Immer weniger St. Georgener wissen, dass das Skispringen in der Stadt mal eine bedeutende Rolle gespielt hat. Eine Schanze in St. Georgen? Ein traditionelles Dreikönigsspringen in der Bergstadt? Hat es jahrzehntelang gegeben – mit Erfolg. Dieser endete aber in den 1970er-Jahren. Dort, wo zeitweise über 1000 Besucher am Hügel standen und den Wettkämpfen zuschauten, fand im Jahr 1972 das letzte Springen statt.

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„Das Interesse hat dann langsam abgenommen“, sagt Erwin Epting. Er ist einer, der es wissen muss. Über viele Jahre war er Schanzenwart, ist Ehrenmitglied des Skivereins und ist auch selbst die Schanze hinunter gesprungen. Wie weit es ging? Daran kann sich der St. Georgener noch erinnern: „28 Meter“, sagt er. Ein Abenteuer war es auf jeden Fall immer. „Man musste auf ebener Fläche bremsen. Die Springer sind dann am Bahndamm die Schienen entlang gefahren und haben so gebremst.“ In der Festschrift zum 100-jährigen Bestehen des Skivereins St. Georgen heißt es dazu, dass manch einer dabei vom Hupen der Loks erschrak. Die Lage der Schanze brachte aber auch den ein oder anderen Autofahrer in Bedrängnis. „Bei Skispringen an Sonntagen gab es auf der Bundesstraße öfters Blechschäden. Die Autofahrer schauten mehr zur Schanze als auf die Straße“, so heißt es in der Festschrift.

Erste kleine Schanze im Jahr 1913

Die Blütezeit des Skispringens in St. Georgen dauerte knapp 60 Jahre. Begonnen hatte sie mit dem ersten bedeutenden Schneehügel am Storzenberg, den es ab 1913 gab. Es folgten insgesamt vier Schanzen, sie alle standen nur etwas länger als zehn Jahre. Die letzte wurde im Jahr 1964 gebaut und schließlich 1982 mit einer kleinen Trauerfeier abgerissen, nachdem sie schon zehn Jahre ungenutzt dem Zerfall überlassen war. St. Georgens Allzeit-Schanzenrekord, so listet die Festschrift des Skivereins auf, liegt bei 46 Metern, der von Siegfried Stäudinger auf der dritten Anlage aufgestellt wurde.

Der Blick nach oben: Die vierte St. Georgener Sprungschanze, auf der im Jahr 1972 der letzte Wettkampf stattgefunden hat. Sie hatte seit ...
Der Blick nach oben: Die vierte St. Georgener Sprungschanze, auf der im Jahr 1972 der letzte Wettkampf stattgefunden hat. Sie hatte seit 1964 dort gestanden. | Bild: Archiv Skiverein

Zu Ende ging das alles dann in den 1970er-Jahren. „Der Aufwand wurde irgendwann zu groß“, sagt Erwin Epting. Zeitweise habe es aber 25 aktive Springer gegeben. Die Gründe dafür, dass in St. Georgen nicht mehr gesprungen wurde, waren unter dem Strich aber vielfältig. Zum enormen Aufwand und dem allgemein abnehmenden Interesse kam der nicht zu verachtende Trainings- und finanzielle Aufwand. „Zudem gab es in Nachbargemeinden bereits moderne Schanzen, sodass der Bau einer Neuen nicht mehr sinnvoll war“, schreibt dazu der Skiverein.

Vor allem an den enormen Aufwand erinnert sich Erwin Epting noch genau. Das Herrichten der Schanze habe mindestens einen halben Tag in Anspruch genommen. „Wir mussten zum Beispiel den Schnee in Körben zum Anlauf tragen“, sagt er. Auch die Bearbeitung des Aufsprunghügels und des Auslaufs ist mit dem heutigen Standard kaum mehr zu vergleichen. „Mit unseren Skiern an den Füßen mussten wir den Schnee mit einer handvoll Leuten festtreten, damit es nicht zu Stürzen kommt“, sagt Epting. Heute, mit schwerem Gerät, wäre das den St. Georgener Skisprung-Freunden sehr viel leichter gefallen. Zudem seien die Winter immer launischer geworden. Die Folge: Eine frisch präparierte Schanze litt unter zu hohen Temperaturen oder dem Regen. Das mühevolle Werk des Vortages war auf diese Weise oft innerhalb kürzester Zeit wieder dahin.

Das Gelände der ehemaligen St. Georgener Sprungschanze heute. Sie stand auf der anderen Seite der Bahnlinien. Im Vordergrund ist der ...
Das Gelände der ehemaligen St. Georgener Sprungschanze heute. Sie stand auf der anderen Seite der Bahnlinien. Im Vordergrund ist der Hundeplatz zu sehen. | Bild: Werner Müller

Von Bräuchen geprägt

In den 1950er-Jahren war es üblich, dass es vor jedem Skispringen einen Umzug durch die Stadt gab. Gemeinsam mit der Stadtmusik marschierten die Sportler dann in Richtung der Schanze. „Eine Besonderheit war auch das Sieben-Hippewieble“, sagt Erwin Epting. Ein Brauch, angelehnt an eine Sage über das St. Georgener Gewann „Ecke“, bei dem ein Sportler in heimischer Tracht über die Schanze ging. Zuletzt verkörperte Peter Burgbacher diese Figur, die in den 1930er-Jahren erfunden wurde. „In einer Schnapslaune“, so heißt es in der Skivereins-Festschrift.

Der letzte aktive Skispringer des St. Georgener Vereins ist heute Sven Thörner. Er ist immer wieder als Vorspringer im Einsatz, unter anderem bei der Vierschanzentournee im vergangenen Winter. 2016 hat er als Stuntman in einem Film über „Eddie the Eagle„ gearbeitet. Mit Sven Thörner bleibt also zumindest ein klein wenig der St. Georgener Sprung-Tradition erhalten.