Ein 49-Jähriger Mann aus dem Landkreis Tuttlingen ist vor dem Landgericht Rottweil angeklagt. Der Vorwurf: versuchter Totschlag. Er soll in einer Nacht im August vergangenen Jahres seine Mutter in der gemeinsamen Wohnung fast totgeprügelt und erwürgt haben. Dass sie überhaupt überlebte, ist den alarmierten Polizisten zu verdanken, die sofort Erste-Hilfe-Maßnahmen einleiteten. Da der Mann aber laut Staatsanwaltschaft unter dem Einfluss von Alkohol und Drogen stand und damit vermindert schuldfähig sei, sei er nicht wegen Mordes angeklagt.

Mit 18 Jahren Kokain genommen

Seine Drogenkarriere begann der Mann schon früh: Er habe mit 13 Jahren Zigaretten geraucht, mit 15 Jahren Hasch und mit 18 Jahren das erste Mal Kokain genommen. Später sei LSD „und alles Mögliche“ dazugekommen, so der Angeklagte.

„Unten ist kein Platz für mich!“
Der Angeklagte über sich selbst

Der Mann gilt als überdurchschnittlich intelligent. Man merkt es ihm an, als er seine Lebensgeschichte schilderte: Der große, massige Angeklagte drückte sich gewählt aus, erinnerte sich an Namen von Ärzten, nannte sein Krankheitsbild, eine bipolare Störung. Die sei bei ihm schon als 15-Jährigem diagnostiziert worden, erzählte er. Dies sei auch nur erkannt worden, weil er aus eigenem Antrieb zum Arzt gegangen sei, er habe wissen wollen, was mit ihm los sei.

Einen Beruf hatte der Mann nicht gelernt, obwohl er das Zeug dazu gehabt hätte: Die Grundschule empfahl ihn fürs Gymnasium, dorthin wollte er aber nicht. Stattdessen ging er an die Realschule, wo er bald mit seinem aggressiven Verhalten auffiel. Er erzählte sichtlich stolz dem Gericht, wie er als Siebtklässler mehrere Zehntklässler verprügelte, um die Hackordnung klarzustellen: „Unten ist kein Platz für mich!“

Abschluss in anderem Landkreis

Manche Lehrer hätten ihn gut behandelt, einer davon war offenbar sein Englischlehrer in der achten Klasse. Damals wurde er von der Schule geworfen, weil ihn der Hausmeister erwischt hatte, als er aus dem Mädchenklo kam. Nach einem einvernehmlichen Stelldichein, wie er betonte, die Mädchen seien ihm, dem „feschen Burschen“ hinterhergelaufen.

Der Englischlehrer überredete ihn, seinen Abschluss in einem anderen Landkreis zu machen, und das tat er auch. Die Versuche, eine Berufsausbildung zu absolvieren, schlugen hingegen fehl, weil er dumm angemacht worden sei, erzählte er, habe er immer schon nach einer Woche gekündigt.

Wegen Beihilfe zum Mord verurteilt

So schlug er sich durchs Leben, finanziell unterstützt von der Mutter, und landete schließlich wegen Beihilfe zum Mord im Oktober 1999 im Gefängnis. Acht Jahre war seine Strafe, im November 2003 wurde er vorzeitig entlassen und zunächst nach Kroatien abgeschoben.

Ein paar Jahre später kam er nach Deutschland zurück, wo er erneut ins Gefängnis musste, denn die Strafe war ja noch nicht abgesessen. Er habe Therapien gemacht, gearbeitet, berichtete der 49-Jährige, doch das hielt nicht lange an. Er schob es teils auch die Medikamente: Er sei inzwischen substituiert und mit Subutex, der Ersatzdroge, komme er auch gut zurecht. Doch die hatte er wohl nicht in den Monaten vor dem Angriff auf seine Mutter.

In der Zeit ging er täglich seine Wodkaflaschen, Zigaretten, Zigarillos und anderes in Discountern einkaufen. Er legte sich dort gleich zwei Mal hintereinander zuerst mit der Geschäftsleitung und dann mit der Polizei an. Auf die die Beamten, die das Hausverbot durchsetzten, war er nicht gut zu sprechen, weil sie ihm angeblich „die Knochen brechen“ wollten.

„Mir gehen die Bilder immer wieder durch den Kopf.“
Die Mutter zur Tatnacht

Am Tag der Tat will er von einem Bekannten eine Droge bekommen haben, die er nicht kannte. Er habe daraufhin einen Filmriss gehabt und erinnere sich nicht an den Angriff auf seine Mutter. Dass ihm die Attacke leidtut, davon war zum Prozessauftakt nichts zu hören.

Seine Mutter hingegen erinnere sich ständig daran: „Mir gehen die Bilder immer wieder durch den Kopf.“ Sie brauche Schlafmittel und tagsüber Beruhigungsmittel und Antidepressiva. Mit ihrem Sohn wolle sie keinen Kontakt mehr haben. „Seine Krankheit ist unheilbar. Sobald er wieder rauskommt, macht er das Gleiche wieder.“

Bis zu einem rechtskräftigen Urteil gilt die Unschuldsvermutung.