Es war wie im Krimi – aber real und gefährlich. Stundenlang hatte sich ein Mann am 23. Januar in seinem Haus in Unterkirnach verschanzt. Er drohte, wegen seiner bevorstehenden Zwangsräumung das Gebäude in Flammen aufgehen zu lassen.

Mehr als zwölf Stunden verhandelte ein Polizeiteam mit dem Ex-Soldaten. Dann gab er schließlich auf. Die Gefahr war gebannt.

Wie kommt an solche Menschen heran?

Doch wie gelingen solche Erfolge? Wie spricht man mit so einem Menschen, wie kommt man an ihn heran?

Das weiß Katharina Lorey: Sie ist Polizeipsychologin. Früher war sie selbst bei Einsätzen dabei. Inzwischen unterrichtet sie als Professorin an der Hochschule für Polizei in Villingen-Schwenningen.

Lorey hat einen Master in Psychologie und hat sich schon immer für forensische Psychologie interessiert, also für psychologische Zusammenhänge bei Straftaten.

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Diese Fähigkeiten sind nötig

Zum Job in der Polizeipsychologie gehören einige spezielle Fähigkeiten. „Es ist immer von Vorteil, wenn man unter anderem Kenntnisse in der klinischen Psychologie hat“, berichtet Lorey.

Aus der Perspektive der klinischen Psychologie können psychische Krankheiten und die dazugehörigen Verhaltensweisen eingeschätzt werden.

Das Landeskriminalamt (LKA), das für die Polizeipsychologen zuständig ist, erläutert zudem, dass eine überdurchschnittliche Stressresistenz und ein hohes Einfühlungsvermögen bei den Beamten wichtig sei.

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In der Ausbildung für die Verhandlungsgruppen liegt der Fokus auf psychologischen Schulungen, wie die Gewerkschaft der Polizei (GdP) wissen lässt. Kommunikative Fähigkeiten seien demnach für die Tätigkeit unerlässlich.

Flexibilität ist eine wichtige Eigenschaft

Das sieht auch Katharina Lorey so. Doch das ist nicht das einzige: „Es braucht unter anderem eine Flexibilität im Denken und im Handeln“, so die Professorin.

Menschenleben schützen ist oberstes Gebot

Bei den Einsätzen der Polizeipsychologen gibt es ein klares Ziel: Niemand soll zu Schaden kommen.

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Perspektiven aufzeigen

Dabei variieren die Umstände jedes Mal, feste Fahrpläne gebe es nicht. „Wenn eine Person alles verloren hat und aus Verzweiflung handelt, dann kann es darum gehen, eine alternative Perspektive zu entwickeln“, sagt Lorey.

„Im besten Fall erkennt das Gegenüber von sich aus, dass dieses Handeln im Affekt ein Fehler war. Dann ist man zusammen einen Schritt weiter gekommen“, erklärt sie.

Katharina Lorey der Fachgruppe Psychologie an der Hochschule für Polizei in Villingen-Schwenningen.
Katharina Lorey der Fachgruppe Psychologie an der Hochschule für Polizei in Villingen-Schwenningen. | Bild: Stein, Moritz

LKA-Sprecherin Nadine Hell erklärt, dass die Verhandler bei den Gesprächen mit Menschen im psychischen Ausnahmezustand die Situation deeskalieren sollen.

Dabei sei es wichtig, „empathisch auf den Täter einzugehen und diesen ernst zu nehmen“, so Hell.

Nicht wie im Film

Die tatsächliche Arbeit hat aber wenig mit den Vorstellungen aus Filmen zu tun. „Es gibt dieses Klischeebild, in dem der Psychologe alles im Alleingang macht, das ist in der Realität nicht umsetzbar“, sagt die Polizeipsychologin.

Dabei können sehr viele Daten und Beobachtungen bedeutsam sein. Zum Beispiel die persönliche Hintergrundgeschichte, die das Gegenüber im Laufe des Gesprächs oftmals von sich aus erzählt, so die Erfahrung.

