„Lieber Herr Gysi, einen Linken, den hatten wir wirklich noch nie.“ Mit diesen Worten begrüßte Chefredakteur Stefan Lutz den Alterspräsidenten des Deutschen Bundestags beim VS-Forum am 31. März in der Neuen Tonhalle in Villingen-Schwenningen. Dort sprachen Gregor Gysi und Stefan Lutz vor allem über Demokratie. Und Gysi lieferte so manche knackige Einschätzung ab. Hier eine Auswahl.

Bedrohte Demokratie: „Nun stehen wir von Trump unter Druck, hinsichtlich Demokratie, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit“, konstatiert Gysi. „Gleichzeitig haben wir eine AfD, die immer stärker wird, die ähnlich denkt. Deshalb haben ja Musk und der Vizepräsident der USA die AfD gleich unterstützt. Und die wollen das auch einschränken. Und jetzt passiert Folgendes, dass die, die das nicht wollen, nicht in der Lage sind, sich zu organisieren.“

Gregor Gysi und SÜDKURIER Chefredakteur auf der Bühne der Neuen Tonhalle vor 900 Zuschauern.
Gregor Gysi und SÜDKURIER Chefredakteur auf der Bühne der Neuen Tonhalle vor 900 Zuschauern. | Bild: Hans-Jürgen Götz

Schutz des Bundesverfassungsgerichts: „Es gibt doch ab und zu Gespräche, wo wir uns überlegen, wie wir etwas wie das Bundesverfassungsgericht schützen können. Man ärgert sich auch über Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts. Aber dass es für die Demokratie ein ganz wichtiger Bestandteil ist, kann ja niemand bestreiten.“

Vereinigung von Ost und West: „Eine Regierung, die zwei Völker vereinigt, auch wenn es zwei deutsche Völker sind, muss dafür sorgen, dass es für beide Völker ein Erfolgserlebnis wird. Und das ist leider unterblieben und hat Folgen bis heute. Weil die Leute sich gedemütigt fühlen.“

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Die deutsche Einheit zum Besseren wenden: „Man muss einmal die Haben-Seite betonen. Und dann muss man aber auch die Mängel betonen. Und wenn das mal eine Regierung machte, dann gäbe es einen Ruck für die Herstellung der inneren Einheit.“

Weshalb die AfD so viel gewählt wird: „Wir haben uns als Einzige überlegt, was haben wir eigentlich falsch gemacht, dass so viel AfD gewählt wird. Dann ist Folgendes aufgefallen: Als sich WASG und PDS zur Linken vereinigten, haben wir gedacht, jetzt kommt unsere große Stunde in Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen. Und haben begonnen, den Osten zu vernachlässigen. Und in die Lücke ist die AfD eingedrungen. Das werfen wir uns bis heute vor.“

Strukturen in der Politik ändern: „Wenn wir weiter so Politik machen, auch eben zum Teil unwahre Angaben machen, bloß um für irgendwelche Entscheidungen Mehrheiten zu bekommen, werden Parteien wie die AfD immer stärker werden. Und das ist meine eigentliche Sorge.“

Ist die DDR-Geschichte aufgearbeitet? „Nein, natürlich nicht. Und zwar die, die besser Bescheid wussten in der DDR, wurden daran gehindert, sich daran zu beteiligen. Und die, die es dann gemacht haben, kannten die DDR ja nur aus der Ferne. Und insofern fühlen sich wieder viele missverstanden.“

Chefredakteur verabschiedet sich von Gregor Gysi nach zwei Stunden VS-Forum.
Chefredakteur verabschiedet sich von Gregor Gysi nach zwei Stunden VS-Forum. | Bild: Hans-Jürgen Götz

Chancengleichheit von Kindern und Jugendlichen: „Und deshalb bin ich so ein leidenschaftlicher Kämpfer in der Bundesrepublik, dass wir allen Kindern und Jugendlichen den chancengleichen Zugang zu Bildung, Ausbildung, Kunst, Kultur und Sport bieten müssen. Und davon sind wir meilenweit entfernt.“

Was soll aus Gysi eigentlich noch werden: „Die Regierung Scholz war schlicht und einfach überfordert. Eine CDU-Regierung ist auch überfordert. Nur eine unter meiner Leitung wäre nicht überfordert“, witzelt er. Und wird dann ernst: „Was ich erreichen will, ist, dass wir irgendeine Art Organisation finden, mit Medien, mit Justiz, mit Gewerkschaften, mit Unternehmerverbänden, mit Vertretern aus Parlamenten. Wo wir uns wirklich ernsthaft Gedanken machen, wie wir Demokratie, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit verteidigen.“

Auf- und Abrüstung: „Wenn jetzt weltweit aufgerüstet wird, werden Kriege immer möglicher. Und das eigentliche Problem ist, dass fast die meiste Rüstungsindustrie privat ist. Es wird an Kriegen zu viel verdient. Das muss gestoppt werden.“

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