Aus welchem Grund ist eine 57-jährige Frau in Rottweil im Dezember 2022 von ihrem Mann getötet worden? Die Antwort auf diese Frage erweist sich als schwierig und komplex, wie jetzt beim Prozess vor dem Landgericht Rottweil am vierten Prozesstag deutlich wurde.

Henner Giedke, ein erfahrener Psychiater, verglich seine Diagnose mit einem Puzzle, bestehend aus einer schizophrenen Persönlichkeitsstörung, einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung und einer Anpassungsstörung, zu der sich die langjährige Alkoholabhängigkeit des Angeklagten gesellt.

Harte Kindheit

Erklären lässt sich wohl manches mit der harten Kindheit des Mannes. Sein Vater starb bei einem Unfall, als er vier Jahre alt war. Statt bei der Mutter zu leben, zog er die Oma vor, und als die starb – ein traumatisches Erlebnis, sie war wohl die einzige Bezugsperson – ging er lieber ins Heim. Dazu kam, dass er von einem Onkel missbraucht wurde.

Dieser Start ins Leben bot also keine guten Voraussetzungen. Das zeigte sich später, als er zwei Ausbildungen abbrach und schnell in eine Alkoholabhängigkeit und dann in die Obdachlosigkeit rutschte.

Die zweite Bezugsperson in seinem Leben wurde dann seine Ehefrau, die er in der Rottweiler Wohnungslosenunterkunft Spittelmühle kennenlernte. Auch sie war zu der Zeit wohnungslos und alkoholkrank.

Die beiden bauten sich ein bürgerliches Leben auf. Er verdiente bei einer Baufirma, sie arbeitete Teilzeit und kümmerte sich zuhause um alles, vom Haushalt bis zu den Finanzen.

Sozial abhängig von seiner Ehefrau

So war der 50-Jährige allerdings nicht nur weiterhin vom Alkohol abhängig, sondern auch von seiner sieben Jahre älteren Ehefrau. Diese pflegte zudem ein aktives Sozialleben, das ihm fehlte.

Psychiater Giedke beschrieb den Angeklagten als wortkarg, in sich gekehrt und menschenscheu. So hätten die beiden eine Beziehung wie zwischen Mutter und Kind gehabt, in der Sexualität keine Rolle spielte, zumindest für ihn nicht.

Der Angeklagte habe ab September 2022 gewusst, dass seine Ehefrau einen anderen Mann hatte, war sich Gutachter Giedke sicher. Er habe sich aber durchaus vorstellen können, weiterhin mit seiner Gattin zusammen zu leben.

Gutachter sieht keine Eifersucht als Mordmotiv

Mehr noch: Ein erneutes Abrutschen in die Obdachlosigkeit sei für ihn eine „Horrorvision“ gewesen, hatte der 50-Jährige gesagt, und der Gutachter unterstrich dies: Der Angeklagte brauchte die Routine, für die seine Frau stand, für ihn sollte sich nichts daran ändern.

Deshalb spielte aus Sicht des Gutachters Eifersucht als niederer Beweggrund und damit als juristisches Merkmal für einen Mord keine Rolle.

Damit widersprach Giedke der Anklage, die von einer anderen Motivlage ausgeht. Dieser zufolge habe die Ehefrau in den Augen ihres Mannes lieber sterben sollen, als zum neuen Freund gehören, so Staatsanwalt Robin Schray. Wenn er sie nicht haben könne, solle sie auch kein anderer haben.

Das könnte Sie auch interessieren

Das Gutachten der Rechtsmedizinerin Nadine Gilch bestätigte das Geständnis des 50-Jährigen in einem wichtigen Punkt: Christina E. ist unter massiver Gewalteinwirkung erdrosselt worden, mindestens vier Minuten lang. An der Leiche seien zudem Abwehrverletzungen gefunden worden.

Der Angeklagte hatte zugegeben, seine Frau erwürgt zu haben. Was danach geschah, warum er sie erst mehrere Tage später im Garten vergrub, warum er ihr weiterhin über Whatsapp Nachrichten schickte und nach außen so tat, als sei sie verreist beziehungsweise ausgezogen, wurde auch an diesem Prozesstag nicht klar.

Er selbst hatte ausgesagt, dass für ihn der Garten der richtige Ort gewesen sei, denn dann sei sie weiterhin in seiner Nähe.

Die Plädoyers und die Urteilsverkündung wurden vom Gericht auf Dienstag, 8. August, ab 8.30 Uhr verschoben.