Für Philipp Hummel war es, gelinde gesagt, ein kleiner Schock. Ein Landwirt hatte ihn zuvor informiert, dass auf dessen Wiese zwischen Döggingen und Bräunlingen ein totes Reh liege. Der Landwirt war am Mähen, als er das tote Tier entdeckte.
Hummel ist seit zehn Jahren Jäger und Jagdpächter. Er wird in solchen Fällen informiert. Am Freitagmorgen, 18. Oktober, schaut er sich das tote Tier näher an. Als er die durch ein Projektil hervorgerufene Austrittsverletzung des etwa einjährigen Schmalrehs sieht, ist es ihm klar: Hier liegt keine natürliche Todesursache vor. Ein Wilderer war am Werk.
Ein Schuss wie aus dem Lehrbuch
Zudem: Der Schuss wurde aus einer großkalibrigen Waffe abgegeben. „Nahezu wie aus dem Lehrbuch. Das Reh wurde sofort getötet und verendete vor Ort“, sagt der 43-jährige Bräunlinger. Aber warum hat der Schütze das tote Reh nicht abtransportiert? Hummel kann da nur mutmaßen. Es könnte die reine Lust am Töten gewesen sein oder eben der Nervenkitzel.

In der Folge musste geklärt werden, ob eventuell einer der beiden anderen Jäger der Jagdgemeinschaft Guldenen einen Fehlschuss getätigt haben könnte. Derzeit ist Jagdsaison und in der Nacht auf Freitag schien der Vollmond. Das ermöglicht eine weite Sicht: für Jäger wie auch für Wilderer. In der Tat war ein weiterer Jagdpächter in dieser Nacht unterwegs. Und ja, dieser habe aus der Richtung des Wildererangriffs einen Schuss gehört, den er nicht zuordnen konnte.
Bedroht fühlt sich Hummel nach dem Vorfall nicht, auch wenn er demnächst wieder auf die Jagd geht. Er denkt als Konsequenz eher praktisch. „Vielleicht müssen wir uns besser vernetzten“, sagt er. Er und seine Kollegen, auch aus den Nachbarrevieren sollten sich eventuell über Jagdzeiten absprechen und Schüsse protokollieren.
Von rätselhaften Schüssen werde ihm ab und an berichtet, sagt Tom Ekert, Leiter des betreffenden Bräunlinger Forstreviers. Wilderei sei aber noch nicht vorgekommen. Vielleicht half auch der Zufall beim aktuellen Fall. Es sei schon ein echter Zufall gewesen, dass der Landwirt das tote Reh schnell gefunden hatte, meint Hummel. Wäre es angefressen gewesen, hätten die Spuren eines Schusses und die Zuordnung zur Wilderei gefehlt.
Etwa acht Wilderei-Fälle pro Jahr
Und wie ist das Thema Wilderei auf einer höheren Ebene einzuordnen? Daniel Brill vom Polizeipräsidium Konstanz verweist auf einen Verdachtsfall von Jagdwilderei, der sich am 8. Oktober in Brigachtal zugetragen habe. Für 2024 fehlen weitere Zahlen. Die Anzahl der Delikte im Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidums ist seit 2019 stabil. Mit Ausnahme von 2020 (6) und 2022 (4) wurden jeweils acht Vorkommnisse von Jagdwilderei protokolliert. Ein örtlicher Schwerpunkt dieser Jagdvergehen könne nicht ausgemacht werden.
Einem Jäger, der einem Wilderer begegnet, empfiehlt Brill, diesen auf keinen Fall selbst anzusprechen. Man müsse davon ausgehen, dass das Gegenüber bewaffnet ist. Richtig sei es, die Polizei zu rufen. Wie die Jäger ihren jeweiligen Bezirk vor Wilderei schützen können, hänge auch maßgeblich von den örtlichen Begebenheiten ab.
Erholungssuchende oder Wanderer müssten sich nicht in Gefahr sehen. „In der Regel wird ein Wilderer den Kontakt zu Unbeteiligten meiden, da das Entdeckungsrisiko für ihn zu hoch ist“, so Brill.