Der 28. Februar 2022 und damit der Festnachtsmontag scheint noch weit weg. Dennoch drückt das Datum Tausenden in Villingen auf die närrisch gestimmte Seele. Was wird dann möglich sein und vor allem: Für wen und wie genau?
Nach den Sommerferien geht es in der Fastnachtshochburg Villingen normalerweise an die Detailarbeit. Die Konturen für Bälle, Themen-Wagen für die Umzüge, vieles steht um diese Zeit bereits. Etliche Fastnachtsgruppen beginnen mit dem neuen Konzept schon früh im Jahr.
Nach der Corona-Fastnacht 2021 ist jedoch alles anders. oder, wie es Dominik Schaaf von der Villinger Katzenmusik ausdrückt: „Ich hätte mir nie vorstellen können, dass wir in so eine konfuse Lage kommen“, formuliert der Generalfeldmarschall von Villingens zweitgrößtem Fastnachtsverein.
Die Katzen haben ein besonderes Jahr vor sich. 2022 ist großes Jubiläumsjahr, die Planungen stehen. Unklar ist, wie sich die Corona-Krise entwickelt wird. Feiern will der Verein bereits vor der Straßenfastnacht: Für 22. und 23. Januar ist ein großes Fest mit Umzug und Narrendorf im Riet geplant.
Vereine aus nah und fern machen mit. Was Ende Januar möglich ist, gilt heute, Mitte September, als offen. Unklar auch: Ist der für 8. Januar in der Villinger Tonhalle angesetzte Festakt realistisch? Kann der Verein seine Einladungen verschicken? Muss er den Termin absagen? Sollte das Jubiläumsjahr nicht besser auf 2023 verschoben werden?
Der Impfaufruf provoziert auch Vorhaltungen
Die Katzenmusik gibt alles, so wie die südbadischen Fastnachter überhaupt. Die Arbeitsgemeinschaft der Narrenvereinigungen und Verbände hat im Internet einen Aufruf gestartet. Es geht um nicht weniger als die Rettung der Fasnet. „Narren, lasst euch impfen“, heißt es in einem offiziellen Aufruf der Vereinigung. „Damit die Fasnet wieder närrisch wird“, heißt es zur Erklärung in dem Aufruf weiter. Der Appell wird im Internet verbreitet und die Villinger Katzenmusik hat sich dem Aufruf ebenfalls angeschlossen.

Allerdings, so schildert Schaaf mit einem Kopfschütteln, habe es nicht nur Zustimmung gegeben. „Wir sehen uns auch dem Vorwurf ausgesetzt, der Verein betätige sich politisch“, schildert der Vereins-Vorsitzende. Schaaf fasst es nicht, was da an Stimmungen an die Vereinsspitze herangetragen worden sein: „Wir sagen ja nicht, dass wir ein bestimmtes Verhalten verlangen, sondern wir haben im Internet auf unserer Seite einen Aufruf geteilt, bei dem es darum geht, sichere Verhältnisse für die Fastnacht herzustellen.“
Der Generalfeldmarschall der Katzenmusik bestätigt auch, dass bei dem Impfaufruf auf der Internetseite des Vereins einige Kommentare gelöscht worden seien. Salomonisch meint Schaaf, er wisse nicht mehr genau, wie die Beschimpfungen formuliert gewesen seien, die der Verein als Reaktion auf den Impfaufruf erhalten habe.
Es gibt aber auch viel Zustimmung und Unterstützung
Wer die Seiten im Internet liest, stellt aber fest, dass die Aktion läuft. Viele verbreiten den Impfaufruf weiter. Meist werden auch persönliche Statusmeldungen hinzugefügt. Immer wieder heißt es dabei „Bin geimpft.“ Übersetzt ist das so zu verstehen: „Bin bereit für die kommende Fastnacht.“
„Ob es dann 3G oder 2G ist, das wissen wir heute nicht“, sagt Schaaf zu den Perspektiven, beispielsweise für den Festakt in der Neuen Tonhalle. Was er heute weiß, formuliert er so: „Im Prinzip wollen wir Narren doch alle das Gleiche haben – eine möglichst unbeschwerte Fastnacht.“ Er erinnert an die von Unsicherheiten geprägten närrischen Tage 2021, als sich in Villingen am Montag sogar zwei kleine Spontanumzüge bildeten. Schaaf ergänzt: „Wir wollen die Fastnacht nicht noch drei oder vier Jahre ausfallen lassen, wir wollen eine sichere und saubere Fastnacht.“ Deshalb habe der Verein auch den Impfaufruf weiterverbreitet.
Die Internetaktion wird wesentlich getragen von der Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer Narrenzünfte (VSAN). Deren Präsident ist Roland Wehrle aus Furtwangen. Er zeigte sich jetzt stolz, dass sich 14 große Verbände hinter die Aktion gestellt hätten, darunter beispielsweise auch die Europäische Narrenvereinigung und Verbände aus dem Württembergischen, wie der Narrenfreundschaftsring Zollernalb. Wehrle schildert, dass auch das baden-württembergische Sozialministerium sowie der Varitasverband den Aufruf geteilt hätten.
Auch Wehrle hängt mit seinem Großverband aktuell ziemlich in der Luft. Es sei unklar, bestätigt er die Einschätzung von Dominik Schaaf aus Villingen, was die kommenden Monate und die Infektionslage bringen und welche Rahmenbedingungen angesichts dessen möglich wären, schildert er von seinem Urlaubsort aus. Ende September wolle die Vereinigung die Lage gemeinsam betrachten. Ob dann aber bereits eine Umgehensweise abgesteckt werden könne, wie Ende Februar bei der Straßenfastnacht verfahren werden könne, sei noch unklar. Wehrle gibt sich für Freiluft-Veranstaltungen aktuell optimistischer als für Saalabende. Bälle und Sitzungen bereits heute für unmöglich zu erklären, sei aber noch zu früh.
Der Jubiläums-Elan droht verloren zu gehen
Bei der Villinger Katzenmusik herrschen aktuell andere Gefühle vor: „Das tut schon alles sehr weh“, sag Dominik Schaaf. Er verweist darauf, dass sein Verein seit drei Jahren das Jubiläum plane, tolle Gastzünfte hätten zugesagt, das Riet sei mithilfe der Villinger Vereine als Festdorf bereits durchgeplant. Keiner wisse aber, wie es nun überhaupt von den Plänen hin zu konkreten Schritten weitergehen könne.

Die Crux mit Corona
„Bei uns sitzen viele junge Leute mit im Festausschuss, die seit fast 36 Monaten mit großer Vorfreude und viel Engagement am Planen sind“, schildert der Vereins-Chef. Und wenn er über den Jubiläums-Tellerrand hinausschaut, dann sieht er das, was im Moment alle Fastnachter beschäftigt und belastet: Ist es verantwortbar, ist es sinnvoll, jetzt in die konkreten Detailabsprachen für die Bälle zu gehen. „Es läuft nichts normal“, entfährt es Schaaf.
Wann die Zünfte die Fasnet 2022 planen wollen
Die Lage bleibt vorerst reichlich trostlos. Mitte Oktober soll in Villingen ein erstes Treffen stattfinden, bei dem versucht werden soll, die Lage zu sondieren. Wie tragfähig für die kommenden Monate Festlegungen dann sein können, das weiß aktuell niemand. Klar ist: Zum Scherzen ist es derzeit nicht einmal mehr den hartgesottensten Fastnachtern zumute. Und das will etwas heißen.