Seit neun Wochen müssen die meisten Unternehmer ihre Geschäfte geschlossen lassen. Vielen steht das Wasser bis zum Hals – und darüber hinaus. Das wurde am Dienstag im Rahmen einer von der Industrie- und Handelskammer Schwarzwald-Baar-Heuberg (IHK) organisierten Telefonkonferenz, in der drei Unternehmer aus dem Kreis ihre Situation schilderten, eindrücklich klar.

„Wir haben eine desaströse Situation in St. Georgen„, sagt Claudius Fichter, Inhaber des gleichnamigen Optikers und Vorsitzender des Handels- und Gewerbevereins. Viele Geschäfte sind „echt am Ende“ und kurz vor der Schließung: „Wir müssen schauen, dass wir endlich etwas machen.“

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Gemacht hat Fichter schon etwas. Als einziger Gewerbeverein Deutschlands hat der St. Georgener Klage beim Verwaltungsgerichtshof Mannheim eingereicht (wir berichteten). Fichter: „Wir wollen eine größere Unterscheidung zwischen Ballungsraum und ländlichem Gebiet. Und wir wollen, dass nicht die Inzidenz alleine über die Maßnahmen entscheidet.“ Die Antwort des Verwaltungsgerichts: Als Handels- und Gewerbeverein sei man nicht antragsbefugt. Fichter will dennoch weitermachen: „Die Kunden sehen das wie wir. Deshalb kämpfen wir weiter.“

Sonst allerdings passiere ziemlich wenig in St. Georgen, moniert Fichter. Es gebe eine „total depressive Stimmung im Ort“. Die Kundenfrequenz gehe gegen Null und auch vonseiten der Stadt und der Politik komme kaum Unterstützung. „Am meisten gestört hat uns, dass der kritische Inzidenzwert einfach so und ohne Vorankündigung von 50 auf 35 reduziert wurde“, sagt Fichter weiter.

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Enttäuscht von der Politik ist auch Jens Krön, Inhaber des gleichnamigen Lederwarengeschäfts und zweiter Vorsitzender des Handels- und Gewerbevereins Schramberg: „Wir brauchen Unterstützung auf kommunaler Ebene, zum Beispiel bei der Beratung beim Thema Schulranzen. Einige Kommunen erlauben die Einzelberatung, andere nicht. Da findet eine Ungleichbehandlung statt, die auch bei Kunden auf Unverständnis stößt.“ Im Herbst sei vonseiten der Politik viel versäumt worden. Man habe die zweite Welle heranrauschen sehen, setze dieser aber nur einen „Lockdown light“ entgegen und reagierte letztlich vier Wochen zu spät mit einer richtigen Schließung. Auch eine Öffnungs-Perspektive fehle.

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Krön sagt weiter: „Zwar können wir die dritte Überbrückungshilfe jetzt beantragen, die Auszahlung ist aber noch in weiter Ferne. Die Krise bezahlen wird von unserer eigenen Liqudität.“ Einzig positiv ist die Job-Karte. Die ist Teil eines Gutscheinkarten-Systems und funktioniert so: Arbeitsgeber geben pro Monat einen Gutschein mit dem Maximalbetrag von 44 Euro an ihre Arbeitnehmer aus. Die können den Gutschein dann im Ort ausgeben. Krön: „So bleibt das Geld im Ort und wird nicht bei Amazon ausgegeben.“ Andere Dinge wie etwa „Click&Collect“ seien dagegen nur ein „Tropfen auf den heißen Stein“.

Genau so negativ bewertet Benedikt Wagner die Situation. Er ist Vorsitzender der Werbegemeinschaft Trossingen und betreibt seit dem 1. Januar 2020 das Bettenhaus „Traumform“: „Es ist still bis totenstill.“ Auch in Trossingen lägen alle geplanten Aktionen im Handel auf Eis. Der Unternehmer sagt: „Wir sind müde. Wir haben keine Kraft mehr. Es fällt schwer, sich morgens aufzuraffen und ins Geschäft zu gehen.“

Sowohl die Unternehmer, wie auch die IHK sind sich einig, dass schnell etwas getan werden muss, um ein Massensterben der Innenstädte zu vermeiden. „Mittlerweile sind auch Inhaber in 1A-Lage mit Kündigungen ihrer Mieter konfrontiert“, sagt Philipp Hilsenbeck IHK-Geschäftsbereichsleiter Standortpolitik. Beim Aufschwung helfen soll unter anderem die Resolution „Pro Innenstadt“. Denn, da waren sich am Dienstag einig, die Menschen wollen und brauchen weiterhin ihre Ansprechpartner vor Ort.