Morgendlicher Schreck für die gewöhnlich ruhige und idyllische Schwarzwaldgemeinde Unterkirnach westlich von Villingen-Schwenningen: Am Vormittag des Dienstags, 23. Januar, rücken gegen 9 Uhr zahlreiche Polizeikräfte an und sperren das Wohngebiet Sommerberg im Bereich des Panoramawegs weitläufig ab.

Es sind Bilder, wie man sie nur aus dem Kriminalfilm oder Katastrophenfilmen kennt. Vermummte und bewaffnete Spezialeinheiten der Polizei sind mit gepanzerten Fahrzeugen im Einsatz, Rettungswagen und Feuerwehr stehen in Bereitschaft.

Ex-Soldat gibt auf und wird festgenommen

Fast zwölf Stunden sollte sich Unterkirnach im Ausnahmezustand befinden. Denn für die Polizei galt es, den Einsatz unblutig zu Ende zu bringen. Und so harrten die Beamten aus, speziell geschultes Personal verhandelte mit dem Ex-Soldaten, der sich einer Zwangsräumung widersetzte und damit drohte, sein Haus anzuzünden. Von zähen Verhandlungen ist die Rede.

Kurz nach 20 Uhr war es dann so weit. Der 62-Jähriger verließ selbst das Haus, in dem er sich verschanzt hatte und stellte sich den Beamten. Zuerst gingen die Beamten wohl davon aus, dass der Ex-Soldat eine Waffe bei sich trägt. Dabei soll laut gut unterrichten Quellen allerdings um eine Handy und eine Taschenlampe gehandelt haben. Der 62-Jährige ließ sich widerstandslos festnehmen.

Polizeisprecher Marcel Ferraro zum Einsatz Video: Sprich, Roland

Allerdings bleibt der Bereich, in dem das Haus des Ex-Soldaten steht, weiterhin abgesperrt. Die Beamten müssen zuerst die Situation klären. Aktuell kann nicht ausgeschlossen, dass sich im Haus noch Sprengstoff oder ähnliche Gefahrenquelle befinden. Die Anwohner, die am Dienstagmorgen evakuiert wurden, dürfen auch weiterhin nicht in ihre Häuser zurück.

Wie es am Mittwoch weitergeht, lesen Sie in folgendem Artikel:
Nach Polizei-Großeinsatz: So war die Nacht im Unterkirnacher Panoramaweg

Polizisten mit Stahlhelm sind im Einsatz.
Polizisten mit Stahlhelm sind im Einsatz. | Bild: Sprich, Roland

Was den Tag über passiert ist

Was ist los in Unterkirnach? Inzwischen hat die Polizei den Grund für den Einsatz bekannt gegeben, nachdem es in einer ersten Stellungnahme zunächst nur allgemein geheißen hatte: „Eine konkrete Gefahr für die Bevölkerung besteht nach derzeitiger Lagebeurteilung nicht.“

Polizeifahrzeuge soweit das Auge reicht sind am Panoramaweg aufgefahren.
Polizeifahrzeuge soweit das Auge reicht sind am Panoramaweg aufgefahren. | Bild: Sprich, Roland

Um 11.28 Uhr teilte die Polizei dann mit, um was es tatsächlich geht: Am Panaromaweg war am Dienstagmorgen die Zwangsräumung eines Hauses durch einen Gerichtsvollzieher vorgesehen. Der Bewohner soll daraufhin gedroht haben, sein Haus anzuzünden. Vor Ort wurde erzählt, dass es im Umfeld des Hauses nach Benzin riechen würde.

Polizei-Panzerfahrzeug fährt am Panoramaweg vor Video: Sprich, Roland

Mann widersetzt sich einer Zwangsräumung

Polizeisprecher Marcel Ferraro erklärt Hintergrund zur Lage Video: Sprich, Roland

Polizeisprecher Marcel Ferraro schilderte dem SÜDKURIER, dass Beamte des Polizeireviers St. Georgen am Morgen zur Unterstützung eines Gerichtsvollziehers an dem Haus waren. Der Gerichtsvollzieher sollte die erwähnte Zwangsräumung vollstrecken. „Dieser Zwangsvollstreckung hat sich der Bewohner widersetzt und anschließend damit gedroht, sein Haus anzuzünden“, so Ferraro.

Polizeikräfte halten sich am Panoramaweg bereit.
Polizeikräfte halten sich am Panoramaweg bereit. | Bild: Sprich, Roland

Für die Beamten vor Ort reichte diese Drohung aus, um einen Großeinsatz anlaufen zu lassen. Dutzende Polizeifahrzeuge eilten zu dem Einsatzort und sperrten das Gebiet um das betreffende Wohnhaus großräumig ab.

Auch die Einsatzkräfte von Rettungswagen und Notarzt halten sich bereit.
Auch die Einsatzkräfte von Rettungswagen und Notarzt halten sich bereit. | Bild: Sprich, Roland

Die unmittelbar benachbarten Wohnhäuser wurden ab 9.30 Uhr der Reihe nach evakuiert. Mehrere Personen, die aus ihren Häusern geholt wurden, wurden ins Rathaus in Unterkirnach gebracht, wo sie von Mitarbeitern der Gemeinde mit Essen und Trinken versorgt wurden.

Mitglieder eines Spezialeinsatzkommandos (SEK) bereiten sich auf einen Einsatz vor.
Mitglieder eines Spezialeinsatzkommandos (SEK) bereiten sich auf einen Einsatz vor. | Bild: Sprich, Roland

Nach und nach fuhren immer mehr Polizeifahrzeuge vor mit Kennzeichen unter anderem von Göppingen, Tuttlingen, Waldshut oder Mannheim. Spezialeinsatzkräfte der Polizei bereiten sich auf einen Einsatz vor.

