Jetzt hat Deutschland ausreichend Masken. So tobt inzwischen ein unbarmherziger Konkurrenzkampf und mittendrin muss sich der Schwenninger Maskenhersteller Univent Medical behaupten. Die Auseinandersetzung wird mit subtilen Mitteln geführt, Univent Medical-Geschäftsführer Thomas Vosseler fühlt sich gar als „Bauernopfer im Maskenkrieg“. Was steckt dahinter? Die Schwenninger machen die Erfahrung, dass mit harten Bandagen und undurchsichtigen Methoden gerungen wird. Doch Univent Medical will laut Vosseler jetzt noch einmal „Vollgas geben“, vom Zwei- auf den Dreischichtbetrieb umstellen und bringt ein neues Sortiment auf den Markt.
Masken gelten, neben der Impfung, als wichtigstes Instrument gegen die Corona-Pandemie. Anfangs gab es eigentlich keine heimische Maskenproduktion, die erst nach und nach aus dem Boden gestampft wurde. Doch die Goldgräberstimmung ist wieder verflogen. Früh mischte Univent Medical mit, doch musste das Unternehmen im Frühjahr einen Dämpfer hinnehmen. Damals wurden FFP 2-Masken durch die Prüffirma Dekra im Auftrag der Stiftung Warentest getestet, auch die „atemious pro“-Maske des Schwenninger Herstellers. Sie erhielt bei der Prüfung der Dichtigkeit wegen der Passform nur die Bewertung „mit Einschränkung geeignet“. Das hatte für das Unternehmen katastrophale Konsequenzen, die Produktion stand eine Zeit lang still. Univent Medical musste laut Vosseler Umsatzeinbußen im zweistelligen Millionenbereich hinnehmen.

Noch einmal kam Univent Medical ins Visier der Dekra, als ein anonymer Tippgeber die Arbeit einer türkischen Zertifizierungsstelle, bei der auch das Schwenninger Unternehmen die Baumüsterprüfung hatte durchführen lassen, in Zweifel zog. Der Informant, der seinen Verdacht gegenüber dem ZDF-Verbrauchermagazin Wiso äußerte, soll aber nach einer Aussage Vosselers mit einem bayrischen Konkurrenten der laut Vorwürfen der Opposition von Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger protegiert werde, verbunden sein. Erneut kam es zu einer Überprüfung, wiederum wurde bei der Prüfung der Dichtigkeit der „atemious pro“-Maske eine zu hohe Leckage bemängelt.
Als Univent Medical die Tests aufarbeitete, merkten die Schwenninger, wie intransparent aus Sicht des Unternehmens die Kriterien seien. Kritisch betrachtet wurde vor allem, dass nur eine relativ geringe Zahl von Testpersonen bei der Prüfung der Leckage beim Tragen ausreiche. Die Dekra nimmt auf Anfrage zu der statistischen Aussagefähigkeit keine Stellung und verweist lediglich auf die der Prüfung zugrunde liegende Norm EN 149. Dort ist aufgeführt, dass zehn Muster eines Herstellers durchleuchtet werden müssen, fünf im fabrikneuem Zustand, fünf, nachdem sie gewissen Temperaturen ausgesetzt wurden. Zudem müsste eine Gruppe von zehn glatt rasierten Personen ausgewählt werden, die das Spektrum der Gesichtscharakteristiken abdecken. Das sei doch viel zu wenig, wendet Vosseler ein, kaum ein Gesicht gleiche doch dem anderen.
Die Ergebnisse stoßen in Schwenningen auch bei einem weiteren Punkt auf Verwunderung. Wenn die Passform nicht optimal ist, kann es zu einer Leckage kommen, weil ein Teil der Luft das Filtergewebe nicht durchströmt, sondern an den Rändern entweicht. In einem Test betrug die Leckage laut Gunther Müller, dem weiteren Geschäftsführer, 32,6 Prozent, in einem zweiten Test lediglich 5,72 Prozent mit demselben Maskentyp. In diesem Fall gibt es für die „atemious pro“ keine Abwertung, da die Norm elf Prozent als Einzelwert erlaubt. Doch wie kommt es zu solchen unterschiedlichen Ergebnissen? Trotz wiederholter Nachfragen konnte die überraschende Differenz nicht aufgeklärt werden. Die Anwendung der Prüfparamater sei schon sehr undurchsichtig, erklärt Müller auf Anfrage. Die Dekra will zu den großen Unterschieden keine Stellung beziehen und bemerkt dazu: „Wir bitten um Verständnis, dass sich Dekra aus vertraglichen und akkreditierungsrechtlichen Gründen nicht zu einer konkreten Prüftätigkeit äußern kann.“
Hilfe der Politik notwendig?
Nun versucht Univent Medical mit einer neuen Entwicklung für drei verschiedenen Maskengrößen einen Neustart. Doch wie sieht es langfristig mit einer Produktion in Deutschland aus, vor allem wenn nun die Maskenpflicht nach und nach gelockert wird und möglicherweise weniger Schutzmasken benötigt werden? Gunther Müller hat dazu eine klare Meinung. Wenn solche Schutzgüter zukünftig in Deutschland produziert werden sollen, „benötigen wir die Hilfe der Politik“. Anders könnten deutsche Hersteller, die beispielsweise hiesige Arbeitsschutzbestimmungen beachten und höhere Löhne bezahlen müssten, gar nicht mit der Billigkonkurrenz aus Fernost mithalten.
Eine direkte Subventionierung sieht Thorsten Frei, stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und Wahlkreisabgeordneter, zumindest in Bezug auf Masken kritisch: „Eine der Lehren aus der Pandemie ist ganz sicher, dass Deutschland und Europa unabhängig von Drittstaaten sein müssen, wenn es um die Sicherheit und Gesundheit der eigenen Bevölkerung geht“, äußert er sich auf Anfrage. Und weiter: „Insofern erachte ich es als richtig, die Produktion von Arzneimitteln und technisch anspruchsvollen Medizinprodukten nicht vollends aus der Hand zu geben, sondern ganz bewusst auch heimische Produktionsstätten zu fördern.“ Dass dies auch staatliche Unterstützung erfordern könnte, sei durchaus denkbar. Frei macht allerdings eine wichtige Einschränkung: „Aus meiner Sicht dürfte dies aber vorrangig für Medikamente und Impfstoffe gelten, also Dinge, die mit Blick auf notwendige Infrastruktur und Produktionsabläufe sehr aufwendig sind.“ Bei Masken könne er sich dies jedoch nicht vorstellen. Und weiter: „Wir haben ja auch im vergangenen Jahr gesehen, wie schnell Hersteller dafür eine Produktion aus dem Boden gestampft haben. Hier wäre es mit Blick auf den konkreten Pandemiefall eher angezeigt, eine nationale Reserve anzulegen, um Zeit bis zu deren Produktionsbeginn zu überbrücken.“