Oder wenn es um den Stand des einsatztaktischen Vorgehens geht: Haben die Polizeikollegen vielleicht in der Zwischenzeit eine gute Möglichkeit entdeckt, das Gegenüber zu überwältigen – und geht es jetzt vor allem um Ablenken, um einen unblutigen Zugriff zu ermöglichen?

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„Wir müssen auch grundsätzlich auf unsere Formulierungen achten“, sagt Lorey. Das Gegenüber solle keinesfalls provoziert werden, um Affekthandlungen zu vermeiden und sich nicht als Gegenspieler, sondern als Ansprechpartner zu positionieren.

Nachempfinden, nicht mitempfinden

Die Polizisten müssen bei solchen Einsätzen zwar nachempfinden können, wie das Gegenüber in diese Lage kam, jedoch nicht mit diesem mitfühlen. Das sei eine große Unterscheidung zur Psychotherapie, sagt Katharina Lorey.

Auch bei dem Einsatz am 23. Januar 2024 in Unterkirnach hat eine Verhandlungsgruppe mit dem Ex-Soldat, der sich in seinem Haus ...
Auch bei dem Einsatz am 23. Januar 2024 in Unterkirnach hat eine Verhandlungsgruppe mit dem Ex-Soldat, der sich in seinem Haus verschanzt hat, gesprochen. Archivbild. | Bild: Sprich, Roland

Enormer Druck beim Verhandeln

Die Polizisten stehen bei solche Einsätzen unter enormem Druck. „Man kann eine gewisse Routine entwickeln, aber es ist jedes Mal etwas Neues dabei“, erklärt die Polizeipsychologin. Trotz dieser Unwägbarkeiten sei es wichtig, sich mental darauf so gut wie möglich vorzubereiten.

Bei den Verhandlungen gehe den Experten dann vieles durch den Kopf. „Es kann eine Gratwanderung zwischen Hoffnung und Bangen sein“, sagt Lorey. Oftmals kann sich die Situation schnell ändern, da die Täter von vielen Emotionen beherrscht werden, sagt sie.

Hohe Konzentration und flexibles Reagieren

In solchen Fällen müssen dann Pläne geändert oder verworfen werden. Das erfordert eine hohe Konzentration. Allen sei klar, was auf dem Spiel steht.

Dennoch sei es laut Lorey auch wichtig, mit ein bisschen Optimismus und Zuversicht an die Verhandlungen ranzugehen. So ein Einsatz sei wie ein mentaler Marathon für alle Beteiligten.

Eine Absperrung der Polizei sichert den Einsatz am 23. Januar in Unterkirnach. Auch nach dem Einsatz gibt es für die Polizeipsychologen ...
Eine Absperrung der Polizei sichert den Einsatz am 23. Januar in Unterkirnach. Auch nach dem Einsatz gibt es für die Polizeipsychologen einiges zu tun. Sie kümmern sich auch um die beteiligten Einsatzkräfte. | Bild: Sprich, Roland

Nach dem Einsatz geht es weiter

Und wie verarbeitet man das Geschehene? Wichtig sei es, dass sich die Polizeipsychologen mit ihren Erfahrungen austauschen könnten. „Gespräche sind extrem wichtig“, sagt Lorey. Daher gebe es regelmäßige Supervisionsgruppen.

Nadine Hell vom Landeskriminalamt berichtet auch darüber, dass die Beamten mit Methoden zur Stressbewältigung auch für den Umgang mit diesen Einsätzen geschult werden.

Stabiles Umfeld wichtig

Entsprechend werden die Bewerber für diesen Beruf auch nach psychischer Belastbarkeit und Stabilität ausgewählt.

Dabei spielt auch das persönliche Umfeld der Bewerber eine Rolle – also stabiler Rückhalt, etwa in der Familie und in einem Freundeskreis.

Es gehe darum, ein Gegengewicht im Privaten zu haben, sagt Lorey: „Da passieren Sachen, die kann man nicht einfach vergessen, aber dann stellt sich die Frage, wie gehe ich im Weiteren damit um.“

Hier finden Sie gebündelt alle Entwicklungen zur eskalierten Zwangsräumung in Unterkirnach am 23. Januar. 

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