Wenn die Europäische Union umweltschädliches Kunststoff-Granulat auf Kunstrasenplätze verbietet, ist auch die Stadt Villingen-Schwenningen betroffen. Denn diese hat in den vergangenen Jahren den Bau von Kunstrasenplätzen massiv vorangetrieben. „Wenn das Verbot kommt, müssen wir handeln“, sagt die städtische Pressesprecherin Oxana Brunner. „Wir haben drei Plätze, die kritisch sind.“

Dieser Kunstrasenplatz, den die DJK Villingen im Friedengrund nutzt, wurde vor gut drei Jahren verlegt. Auch dieser Rasen wurde mit dem ...
Dieser Kunstrasenplatz, den die DJK Villingen im Friedengrund nutzt, wurde vor gut drei Jahren verlegt. Auch dieser Rasen wurde mit dem mutmaßlich umweltschädlichen Gummi-Granulat befüllt: Bild: Jochen Hahne | Bild: Hahne, Jochen

Ironie der Geschichte

Bei den drei „kritischen Plätze“ handelt es sich um die Kunstrasenplätze des FC 08 Villingen, der DJK Villingen und des SV Obereschach. Ironie der Geschichte: Die beiden letztgenannten Plätze sind brandneu oder fast neu. Mehrere hunderttausend Euro hat die Stadt hier auf Drängen der Vereine jeweils locker gemacht. Denn die Kunstrasenplätze sind für die Bedürfnisse der heimischen Fußballclubs angesichts der winterlichen Verhältnisse in der Höhenlage von Villingen-Schwenningen den Rasen- und Hartplätzen weit überlegen.

Kein Grund zur Panik

Allerdings, und da sind sich Vertreter der Stadt und der Hersteller einig: Es gibt für die Vereine und die Fußballspieler keinen Grund zur Panik. Niemand rechnet mit einer umgehenden Stilllegung der Plätze. „Wir gehen außerdem davon aus, dass die EU für die Umrüstung Übergangsfristen geben wird“, erklärt Oxana Brunner. Und zweitens: Es gibt Nachrüstmöglichkeiten, um das in Verruf geraten Füllmaterial aus Kunststoff-Granulat zu halbwegs vertretbaren Kosten zu ersetzen.

08-Kunstrasen ein Sanierungsfall

Auf der Liste einer Umrüstung steht vor allem der Kunstrasen-Trainingsplatz des Fußball-Traditionsclubs FC 08 Villingen im Friedengrund. „Der muss bald gemacht werden“, berichtete Brunner. Auf der Sanierungsliste stand der Platz aber bisher nicht aus Umweltschutzgründen, sondern aus Gründen des Alters und falscher Behandlung. „Der Platz ist ein Sanierungsfall“, so die Auskunft der Stadt.

Neuorientierung hat begonnen

Nach der Kritik an dem in Verruf geratenen Kunststoff-Granulat – ein Mikroplastik, das als Füllmaterial tonnenweise zur Dämpfung auf den Kunstrasenplätzen eingesetzt wird und dabei als unerwünschter Nebeneffekt die Umwelt belastet – hat auch bei der Stadt VS bereits ein Umsteuern begonnen: Der aktuell im Bau befindliche Kunstrasenplatz in Schwenningen für die Kicker des BSV Schwenningen und dreier anderer Clubs wird anstelle von Mikroplastik mit Korkmaterial befüllt werden, das für die nötige Dämpfung und Elastizität des Sportplatzbelags sorgt.

Hockeyclub fein raus

Keine Probleme bekommt auch der neue Kunstrasenplatz, den sich der Hockeyclub und der VfB Villingen in der Sportanlage Friedengrund teilen. „Wir haben kein Granulat auf dem Platz, das Problem interessiert uns nicht“, schmunzelt Joachim Oberecker, der Hockeyclub-Vorsitzende. Die Hockeyspieler wünschten einen härteren Belag und keinen stark gedämpften Untergrund, „weil sonst der Hockeyball zu hopsen anfängt“, erläutert Oberecker. Mit den Fußballern vom VfB wurde daher bei der Dämpfung ein Kompromiss gefunden: Kein Granulat als Füllung, dafür wurde unter den Kunstrasen eine Gummimischung verlegt.

Keine Stilllegung erwartet

Kein Grund zur Panik für die Betreiber von Kunstrasenplätzen sieht auch Rainer Buhl, der Chef der Sportplatzbau-Firma Rievo in Oberried bei Kirchzarten. „Es ist von der EU nicht geplant, alle Plätze mit Gummi-Granulat auf einen Schlag stillzulegen“, urteilt er. Er geht davon aus, dass die EU bei ihrer 2020 oder 2021 erwarteten Entscheidung in dieser Frage Übergangsfristen zulassen wird. Die Plätze, die eine Lebensdauer von 15 Jahren haben, werden wohl weiter betrieben, bis sie zur Sanierung anstehen, vermutet der Experte.

Granulat-Geschäft ist tot

„Das Geschäft mit dem Gummi-Granulat ist schon jetzt tot“, berichtet Buhl. Für Plätze mit diesem Belag gebe es keine Zuschüsse mehr von den Sportverbänden. Und die Alternativen? „Es gibt derzeit nichts anderes als Kork“, stellt Buhl fest. Die Quarzsand-Systeme auf dem Markt seien derzeit noch zu teuer. Doch das könnte sich ändern, sollte der Kork-Preis durch die steigende Nachfrage durch die Decke gehen.

Alternative heißt Kork

Eine Umweltbelastung durch Kork gebe es nicht. Der Naturstoff, gewonnen aus der Rinde der Korkeichen, werde nachhaltig bewirtschaftet „und ist hundertprozentig bio“, sagt Buhl. Auch für ihn ist es schwer nachvollziehbar, warum Sportverbände über viele Jahre nur Kunstrasenplätze mit Gummi-Granulat-Befüllung gefördert haben. In seinem Unternehmen bietet er seit rund acht Jahren auch Korkbeläge als Alternative an. Einige hat er in der Region bereits verlegt. Die Kosten der Umrüstung eines Platzes auf Kork verschlinge keine Unsummen: Buhl beziffert den Aufwand auf rund 50 000 Euro. Ein neuen Platz mit Korkbefüllung gibt es ab 400 000 Euro.