
In den Kreistagen im Land ist der Frauenanteil nach der Kommunalwahl 2024 von 22,6 auf 21,7 Prozent gefallen. Baden-Württembergs Gemeinderäte bestehen laut dem Statistischen Landesamt aktuell zu 27,4 Prozent aus Frauen, etwas mehr als 2019 (26,8 Prozent). Trotzdem sind Frauen auch hier klar in der Unterzahl.
„Frauen trauen sich prinzipiell nicht so viel wie Männer“, sagt die Donaueschinger FDP-Stadträtin Lisa Fritschi. Der zeitliche Aufwand und viele Abendtermine für die oft ehrenamtliche Arbeit führten dazu, dass vor allem junge Frauen mit Kindern seltener auf Kandidatenlisten gingen.
„Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die Teilnahme für Frauen in der Politik zu ermöglichen beziehungsweise zu erleichtern“, sagt auch Fritschi. Etwa hybride Gemeinderatssitzungen oder Sitzungen zu anderen Zeiten könnten dabei helfen.
Fritschi möchte eine stärkere Repräsentation von Frauen in der Politik aber nicht über eine Quote erreicht sehen. „Man muss mehr Anstrengungen unternehmen, um Frauen davon zu überzeugen, dass es auch etwas für sie ist.“
Kleine Schritte, aber weiter Nachholbedarf
Für Kerstin Skodell, SPD-Fraktionsvorsitzende im Hüfinger Gemeinderat, könnten auch die Parteien noch mehr machen. Sie fordert keine Quote. Dass Parteien Kandidatinnen stärker unterstützen, wünscht sie sich dennoch. „An der Kompetenz fehlt es nicht“, so Skodell. Vielleicht werde aber gerade jungen Frauen zu wenig davon zugesprochen.
Auch wenn in der Kommunalpolitik heute nicht mehr so herablassend auf politische Frauen geblickt werde: „Man muss als Frau immer noch kämpfen. Deshalb ist der Weltfrauentag auch total wichtig, um darauf zurückzukommen und an die vielen Kämpferinnen zu erinnern.“
Und der Kampf lohnt sich für Skodell. „Ausgeglichenheit ist auf allen Ebenen wichtig. Jung und Alt, Mann und Frau müssen gleichermaßen gehört werden. Wenn Frauen im Gemeinderat fehlen, dann fehlen Themen und wichtige Blickwinkel.“
15 Gemeinderätinnen in VS
Im Villinger Gemeinderat sind aktuell 15 Frauen vertreten (bei 40 Mitgliedern). „Als ich anfing, waren wir sieben Frauen“, erzählt Ulrike Heggen (Freie Wähler). „Die Hälfte wäre schön, aber da sieht man schon, dass sich etwas verändert hat.“
Auch viele junge Frauen würden dort nachkommen. Dennoch werde es gerade Frauen oft nicht leicht gemacht, sich politisch zu engagieren. „Es liegt vielleicht schon daran, dass die Frauen heute berufstätig sind. Und wenn sie noch Kinder haben, ist das einfach zu viel“, so Heggen. Die Belastung in dem Alter, in dem ein Engagement interessant wäre, sei einfach zu groß.
Rückendeckung der Familie ist entscheidend
Ulrike Heggens Kinder waren elf und 14 Jahre alt, als sie anfing. „Wenn mein Mann mir nicht den Rücken freigehalten hätte bei vielen Dingen, dann hätte ich auch vieles nicht machen können“, sagt die 60-Jährige.
„Als ich anfing, war das ein Thema, dass sich die Frauen das nicht so zutrauen“, erzählt sie. Aus ihrer Sicht habe sich das gebessert.
Weshalb mehr Frauen in der Kommunalpolitik aktiv sein sollten? „Weil die weibliche Sicht einfach eine andere ist. Und das finde ich wichtig. Es ist immer gut, wenn beide drauf schauen. Und das kann nur für alle letztendlich gewinnbringend sein.“
Frauenüberschuss bei den Grünen
Dass Frauen in der Kommunalpolitik so schwach vertreten sind, stimmt nicht für alle Fraktionen in VS, sagt Ulrike Salat (Die Grüne). Vier der sechs Gremiumsmitglieder der Partei sind Frauen.
Zu den Gründen für die allgemeine Unterrepräsentanz zählt für die Stadträtin das noch etablierte, eher veraltete Rollenbild der Frau in der Gesellschaft.

Noch immer kleine gleichberechtigte Rolle
„Das historisch und gesellschaftlich bedingte Frauenbild hat sich in den Köpfen der meisten Menschen zwar längst geändert, Frauen haben in unserer Gesellschaft die gleichen Rechte“, sagt Ulrike Salat. Aber die die Umsetzung und die Konsequenzen daraus würden hinterher hängen.
So würden Frauen noch immer keine gleichberechtigte Rolle in der Politik spielen. Männer seien dominanter und agieren selbstbewusster. „Damit tun sich Frauen schwer, sie müssen sich gegen Männer behaupten und Plätze beanspruchen, die ihnen bislang noch nicht gehören oder auch nicht freiwillig von Männern überlassen werden.“
Potenziale ausschöpfen
Um Frauen den Schritt in die Politik zu erleichtern, könnten laut Salat einige Regeln aufgestellt werden. Von einer definierten Frauenquote halte sie aber ebenfalls nichts.
Bei der Listenaufstellung könne man abwechselnd Männer und Frauen aufstellen, wie es die Grünen tun. „Das Potenzial aber, welches in einer Mischung aller Geschlechter, eben auch für die Politik schlummert, ist immens und sollte dringend genutzt werden.“