Ernst wirkt Landrat Sven Hinterseh, als er am Donnerstag im Besprechungsraum im Landratsamt erscheint. Er habe nicht viel Zeit, der Terminplan ist voll. Kein Wunder, der Chef der Kreisverwaltung hat momentan noch mehr zu tun als sonst. Nachdem der Sommer eher ruhig war, ist Corona mit voller Wucht zurück.

Der Pressetermin fand im Besprechungsraum 301 statt.
Der Pressetermin fand im Besprechungsraum 301 statt. | Bild: Simon Wöhrle

Und wenn es um Corona geht, dann sind auch Hatem Saleh, der Leiter des Gesundheitsamts, Simon Steiff, Medizinischer Direktor am Schwarzwald-Baar-Klinikum, sowie Ordnungsamtsleiter Arnold Schuhmacher und Rechtsamtsleiter Felix Lucke dabei.

Corona-Lage im Kreis

„Wir haben sehr viele Fälle und sind voll in der vierten Welle. Ich befürchte, dass wir auch noch nicht am Scheitelpunkt sind“, sagt Landrat Hinterseh. Aber: Man sei im Landratsamt seit März 2020 krisengestählt.

(von links) Hatem Saleh (Gesundheitsamtsleiter), Sven Hinterseh (Landrat) und Simon Steiff (Medizinischer Direktor am ...
(von links) Hatem Saleh (Gesundheitsamtsleiter), Sven Hinterseh (Landrat) und Simon Steiff (Medizinischer Direktor am Schwarzwald-Baar-Klinikum) haben sich am Donnerstag zur akuten Corona-Lage im Schwarzwald-Baar-Kreis geäußert. | Bild: Simon Wöhrle

„Im Herbst und Winter kommt es prinzipiell vermehrt zu Atemwegsinfekten. Das kennen wir auch von anderen Viren“, ergänzt Gesundheitsamtsleiter Saleh. Dass die Atemwegskrankheiten zunehmen, merkten auch die niedergelassenen Ärzte. Im vergangenen Jahr hab es keine saisonalen Effekte gegeben. Das lag vor allem am Lockdown. „Ganz überraschend ist es daher nicht, dass die Zahlen jetzt zunehmen“, so Saleh weiter.

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Seit einer Woche werden die positiven Corona-Fälle nicht mehr standardmäßig vonseiten des Gesundheitsamts kontaktiert. Es sei immer klar gewesen, dass dies irgendwann passiere. Saleh: „Das ist auch bei anderen meldepflichtigen Krankheiten der Fall.“ Übrigens: Anders als bislang können Corona positive Menschen ihre Quarantäne nach 14 Tagen beenden – auch ohne Covid-Test. Was man sehe, ist, dass die Infektionsrate bei Ungeimpften dreimal so hoch sei, wie man Geimpften. Saleh: „Es besteht bei Ungeimpften sogar das fünf- bis sechsfache Risiko, wegen Corona ins Krankenhaus eingeliefert zu werden.“

Hatem Saleh ist stellvertretender und derzeit kommissarischer Leiter des Gesundheitsamts.
Hatem Saleh ist stellvertretender und derzeit kommissarischer Leiter des Gesundheitsamts. | Bild: Simon Wöhrle

Die meisten Infektionen gehen derzeit von den Schulen im Landkreis aus. In Pflegeheimen, so der Gesundheitsamtschef, sind die Corona-Zahlen dagegen unterdurchschnittlich.

Kreisimpfzentrum 2.0?

Seit Ende September ist das Kreisimpfzentrum in der Schwenninger Tennishalle Geschichte. Das geschah auf Anordnung des Sozialministeriums. Wegen der steigenden Impfnachfrage, gerade auch wegen der Booster-Impfung, plant der Kreis den Wiederaufbau eines Impfzentrums, wie Landrat Hinterseh verrät: „Wir wollen versuchen, bald einen Standort zu schaffen, wo wir täglich und dauerhaft ein Impfangebot machen können. Das kann etwa von 15 bis 19 Uhr sein. Am besten wäre das in VS.“

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Ein Kreisimpfzentrum soll dabei aber nicht entstehen. Es sei auch gar nicht so einfach, jetzt wieder die Tennishalle zu reaktivieren. Vielmehr plädiert der Landrat dafür, dass jeder der 44 Stand- und Landkreis in Baden-Württemberg eine zentrale Impfanlaufstelle erhält. Die Details der Anlaufstelle seien aber noch unklar.

