Für Aufsehen sorgte gestern in Rietheim der Leserbrief der Familien Doser und Glatz, in welchem sie das entlang der Pfaffenweiler Straße angedachte Neubaugebiet „dorfentwicklungspolitisch und ökologisch als eine Katastrophe“ bezeichnet haben.

Erst am Anfang

Ortsvorsteher Bernd Bucher zeigte sich gestern bemüht, die Emotionen zu dämpfen. „Wir stehen mit unseren Überlegungen erst ganz am Anfang“, betonte er auf SÜDKURIER-Anfrage. Angedacht sei keineswegs ein überdimensioniertes Baugebiet. Auf der der Fläche könnten, so schätzt er, 15 bis 20 Bauplätze realisiert werden. Diese Zahl wird aber von den Anliegern in Zweifel gezogen.

Die bisherigen Überlegungen des Ortschaftsrates gingen dahin, so erläutert Bucher, am Ortsausgang von Rietheim in Richtung Paffenweiler auf der linken Seite einige Bauplätze auszuweisen. Dort gibt es bereits eine kleinere, ältere Erschließung mit einigen Häusern und Grundstücken und einem kleinen Weg, unter dem auch der Abwasserkanal liegt. Dieser Weg, so die Überlegung, könnte als Erschließungsstraße weiter ausgebaut werden, um zwei Häuserreihen anzuschließen. In westlicher Richtung würde das Gebiet durch die nach Süden führende Straße nach Überauchen begrenzt.

Ortsvorsteher Bucher bestätigt, dass er die vergangenen 14 Tage intensiv unterwegs gewesen sei, um bei den privaten Grundstückseigentümer auszuloten, ob sie bereit seien, Flächen für ein Neubaugebiet zu verkaufen. Die Resonanz sei nicht schlecht gewesen. Dass die direkten Anwohner, die bislang einen freien Ausblick auf grüne Wiesen genießen, „nicht alle begeistert sind“, so Bucher mit Blick auf den Leserbrief, könne er durchaus nachvollziehen.

Drängendes Thema

Für den Ortschaftsrat indes ist ein neues Wohngebiet ein drängendes Thema. Die Ortspolitiker machen sich seit Jahren intensive Gedanken, wo eine Bebauung noch möglich ist. Ihnen geht es darum, jungen Familien einen Bauplatz zu ermöglichen. Die Nachfrage sei groß, sagt Bernd Bucher. „15 Bauplätze könnten wir auf Anhieb verkaufen.“ Der Ortschaftsrat hat ein vitales Interesse daran, jungen Familien in Rietheim eine Ansiedlung zu ermöglichen, um das Dorf am Leben zu erhalten und die Schule und den Kindergarten einigermaßen auszulasten. „Unser letztes Baugebiet ist 15 Jahre alt“, erläutert Bucher. Jetzt sei es an der Zeit, wieder etwas für Bauwillige anzubieten.

In Rietheim ist dies allerdings schwierig. Der 1000-Seelen-Ort ist weitgehend umzingelt von Vogelschutzgebieten. Auch die Bebauung von Flächen im Innenbereich ist im Moment weitgehend ausgereizt. Das geht auch aus der Ortsstudie hervor, ein Gutachten, das die Stadt für ihre eingemeindeten Dörfer durch ein Fachbüro hat erstellen lassen. Die geschilderte Option entlang der Pfaffenweilerstraße gilt als einzige, zumindest kurzfristig realisierbare Fläche für ein neues Wohngebiet.

Ein Missverständnis

Die von den Anliegern im Leserbrief vorgetragenen Argumente, dass mit der Bebauung ein wertvolles Feuchtgebiet zerstört und durch eine erforderliche Trockenlegungen auch das angrenzende Landschaftsschutzgebiet am Wolfbach ökologisch geschädigt werde, weist der Ortsvorsteher zurück. An eine Bebauung des Feuchtgebietes sei keineswegs gedacht. Diese Sorge beruhe wahrscheinlich auf einem Missverständnis. Er habe im Auftrag der Stadt den Grundeigentümern in Aussicht gestellt, nicht nur die guten Wiesen zu kaufen, sondern fairer Weise auch die feuchten. Diese dürften aber, versichert er, nicht bebaut werden. Denn dort gelte bereits der Vogelschutz.

Blick auf den südlichen Ortsrand von Rietheim. Auch die hier rechts liegenden Wiesen bis in Richtung des Wettgrabens will die Stadt ...
Blick auf den südlichen Ortsrand von Rietheim. Auch die hier rechts liegenden Wiesen bis in Richtung des Wettgrabens will die Stadt offenbar kaufen. Doch wozu? Das fragen sich einige Anlieger, die in dem kleinen, von Wiesen eingerahmten Baugebiet südlich der Pfaffenweilerstraße wohnen.

Platz für 70 Bauplätze

Nur ein Missverständnis? Für die Anlieger Doser und Glatz ist diese Erklärung nach wie vor unbefriedigend, wie sie auf Nachfrage verdeutlichen. Sie haben aus verschiedenen Gesprächen die Information mitgenommen, dass der Ortsvorsteher nicht nur über Grundstücke für zehn bis 15 Bauplätze am Ortsausgang in Richtung Pfaffenweiler verhandelt habe. Diese Größenordnung sei ja durchaus nachvollziehbar und akzeptabel, sagen sie. Tatsächlich aber ist es nach ihren Kenntnissen auch um den Erwerb der großen Grundstücke weiter östlich zwischen dem Weg „Am Wettgraben“, der Pfaffenweilerstraße und dem Wolfbach gegangen. Der gesamte zur Diskussion stehende Flächenkauf dürfte ausreichen, um 70 Bauplätze unterzubringen, schätzt Anliegerin Anja Doser. Ein solches Wohngebiet wäre nach ihrer Ansicht völlig überdimensioniert und würde den Wohnbau-Flächenbedarf für die nächsten Generationen verzehren. Die Frage stellt sich ihr, was die Stadt mit diesem riesigen Areal anfangen will, wenn tatsächlich nur 15 bis 20 Bauplätze benötigt würden. Ein solcher massiver Grunderwerb werde gewiss nicht grundlos getätigt.

Thema bald im Rat

Bernd Bucher indes betont, dass die Details des Baugebietes längst nicht feststehen. Es gebe noch viel Gesprächs- und Planungsbedarf. Er äußerte sich zuversichtlich, dass auch mit den Anliegern Glatz und Doser ein gemeinsamer Weg gefunden werden könne. Bereits am 16. September wollen die zuständigen Ämter und die Ortsverwaltung ihre bisherigen Überlegungen in der öffentlichen Sitzung des Ortschaftsrates darlegen.