Bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr machte sich Gudrun Adams am vergangenen Samstag von Zürich aus auf, um in den Jemen zu reisen. Ein langer, beschwerlicher Weg, welchen die 66-Jährige auf sich nimmt. Am Sonntag landete ihr Flieger in Dschibuti. 30 Grad hat es dort noch in den Abendstunden. Das vor elf Monaten beantragte Visum für den Jemen wurde ihr am Montag ausgestellt. Am Dienstag ging die Reise mit dem Flugzeug weiter in Richtung Jemens Hauptstadt Sanaa. „Es kommt immer darauf an, ob eine Fluggenehmigung erteilt wird“, verrät sie. Der Luftraum über dem Jemen werde nämlich von Saudi Arabien kontrolliert.
Sechs Stunden dauert dann noch die Fahrt mit dem Auto in den Norden des Landes, wo die Ärztin, die 2014 ihre Villinger Praxis abgegeben hatte, drei Monate lang in einem Kinderkrankenhaus mitarbeiten und das einheimische Personal unterstützten wird. In dem kleinen arabischen Land tobt seit vier Jahren ein blutiger Bürgerkrieg zwischen Anhängern der jemenitischen Regierung und den schiitischen Huthi-Rebellen, die im Norden heimisch sind.
Friedensverhandlungen
Seit knapp einer Woche laufen in Schweden Friedensverhandlungen zwischen Vertretern der verfeindeten Lager. Ein schwieriger Prozess, da ist sich Adams sicher. Tiefe Wunden hat der Konflikt auf beiden Seiten bereits hinterlassen. Es geht dabei auch um Bodenschätze und den wirtschaftlichen Einfluss anderer Staaten. Die Lage ist kompliziert. „Es ist aber auch ein Zeichen der Hoffnung“, so die Villinger Ärztin. Aktuell wird über einen Gefangenenaustausch und einen Waffenstillstand verhandelt.
Anfang 2018 reiste Adams schon einmal in das krisengeschüttelte Land. Damals arbeitete sie in einem Krankenhaus 200 Kilometer von ihrem jetzigen Reiseziel entfernt, auf der gegenüberliegenden Seite des Gebirges. Auf vier weitere Hilfseinsatz für die Organisation Ärzte ohne Grenzen kann die Medizinerin bereits zurückblicken, zum Beispiel in Afghanistan, Tansania und in Haiti (siehe weiter unten).
Wie viele Menschen an ihrem neuen Einsatzort leben, ist ihr nicht bekannt. Ein Einwohnerregister gibt es nicht. Dennoch kann die 66-Jährige bereits erahnen, was sie im Jemen erwartet. Vor allem Unterernährung sei ein großes Problem. „Und es werden ja nur die schlimmsten Fälle stationär im Krankenhaus aufgenommen“, gibt sie zu bedenken. Ihre weiteren Einsatzgebiete seien Risiko-Entbindungen sowie allgemeine Kinderheilkunde. „Patienten kommen teilweise von weit her. Weit ist dabei aber relativ. Eine Frau war mit ihrem Kind zum Beispiel sechs Stunden zu Fuß unterwegs“, erinnert sich Adams an ihren letzten Einsatz. Der Grund: Straßen gibt es nicht immer, und wenn, dann sind sie in einem schlechten Zustand. Transportmittel kann sich die arme Bevölkerung kaum leisten.
Was Adams antreibt
„Mir ist bewusst, dass etwas passieren kann“, sagt Adams. Ihr Antrieb, den Menschen vor Ort durch ihren tollen Beruf helfen zu können, überwiegt jedoch, zudem die Lage im Norden etwas ruhiger sei. Ihre Unterkunft werde von Sicherheitsleuten bewacht. „Jedoch ohne Waffen“, fügt die 66-Jährige hinzu. Das sei eine Maxime der Hilfsorganisation, was im Jemen nicht selbstverständlich ist. In dem Land würden Männer selbst im Alltag häufig einen traditionellen Krummsäbel und Schnellfeuerwaffen mit sich tragen. Doch das alles schreckt Adams nicht ab. Das Reisen war schon immer eine Leidenschaft von ihr. „Man lernt das Land und die Menschen bei so einem Einsatz viel intensiver kennen.“ Ihr zur Seite steht meist eine Dolmetscherin. Einheimische Ärzte würden zwar durchweg fließend Englisch sprechen, Angestellte und Patienten jedoch nicht.
Dass sie Weihnachten in diesem Jahr nicht in zuhause feiern wird, macht Adams schon ein wenig nachdenklich. Familie und Freunde vermisse sie bei ihren Reisen am meisten. Aber auch in fernen Ländern könne man ein schönes Weihnachtsfest feiern, wie zum Beispiel bei ihrem Einsatz in Afghanistan. Damals habe es an Heiligabend als Überraschung Schoko-Weihnachtsmänner für alle gegeben. Nach dem gemeinsamen Essen wurden Weihnachtslieder gesungen. Adams spielte dazu auf ihrer Bratsche. Auch dieses Mal ist ihr Instrument wieder im Gepäck.
Ärzte ohne Grenzen
Die Organisation Ärzte ohne Grenzen leistet medizinische Hilfe in Ländern, in denen das Überleben von Menschen durch Konflikte, Epidemien oder natürliche Katastrophen gefährdet ist. Die Organisation der mutigen Mediziner, die weltweit im Einsatz sind, genießt einen hervorragenden Ruf. Wer die Arbeit der Villinger Medizinerin Gudrun Adams unterstützen möchte, sollte hier spenden, das ist ihr Wunsch. Auf der Internetseite der Hilfsorganisation finden Sie die wichtigsten Informationen und das Spendenkonto: http://www.aerzte-ohne-grenzen.de
Rückblick
Im Jahr 2015 reiste Gudrun Adams erstmals für die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen nach Afghanistan. Acht Monate lang hat sie sich im kriegszerrissenen Land engagiert. Über ihre Arbeit berichtete sie bei einem Vortrag in der Neuen Tonhalle. Sie sprach von wunderschönen Erlebnissen – aber auch von vielen harten Momenten und Herausforderungen ihres Arbeitsalltags. Hier geht's zum Artikel.
Im Oktober 2016 machte sich Adams erneut auf, um vier Monate lang in einem Flüchtlingscamp an der Grenze zwischen Tansania und Burundi zu helfen. Hier geht's zum Artikel.
Bereits im Jahr 2017 folgte ihr dritter Hilfseinsatz. Damals war das Ziel Port-au-Prince. In Haitis Hauptstadt betreibt die humanitäre Organisation "Ärzte ohne Grenzen" eine Container-Klinik für 400 bis 500 Frauen mit Risikoschwangerschaften. Daran angeschlossen ist eine Geburten-Abteilung, in der Adams tätig war. Hier geht's zum Artikel.
Anfang 2018 reiste sie für ihren vierten Hilfseinsatz erstmals in den Jemen. Drei Monate lang versorgte sie in einem Krankenhaus im Norden kranke Kinder und bildete einheimische Ärzte aus. Hier geht's zum Artikel.
