Die Zahnärzte in Baden-Württemberg planen einen gemeinsamen Protesttag. Unter dem Motto „Wir müssen reden“ soll es statt der üblichen Sprechstunden an diesem Tag einen Sprechtag geben.

Sprechen wollen die Zahnärzte mit den Patienten, Politikern und Journalisten. Dabei soll es um die Themen gehen, bei denen in der Dentalmedizin der Schuh drückt: Bürokratie, Fachkräftemangel, Budgetierung und eine nicht an die aktuellen Verhältnisse angepasste Gebührenordnung.

Darum geht es den Protestierenden

Ziel ist in Form einer Graswurzelbewegung, also von der Breite der Gesellschaft her Einfluss auf die Politik zu nehmen. Ein Streik soll es laut Organisatoren zwar nicht sein, dennoch fällt vielerorts die Behandlung aus.

Aber was ist denn mit den Patienten? Kommen die etwa am 18. Juni in die Zahnarztpraxis und werden mit einer Graswurzelkampagne statt einer Wurzelbehandlung überrumpelt?

Was bislang geplant ist

Nein, für die Patienten gibt es am Aktionstag keine böse Überraschung, versichert Petra Krauss. Sie ist Vorsitzende der Kreisvereinigung Schwarzwald-Baar der Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg und regionale Organisatorin des Protesttags. Die Ärztin arbeitet in VS-Schwenningen in der Praxis für Zahnmedizin Dr. Henne & Dr. Krauss.

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Am 18. Juni werden die Zahnärztinnen und Zahnärzte mit einem Stand in der Villinger Innenstadt von 11.30 bis 14.30 Uhr über ihre Anliegen informieren. Außerdem sollen die Patienten gemäß dem Motto in die Praxen zu Gesprächen eingeladen werden.

Das müssen die Patienten wissen

Behandlungen finden bei teilnehmenden Zahnärzten am 18. Juni deshalb keine statt. Ein Notdienst wie am Wochenende oder an Feiertagen ist jedoch eingerichtet. Patienten mit dringenden Zahnproblemen oder Schmerzen werden von den Medizinern also nicht allein gelassen.

Was die Ärzte für ihr Personal fordern

„Wir leisten unseren Dienst am Patienten“, versichert Krauss. Das gelte auch für den beruflichen Alltag. Und das trotz aller Sorgen und Nöte, die die Zahnärzte umtreiben – beispielsweise Personalmangel. Die Zahnärztin hat dabei die Situation der Mitarbeiter im Blick. „Dem Personal soll es gut gehen, denn ohne Personal geht es nicht“, sagt sie. Gar nicht so einfach, angesichts der Umstände.

Eine limitierende Budgetierung trifft auf steigende Kosten für Technik, Dienstleistungen und Energie, Startschwierigkeiten bei der Telematik sowie Mehraufwand durch Dokumentation.

Es fehlt an Nachwuchs

Nelli Streisel betreibt die Nelli-Dent Zahnarztpraxis in Donaueschingen. Sie führt die gleichen Schwierigkeiten an, mit denen die Zahnärztinnen und Zahnärzte zu kämpfen haben, vor allem Personalmangel und die Budgetierung durch die Krankenkassen.

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Was die Personalsituation angeht, da sehe es es beim Thema Nachwuchs schlecht aus. „Die jungen Leute haben kein Interesse an dem Beruf“, hat sie beobachtet. „Denen ist es zu wenig Geld oder sie sind überfordert.“

Wo es beim Budget klemmt, umreißt sie so: „Wir Vertragsärzte dürfen die Patienten nicht wegschicken.“ Dennoch gebe es ein festgelegtes jährliches Budget pro Patient.

Lohnt sich der Protest?

Am Protesttag werde sie dennoch nicht mitmachen, sagt Steisel. „Ich bin an dem Tag auf Fortbildung.“ Sie glaubt auch nicht, dass die Aktion etwas bewegen werde. „Das ist verlorene Zeit. Es ändert sich sowieso nichts“, befürchtet die Donaueschinger Zahnärztin.

Ruhestands-Welle droht dem Landkreis

Gudrun Revellio steht hinter dem Protesttag. Neben dem Thema Budgetierung geht es ihr vor allem darum, dass wieder mehr junge Menschen den Beruf ergreifen wollen. ‚Wenn die geburtenstarken Jahrgänge unter den Zahnärzten demnächst in den Ruhestand gehen, wird es hier im Schwarzwald-Baar-Kreis schwierig‘, sagt sie.

Die Zahnärztin Gudrun Revellio aus Mönchweiler verbringt bis zu 60 Stunden die Woche in ihrer Praxis. Mitunter erledigt sie Büroarbeiten ...
Die Zahnärztin Gudrun Revellio aus Mönchweiler verbringt bis zu 60 Stunden die Woche in ihrer Praxis. Mitunter erledigt sie Büroarbeiten sogar am Sonntag. | Bild: Astrid Kommert, Praxis Revellio

Revellio befürchtet allerdings, dass mögliche Veränderungen zu spät kommen. Ein Studium dauere fünfeinhalb Jahre, die Assistenzarztzeit dann noch zwei weitere. Sie selbst habe schon seit Jahren fast keine neuen Patienten mehr aufgenommen. „Aber wir haben jeden Tag etwa fünf bis sechs Anrufer, die auf der Suche nach einem Zahnarzt sind“, sagt sie.

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Kritik äußert die Mönchweiler Zahnärztin an den Einschränkungen durch die Budgetierung: „Es wäre wünschenswert, wenn wir die Arbeit bezahlt bekommen, die wir machen.“

Praxis beteiligt sich am Protest

Sollte es öffentliche Aktionen zum Protesttag am 18. Juni geben, werde sie sich beteiligen. Die Praxis bleibe geschlossen, die Patienten bekommen laut der Zahnärztin neue Termine. Arbeitszeit spare sie damit nicht, sondern sie arbeite dann einen Vormittag und Nachmittag mehr. Das ist es Gudrun Revellio wert. „Wir wollen ein Zeichen setzen, dass es nicht so weitergehen kann.“

Nach 34 Jahren als Zahnärztin, davon 31 Jahre selbstständig, mache ihr der Beruf aber immer noch viel Freude.