Wenn Anselm Sänger an seine geliebte Fastnacht denkt, könnte ihn schon die Depression befallen. In dieser Woche, da ginge es los. Am 5. Januar mit der Generalversammlung der Historischen Narrozunft, der er vorsteht.

Diese Generalversammlung von Villingens historischem Fastnachtsverein ist mehr als nur ein Verlesen von Rechenschaftsberichten der Vorstandschaft. Sie ist ein Ritual, bei dem sich viele Freunde des närrischen Brauchtums auf die hohen Tage einstimmen.

400 bis 500 Besucher bei der Generalversammlung

Es fliegen die ersten närrischen Spitzen, es wird zum ersten Mal geschunkelt. Deshalb pilgern, unvorstellbar für jeden anderen Verein, jedes Jahr 400 bis 500 Menschen alljährlich zur Generalversammlung der Zunft.

Die Steigerung erfährt die fastnächtliche Dramaturgie einen Tag später, am Dreikönigstag, mit dem Schmücken des Narrobrunnens in der Oberen Straße. Dann sind es gewöhnlich schon ein- bis zweitausend Junge und Alte, die sich im heimeligen Schein der Weihnachtsbäume rund um den Narrenbrunnen das erste närrische Kribbeln und die Vorfreude auf die fünfte Jahreszeit abholen.

„Das tut schon ziemlich weh, ist wirklich deprimierend.“
Anselm Sänger

All das wird es dieses Jahr nicht geben. Wie schon im letzten Jahr nicht. Für die Narren ein Schlag. „Wir haben vor einem Jahr gedacht, die Pandemie werden wir in einem Jahr durchhaben. Und jetzt stehen wir wieder vor den gleichen Problemen“, schüttelt Zunftmeister Säger den Kopf. „Das tut schon ziemlich weh, ist wirklich deprimierend“, offenbart er seine Seelenlage.

Anselm Säger: „Es wird mit uns keine Sommerfasnacht geben.“
Anselm Säger: „Es wird mit uns keine Sommerfasnacht geben.“ | Bild: Narrozunft

Die Schuld geben will er niemanden. Es ist, wie es ist. Besonders leid tun ihm aber die Kinder. Nach seiner Erinnerung waren die unbeschwerten Tage im Häs, die er als Kind genießen durfte, die schönsten und intensivsten, die er mit der Fastnacht verbindet.

Wenn diese nun im zweiten Jahr hintereinander ausfällt, so fürchtet er, dann könnten manche Kinder von heute diese verlorenen Erlebnisse und Prägungen nicht mehr aufholen. Da blutet dem Fastnachter das Herz.

Ein Funken Hoffnung bleibt noch

Allerdings: Die Saison 2022 wollen die Verantwortlichen des größten Narrenvereins in der Region derzeit noch keineswegs endgültig abschreiben. Vor allem aus einem Grund: Die Fasnet steht erst Ende Februar im Kalender. „Es sind noch über sechs Wochen bis dahin“, betont Sänger.

Niemand könne vorhersagen, wie die Corona-Pandemie sich mit der neuen Virusvariante Omikron bis dahin entwickeln werde. „Ich habe noch einen Funken Hoffnung, dass wir ein paar kleinere Veranstaltungen im Freien machen können“, sagt der Zunftmeister. Das weitere Vorgehen der Historischen Narrozunft wie auch der anderen Vereine der Villinger Zuggesellschaft, so Säger, „heißt daher, ganz klar, abwarten“.

Das Wuescht-Radio war vergangenes Jahr an Fastnacht sehr unterhaltsam und beliebt. Ob es 2022 wieder ein Radio-Programm zur Fastnacht ...
Das Wuescht-Radio war vergangenes Jahr an Fastnacht sehr unterhaltsam und beliebt. Ob es 2022 wieder ein Radio-Programm zur Fastnacht gibt, ist noch unklar. | Bild: Narrozunft Vilingen

Abwarten, bedeutet aber nicht, untätig zu bleiben, sondern vorbereitet zu sein für den Fall, dass sich doch noch eine närrische Tür öffnen sollte. So werden beispielsweise die Umzugsfahrzeuge der Zunft vor der Fastnacht noch vom TüV abgenommen, damit sie auf jeden Fall einsatzbereit sind. Sollte die Politik kurzfristig im Februar irgendwelche närrischen Aktivitäten ermöglichen, dann will man bereit sein.