Geht die Bedrohung von einem ehemaligen Soldaten aus?

Die Sorgen der Polizei sind offenbar nicht unbegründet. So soll es sich nach Berichten von Nachbarn bei dem Widerstand leistenden Mann um einen ehemaligen Bundeswehrsoldaten handeln.

Der Panoramaweg in Unterkirnach ist von der Polizei weiträumig abgesperrt worden.
Der Panoramaweg in Unterkirnach ist von der Polizei weiträumig abgesperrt worden. | Bild: Sprich, Roland

Befürchtungen wegen Waffen oder Sprengstoff

Deshalb besteht bei der Polizei dem Vernehmen nach die Sorgen, der Mann könnte auch Waffen, Handgranaten oder Sprengstoff in seinem Haus gebunkert haben. Es soll sich um einen 62-jährigen Mann handeln. Nachbarn sprechen von messi-ähnlichen Zuständen in dem Haus.

Mit Sturmmützen und Sturmgewehren halten sich die Spezialeinsatzkräfte bereit.
Mit Sturmmützen und Sturmgewehren halten sich die Spezialeinsatzkräfte bereit. | Bild: Sprich, Roland

Kurz nach 10 Uhr schwebte ein Hubschrauber, der Männer der Spezialeinsatzkräften (SEK) Baden-Württemberg absetzte. Später fuhr ein gepanzertes Spezialfahrzeug der Polizei auf.

Insgesamt stehen dutzende Polizeifahrzeuge am Unterkirnach Sommerberg. Auch Rettungskräfte von Feuerwehr und Rotem Kreuz sind an Ort und Stelle, ebenso natürlich Bürgermeister Andreas Braun. Der allerdings gibt sich zugeknöpft. Für Pressefragen, auch was die Sicht der Gemeinde Unterkirnach angeht, steht er nicht zur Verfügung.

Anwohner Mike Pascal schildert den Polizeieinsatz Video: Sprich, Roland

In ersten Gerüchten wurde bereits am Vormittag im Ort über eine Sprengstoffgefährdung spekuliert. Diese wurde anfänglich von der Pressestelle des zuständigen Polizeipräsidiums Konstanz nicht bestätigt. Die Polizei hatte die Bevölkerung allerdings gebeten, „den Aufenthalt im Bereich des Panoramawegs zu meiden und den Anweisungen der Polizeikräfte unbedingt Folge zu leisten“.

Zahlreiche Feuerwehrleute wurden mobilisert.
Zahlreiche Feuerwehrleute wurden mobilisert. | Bild: Sprich, Roland

Mann hat mehrere Waffen und eine Sprengstofferlaubnis

Um 15.32 Uhr meldet dann die Polizei: „Da nicht auszuschließen ist, dass sich Waffen und geringe Mengen an Sprengstoff im Haus befinden, wurden die umliegenden Häuser evakuiert. Die laufenden Ermittlungen haben ergeben, dass der 62-jährige Mann Mitglied eines Schützenvereins war, mehrere Lang- und Kurzwaffen auf ihn angemeldet sind und er im Besitz einer Sprengstofferlaubnis ist. Er war Angehöriger der Bundeswehr, nach derzeitigen Erkenntnissen war er keiner Spezialeinheit zugehörig.“

Handelt es sich um einen Reichsbürger?

Und noch ein interessanter Nachsatz der Polizei zur Person des Hausbesitzers: „Es liegen keine Erkenntnisse vor, ob er sich der Reichsbürger-Szene zuordnet.“

Die Bevölkerung wird weiterhin gebeten, den Aufenthalt im Bereich des Panoramawegs zu meiden und den Anweisungen der Polizeikräfte unbedingt Folge zu leisten.

Wie Polizeisprecher Ferraro berichtete, sind die gesamte Zeit spezielle geschulte Polizeikräfte im Dialog mit dem Mann, der nach SÜDKURIER-Informationen seit längerem allein in dem Haus am Sommerberg lebt, und sich auch jetzt wohl allein im Haus verschanzt hat. Die Polizei will ihn zum Aufgeben bewegen.

Ein Hubschrauber der Polizei fliegt gegen 10 Uhr ein.
Ein Hubschrauber der Polizei fliegt gegen 10 Uhr ein. | Bild: Sprich, Roland

Das Deutsche Rote Kreuz baute mittlerweile eine Verpflegung für die schätzungsweise rund 100 Einsatzkräfte auf, die teilweise seit dem frühen Morgen im Einsatz sind. Zur Stunde läuft der Einsatz noch.

Am Nachmittag des Dienstags tut sich nichts mehr auf dem abgesperrten Einsatzbereich. Augenscheinlich setzt die Einsatzleitung auf das Gespräch mit dem verschanzten Mann und nicht auf einen schnellen Zugriff. Beobachter gingen am frühen Abend noch davon aus, dass sich die Sache noch länger hinziehen könnte. So wurden in der ehemaligen Firma Wahl Feldbetten aufgestellt werden. Den seit Stunden ausharrenden Einsatzkräften soll offenbar die Möglichkeit gegeben werden, sich dort auszuruhen.

Spezialkommando stellt Behälter sicher

Das Spezialeinsatzkommando (SEK) der Polizei hat mittlerweile einen Behälter sichergestellt. Dabei wurde ein Roboter eingesetzt, wie eine Pressesprecherin der Polizei der Deutschen Presse-Agentur am frühen Dienstagabend berichtete. Über den Inhalt der Box, die der Mann vor die Türe gestellt habe, gab es zunächst keine weiteren Informationen. Der Einsatz dauere an, sagte die Sprecherin.