Nur nichts Verwischen. Ein Kohlestaubkörnchen, ein Farbspritzer, ein Moment der Unachtsamkeit und zig Stunden Arbeit sind dahin. "Jetzt schauen wir mal, ob es was geworden ist", sagt Sebastién Gambin an einem trüben Donnerstagmorgen in seiner kleinen Werkstatt im Wintergarten seines Wohnhauses in der Südstadt, setzt seine Brille auf und nimmt vorsichtig den Klebeband-Streifen ab, der die Vorlage auf dem Leintuch gehalten hat. Mit einem Tupfer hat er die Kohle durch die feinen Löcher in der Schablone gedrückt, jetzt gilt es, nichts zu Verschmieren. Vorsichtig wedelt er den Kohlestaub vom Leintuch. "Jetzt ist nur noch Blei übrig", sagt er irgendwann. "Somit kann es mit dem Malen losgehen."
Häsmalerei ist eine Kunst. Häsmalerei ist eine Geduldsprobe. Häsmalerei ist Leidenschaft.
Sebastien Gambin, 60 Jahre alt, weiße Crocs, schwarze Jogginghose und blaues Karohemd, ist kein Mann der schnellen Gesten. Gut Ding will Weile haben, kaum irgendwo passt der Spruch wohl besser, als in die Werkstatt eines Häsmalers. Er arbeitet im Stehen. Am alten Bauernschrank hinter ihm hängen Hose und Kittel vom Narrohäs am Bügel daneben das Rottweiler Kleidle. Am anderen Ende des Raumes hängen drei Uniformen der Katzenmusik, davor eine Scheme der Donaueschinger Zunft.
Seit über 30 Jahren malt er jedes Jahr zwei bis drei Narrohäser, genauso viele Katzen-Uniformen, er restauriert Häser, fasst Schemen ein und macht das Bühnenbild für den Katzenball. Fasnet ist für Sebastién Gambin nicht nur von Januar bis März. Fasnet ist für Gambin das ganze Jahr. Von Montag bis Mittwoch arbeitet er beim Stadtbauamt in Donaueschingen, von Donnerstag bis Sonntag steht er in seiner Werkstatt. "Es entspannt mich", sagt er. "Da male ich ein bisschen, dann schaue ich zum Fenster raus in den Garten, dann male ich weiter."
Acht bis zehn Tage braucht er für die Narro-Kappe. Vier Tage vorne, vier Tage hinten. Mit dem Gesicht fängt er an. Mund und Augen sind das Wichtigste, wenn die auf Anhieb gelingen, malen sich die Abfassungen, die Schnörkel beinahe von selbst. Das ganze Häs dauert rund 150 Stunden. Zwischen 800 und 1000 Euro kostet es am Ende.
Gambin ist gelernter Maler und Lackierer, arbeitet als Restaurator, irgendwann wird er Bautechniker und beginnt bei den französischen Streitkräften in Villingen und Donaueschingen zu arbeiten. Mit 23 Jahren wollen ein paar Freunde von ihm an Fasnet auf die Gass gehen. "Du, willst uns nicht ein Häs malen?", fragen sie. Gambin will. Manfred Merz – ein Schulkamerad seiner Mutter – wird sein Mentor. Merz ist Sprecher des Brauchtums bei der Narrozunft, er legt Gambins Häs beim Brauchtumsabend vor, es wird für gut befunden. "Ich habe meinen Beruf zum Hobby gemacht", sagt er heute.
Jedes Häs ist anders. Beim Rottweiler Kleidle kann er sich künstlerisch entfalten, beim Narro zählt jeder Pinselstrich, aufwendig und penibel ist die Arbeit, bei der Katzenuniform besteht die Kunst im Weglassen. Aus fünf Pinselstrichen entsteht der ganze Kopf. "Das Brauchtum erhalten, sein eigenes Wissen weitergeben, das finde ich wichtig", sagt er. Gambin ist Mitglied bei den Narros, an Fasnet geht er als Zugpolizist der Katzen auf die Gass.
"Die Farbe muss noch trocknen", sagt er, als er eine der Uniformen vom Schrank holt. Zwei bis drei Tage kann es bei den Ölfarben dauern. Dem einen Kater fehlen noch die Augen und auf der Rückenpartie ist der dunkelblaue Stoff noch völlig unangetastet. Vor rund einem halben Jahr hat Gambin den ersten Pinselstrich auf den Ärmel der Uniform gesetzt. Es ist seine eigene, seine neue, bis zum großen Narrentreffen in Gengenbach im Februar, will er fertig sein. Eine Uniform der Katzen kostet rund 500 Euro. Die Malerei, die Restaurierung, die Ausbesserungen, das alles macht Gambin umsonst. Ehrenamtlich. Wie es sich für die Vereinsarbeit gehört.
Beim Ausbessern der alten Uniformen werden die fahlen Stellen nachgemalt. Kein Motiv wird komplett übermalt. Danach kommt das Häs ins Museum. Museumsreif wäre wohl auch der Mantel, den Gambin als Zugführer der Katzenpolizei gestellt bekommt. Über 100 Jahre wird er alt sein, schätzt Gambin, als er auf die abgewetzten Stellen am Revers und die Löcher im Futter zeigt. Das genaue Gegenteil liegt auf der Sofalehne in der Mitte des Raumes: der Leinenkittel eines neuen Narrohäses. Unbemalt. Ein Stück Stoff, mehr nicht. Erst Häsmaler wie Gambin geben der Fasnet ihr Gesicht.