Alles, was in Sälen mit Publikum stattfindet, haben die meisten Villinger und Schwenninger Narrenzünfte inzwischen abgesagt, von den Generalversammlungen bis zu den Bällen der Saalfastnacht. Allerdings wird es ähnlich wie im letzten Jahr Ersatzangebote übers Internet geben.

Die Narrozunft plant, am Samstag, 12. Februar, an dem der eigentliche Zunftball stattgefunden hätte, eine Bühnenfastnacht per Video anzubieten, die man sich zu Hause übers Internet anschauen kann.

Zünftiges aus der Zehntscheuer

„Zünftiges aus der Zehntscheuer“ heißt das Motto. Die Zunftballmacher wollen dem Publikum die besten Nummern der vergangenen Jahre und Jahrzehnte präsentieren. Das Filmmaterial reicht bis in die 1980er-Jahre zurück.

Garniert wird diese Fastnacht aus der Konserve durch Live-Interviews mit illustren närrischen Gästen und legendären Villinger Bühnenakteuren. Ein Getränkepaket für 35 Euro, das im Vorfeld über heimische Händler vertrieben wird, soll zu Hause für entsprechende Stimmung sorgen.

Offen ist noch, ob es wie im vergangenen Jahr wieder ein närrisches Radioprogramm geben wird. Damals kam das „Wuescht-Radio“ während der ausgefallenen Fastnachtstage beim einschlägigen Publikum sehr gut an. „Wir müssen noch prüfen, ob Bedarf und Interesse wieder vorhanden ist. Ich persönlich würde mich sehr freuen, wenn es wieder zustande käme“, betont Säger.

Kneipenfasnet per Live-Stream?

Den Zunftchef treibt auch noch ein weiterer Vorschlag um: Die Idee, die beliebte Villinger Kneipenfasnet mit einem Live-Stream aus der Zehntscheuer dem närrischen Volk in die Wohnstuben zu bringen.

Die Gruppen, die am Schmotzige Dunschtig und Fastnachts-Samstag üblicherweise mit ihrem Programm durch die Villinger Stüble und Kneipen ziehen und jedes Jahr hunderte von Besuchern begeistern, müssten für einen Auftritt vor der Kamera ohne Live-Publikum gewonnen werden.

Kneipenfasnet in Villingen, hier mit den Dörr-Brüdern und Nenad Grzan im Jahr 2017 auf der Bühne, gehören zu den Höhepunkten der ...
Kneipenfasnet in Villingen, hier mit den Dörr-Brüdern und Nenad Grzan im Jahr 2017 auf der Bühne, gehören zu den Höhepunkten der heimischen Fastnacht. Ob es dieses Jahr eine virtuelle Kneipenfasnet gibt, darüber soll noch diskutiert werden. | Bild: Elke Rauls

Ob die Gruppen mitmachen, ist indes noch eine ungeklärte Frage. „Wir haben diese Idee bisher noch nicht mit den Kneipenfastnachtern besprochen“, schränkt Säger sein. Dies müsse noch diskutiert werden. Die Zunft habe jedenfalls das technische Know-how und die Räume, um ein solches Projekt zu realisieren.

Säger lehnt Sommerfasnet ab

Was es auf jeden Fall nicht geben wird, steht für die Historische Narrozunft indes schon fest. „Wir werden unsere Umzüge nicht in den Sommer verlegen“, lautet die klare Ansage des Zunftchefs. „Es wird mit uns keine Sommerfastnacht geben.“

Damit reagiert Säger auf vereinzelte Beschlüsse von Karnevals- und Fastnachtsvereinen, die ihre Veranstaltungen in den Sommer verschieben in der Hoffnung, dass bis dahin die Pandemie abgeklungen ist.

„Unseren Narro voll ausgestopft im Sommer kann man sich nicht vorstellen“, wies er diesen Gedanken als absurd zurück. Die fünfte Jahreszeit liege traditionell zwischen Januar und März. Und daran sollte nicht gerüttelt werden.