In unserer gestrigen Ausgabe haben wir die Antworten von Mikrobiologe Markus Egert und Allgemeinmediziner Michael Ehret auf die Fragen der SÜDKURIER-Leser zu Corona vorgestellt. Heute kommen Josef Herdner, Bürgermeister von Furtwangen, Barbara Hendricks-Kaiser, Schulleiterin der Albert-Schweitzer-Schule in Villingen-Schwenningen sowie Kreishandwerksmeister Martin Ballof zu Wort, die bei der SÜDKURIER-Livesendung zur Corona-Epidemie ebenfalls spannende Einblicke in ihre Tätigkeitsbereiche in Zeiten der Corona-Krise gewährten.

Kinder aus Familien, die technisch nicht gut ausgestattet sind, oder die keinen Zugriff auf das Internet haben, sind derzeit durch den Fernunterricht benachteiligt. Wie gehen Schulen damit um?

„Die Abiturienten sind meistens entsprechend ausgestattet“, so Barbara Hendricks-Kaiser. Aber es gebe an ihrer Schule auch Schularten, wo das nicht durchgängig so sei. In diesen Fällen könne die Schule nicht sicher sein, dass die Arbeitsaufträge via Internet auch ankommen, oder aufgrund fehlender Unterstützung zuhause nicht bearbeitet werden. „Weil wir in diese Situation reingeschmissen wurden, konnten wir das auch nicht vorbereiten. Im Moment kann man daran wenig ändern.“ Lehrkräfte würden zwar versuchen, über persönliche Ansprache etwas zu erreichen, doch das sei nicht einfach. Alle Schüler mit Leihgeräten zu versorgen sei ebenfalls nicht möglich. Etwa 80 bis 90 Prozent ihrer Schüler seien gut ausgestattet und könnten von zuhause arbeiten, der Rest nicht.

Barbara Hendricks-Kaiser ist 1988 an die Albert-Schweitzer-Schule in Villingen gekommen und hat dort in verschiedenen Schulsparten ...
Barbara Hendricks-Kaiser ist 1988 an die Albert-Schweitzer-Schule in Villingen gekommen und hat dort in verschiedenen Schulsparten Chemie, Ernährungslehre und Wirtschaftslehre unterrichtet. 2011 übernahm sie die Schulleitung. | Bild: Fröhlich, Jens

Wie geht es in den Schulen weiter? „Wir wissen auch nur das, was das Kultusministerium veröffentlicht hat“, sagt Hendricks-Kaiser. Frühestens ab dem 18. Mai sollen Prüfungen stattfinden. Sie vermutet, dass berufliche Schulen ganz am Ende dran sein werden, da hier die Prüfungsplanungen sehr aufwendig seien. Auf genaue Termine warte man noch. „Da ist noch viel Regelungsbedarf. Ich kann mir derzeit nicht vorstellen, dass wir nach den Osterferien mit allen Klassen starten“, so die Schulleiterin.

Wie motiviert man als Eltern seine Kinder? Soll man in den Osterferien dranbleiben? „Ja“, lautet die Antwort der Schulleiterin. „Damit die Tage Struktur haben.“ Lehrer hätten daher auch detaillierte Tagespläne für ihre Schüler gestrickt, die den Lernablauf genau vorgeben. Einfach einen Packen Übungsblätter mitzugeben, würde nicht funktionieren. „Das ist ein schwieriges Thema für Familien“, ist sich Hendricks-Kaiser bewusst. Elfjährige zuhause mit Mathe zu bespaßen sei eine große Herausforderung. Erschwert würde das zusätzlich durch die räumliche Enge. Wichtig sei, dass Eltern und Schüler versuchen, in Kontakt mit Lehrern zu bleiben und Rückmeldungen geben. Für alle Beteiligte sei die Situation Neuland und nicht einfach zu bewältigen, für einige Familien mehr als für andere, zum Beispiel Alleinerziehende . Das müsse sich jetzt einspielen.