Gibt es eine Kooperation mit dem Klinikum? Gibt es eine Zusammenarbeit mit den niedergelassenen Hausärzten, was Hintersehs Wunsch wäre? Diese und weitere Frage – wie die nach dem Standort – sollen bald geklärt werden: „Wir haben den Ehrgeiz, das innerhalb der nächsten zwei Wochen zu schaffen. Es ist aber nicht klar, ob das auch klappt. Aber schon jetzt ist klar: Jeder, der eine Impfung will, wird in der Region Angebote finden.“

Zur Frage, ob die Schließung des Kreisimpfzentrums ein Fehler war und ob man nicht früher den Wiederaufbau einer zentralen Impfanlaufstelle hätte planen können, sagt Hinterseh: „Die Situation im Juli und August war eine ganz andere. Da war nur wenig los im Kreisimpfzentrum.“ Steiff ergänzt: „Das Virus ist unvorhersehbar. Auch die Wellen verliefen alle anders.“

Corona-Lage im Klinikum

Dass die vierte Welle voll da ist, weiß ganz besonders gut Simon Steiff, der medizinische Direktor am Schwarzwald-Baar-Klinikum: „Auf der Intensivstation sind derzeit fünf Corona-Patienten. zwei werden invasiv beatmet, sie haben also einen Schlauch in der Lunge. Die anderen werden nicht-invasiv beatmet. Diese Patienten tragen eine Atemmaske. Die pumpt Sauerstoff in die Lungen. Das ist zwar nicht angenehm, es hilft den Menschen aber sehr. Wir sehen jetzt auch wieder regelmäßig Tote. Etwa ein Covid-Patient am Tag stirbt.“

Simon Steiff ist Medizinischer Direktor am Schwarzwald-Baar Klinikum.
Simon Steiff ist Medizinischer Direktor am Schwarzwald-Baar Klinikum. | Bild: Simon Wöhrle

Aktuell werden am Schwarzwald-Baar-Klinikum nur die Operationen durchgeführt, die unbedingt sein müssen. Alle anderen werden verschoben, weil die Kapazitäten zu knapp werden: „Wir haben im Vergleich zur Vergangenheit deutlich jüngere Patienten bei uns. Die bleiben oftmals fünf bis sechs Wochen auf der Intensivstation. Bei den Älteren zu Beginn der Pandemie war das nicht der Fall. Pro Intensivbett werden laut Steiff vier Mitarbeiter gebunden. Der medizinische Direktor sagt deswegen deutlich: „Wir brauchen zusätzliche Entlastungen.“

Er sagt das auch, weil er eine noch höhere Belastung als im vergangenen Jahr erwartet: „Wir hatten bislang einen Höchststand von 103 Corona-Patienten gleichzeitig im Klinikum. Das wird in diesem Jahr übertroffen.“

Mobile Impfteams (MIT)

Seit Oktober befinden sich die mobilen Impfteams im Zuständigkeitsbereich des Klinikums, bis da hin waren sie beim Kreis angesiedelt. „Anders, als das das Landesgesundheitsamt sagt, haben wir aktuell nur zwei mobile Impfteams.“ Man sei mit einem Team an sechs Tagen in der Woche unterwegs und habe an 24 Impftagen bislang 3040 Menschen impfen können. 1223 davon waren Erstimpfungen: „Und diese werden immer mehr. Das ist auffällig“, so Steiff weiter. 12,3 Prozent der bisherigen von den MIT durchgeführten Impfungen haben Zwölf- bis 19-Jährige erhalten. Die Vakzine der Wahl ist die von Biontech.

Wie das Impfangebot der MIT angenommen werden, sei völlig unterschiedlich. Jüngst in Donaueschingen sei der Andrang riesig gewesen, voraussagen könne man das aber nie. Bis Weihnachten seien die beiden Mobilen Impfteams ausgebucht. Bald, so hatte es das Sozialministerium entschieden, erhält das Klinikum ein MIT mehr.

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