Die Inschrift verweist auf die Villinger Glockengießer-Dynastie.
Die Inschrift verweist auf die Villinger Glockengießer-Dynastie. | Bild: Van Gemmeren

Der Frankfurter Viktor van Gemmeren liebt das Stadtgeläut am Main. Dann erklingen, an vier hohen kirchlichen Festtagen, sämtliche Glocken der wichtigen Kirchen. Daher packte ihn der Ehrgeiz, als er beim Spaziergang eine relativ große Glocke auf einem Schrottplatz bemerkte. Er inspizierte sie und stellte fest, dass sie von dem Unternehmen Grüninger stammt. Grüninger war rund vier Jahrhunderte in Villingen ansässig und zog erst nach dem Zweiten Weltkrieg für wenige Jahre nach Strass bei Neu-Ulm.

Die Nummer könnte auf den ursprünglichen Standort der Glocke verweisen.
Die Nummer könnte auf den ursprünglichen Standort der Glocke verweisen. | Bild: Van Gemmeren

Van Gemmeren interessiert die Geschichte dieser Glocke, man findet sie ja auch nicht alle Tage und schon gar nicht auf Schrottplätzen, berichtet er am Telefon. Das von ihm entdeckte Stück trägt die Nummer 693. Es handelt sich um eine Weißbronzeglocke, die nach dem Zweiten Weltkrieg gegossen wurde. In der Gemeinde Rotenberg im Nordbadischen hat er zwei Glocken mit den Nummern 696 und 697 ausfindig gemacht. Diese tragen das Herstellungsdatum 1949.

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Doch schriftliche Zeugnisse sind rar gesät. Das liegt daran, dass bei der Insolvenz des Unternehmens Grüninger in den 1950er Jahren sämtliche Firmendokumente zerstört wurden. Auch Kontakte zum Geschichts- und Heimatverein und zum Stadtarchiv Villingen-Schwenningen halfen nicht weiter. Van Gemmeren würde gerne das genaue Herstellungsdatum der Glocke und vor allen Dingen die Gemeinde herausfinden, aus der sie stammt und dort auch benutzt wurde. Der Stundenschlaghammer habe deutliche Gebrauchsspuren hinterlassen.

Stammt sie aus katholischer Kirche?

Da auf der Glocke der Erzengel Michael zu sehen ist, könnte sie im Glockenturm einer katholischen Kirche geläutet haben. Van Gemmeren interessiert, warum die Glocke letztendlich weggegeben wurde, denn es ging auch anders: Er hat eine Gemeinde ausfindig gemacht, wo die alten Glocken nach dem Austausch in der Nähe der Kirche einen Ehrenplatz erhielten.

Die Glocke dürfte etwa 1200 Kilogramm schwer sein, berichtet Schrotthändler Horst Gärtner, auf dessen Gelände das Exemplar steht. Der Vater fuhr in den achtziger Jahren durch die Republik und sammelte Gegenstände wie Traktoren oder Glocken. Ursprünglich hätte für die Grüninger-Glocke ein Podest gebaut werden sollen. Sie sei keine reine Bronzeglocke, erläutert Gärtner, sondern weitere Materialien seien beigemischt. Es dürfte sich also nicht um eine Rarität handeln.

Aus Weißbronze

Grüninger goss nach dem Zweiten Weltkrieg solche Weißbronzeglocken, da sie günstiger herzustellen waren. Weil das Material weicher war, nutzte es allerdings auch schneller ab. Damals mussten in kurzer Zeit viele im Zweiten Weltkrieg eingeschmolzene Glocken erneuert werden. Das in Frankfurt gefundene Exemplar trägt die Inschrift „Herr gib den gefallenen Kriegern die letzte Ruhe“. Als Gießer ist Benjamin Grüninger mit dem Ort Villingen/Neu-Ulm vermerkt.

Glockengießer aus dem 16. Jahrhundert

Der Unternehmensname „Grüninger“ hat in VS-Villingen einen besonderen Klang. 1580 wurde die Gießerei von einem Hans Reble gegründet, 1645 übernahm der erste Grüninger den Betrieb. Auch im Münster und in der Benediktinerkirche hingen ursprünglich Grüninger-Glocken. Sie wurden aber ein Opfer der Säkularisation. Im Münster erinnert ein Glockenspiel an die legendären Glockengießer.