Können Kommunen Eltern in schwierigen Situationen helfen? „Das ist nicht einfach“, so Bürgermeister Josef Herdner. Es gebe zwar die Notfallbetreuung, die Kapazitäten dort seien jedoch sehr begrenzt und nur für Kinder von Eltern zugänglich, die in systemrelevanten Bereichen arbeiten. Zwar seien diese Bedingungen etwas gelockert worden, dennoch sei es für Kommunen nicht einfach, die Probleme in einzelnen Familien zu erkennen. „Wir sind nicht so nah an den Familien dran“, so Herdner. Viele, die finanzielle Hilfe benötigen, würden sich meist nicht so deutlich offenbaren. Finanzielle Hilfe sei nach dem Sozialgesetzbuch geregelt, Ansprechpartner das Kreisjugendamt. „Noch näher dran sind Elternberatungsstellen. Die können dann vermitteln.“ In Furtwangen gebe es zudem die Bürgerstiftung, die in manchen Fällen ganz unbürokratisch finanzielle Hilfe leisten könne.

Josef Herdner ist Bürgermeister von Furtwangen. Er war der erste Rathaus-Chef im Landkreis, der wegen Corona eine Schule im Ort ...
Josef Herdner ist Bürgermeister von Furtwangen. Er war der erste Rathaus-Chef im Landkreis, der wegen Corona eine Schule im Ort schließen lassen musste. | Bild: Fröhlich, Jens

Wie kann man verhindern, dass sich Menschen und speziell Jugendliche an das Versammlungsverbot halten? „Für alle Kommunen kann ich nicht sprechen“, so Herdner. In seiner Stadt gebe es jedoch einen Gemeindevollzugsbediensteten. Der könne auch abends kontrollieren und kenne die beliebten Plätze. Die regelmäßigen Kontrollen würden sich schon positiv auswirken. In anderen Kommunen fehle es eventuell an solchen Mitarbeitern, denn „die Polizei kann nicht überall sein.“

Was tun, wenn die Zahl der Corona-Fälle sprunghaft ansteigt? Könnten leer stehende Gebäude, wie das Heilig-Geist-Spital in Villingen, als Auffangstation genutzt werden? „Ja, solche Überlegungen gibt es“, antwortet Josef Herdner. Die Bürgermeister im Kreis, der Landrat sowie der Krisenstab seien gut vernetzt und würden sich über solche Möglichkeiten austauschen. Der Landkreis sei derzeit in Gesprächen mit Rehakliniken und anderen Einrichtungen, die im Notfall genutzt werden könnten. Bei solchen Überlegungen seien Einrichtungen mit bestehenden Strukturen zu bevorzugen. Wie so ein Plan umgesetzt werden könnte, müsse man in Gesprächen mit Betreibern klären und planen. Dieser Meinung ist auch Allgemeinmediziner Michael Ehret: „In vielen Rehakliniken bleiben derzeit Patienten aus.“ Diese freien Kapazitäten könnte man nutzen.

Wie lange hält unsere Wirtschaft diese Situation aus? Zwei Wochen bis drei Monate, das komme immer auf den Betrieb an, so Kreishandwerksmeister Martin Ballof. „Wir haben hier hauptsächlich Handwerksbetriebe mit ein bis fünf Personen“, erklärt er. Für die werde es sehr schwierig. Mieten und laufende Kosten könnten Betriebe ohne Einnahmen nicht lange decken. Mitarbeiter zu entlassen sei keine Lösung, denn der Betrieb laufe irgendwann wieder an, dann benötige man die Fachkräfte wieder. Hilfsprogramme findet Ballof Besser als nichts. „Das ist für viele aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein“, gibt er zu bedenken. Es herrsche große Verunsicherung bei den Betrieben, wie sich die Situation weiter entwickelt.

Kreishandwerksmeister Martin Ballof ist selbstständiger Unternehmer und führt einen traditionsreichen Villinger Familienbetrieb selbst.
Kreishandwerksmeister Martin Ballof ist selbstständiger Unternehmer und führt einen traditionsreichen Villinger Familienbetrieb selbst. | Bild: Fröhlich, Jens

Wie einsatzfähig ist das Handwerk in der aktuellen Zeit? „Notdienste können auf jeden Fall aufrecht erhalten werden. Das Problem ist vielmehr, dass keiner so richtig weiß, wie man sich verhalten soll“, so Ballof. Kunden hätten angst sich bei Handwerkern, die ins Haus kommen, anzustecken und anders herum.