Wenn Franco Moretti spricht, bilden sich kleine Sorgenfalten auf seiner Stirn. Dabei läuft es gut in seinem Restaurant Camilli da Moretti. Die Gäste kommen, die Nachfrage ist da, sagt er. „Eigentlich kann ich mich nicht beklagen.“ Eigentlich. Denn: Ein großes Problem gibt es schon. Ihm fehlt das Personal.

So wie Moretti geht es momentan vielen Restaurant-, Café-, und Hotelbesitzern. Ihnen fehlen Leute, die abräumen, die Gerichte kochen, spülen, Betten beziehen, Reservierungen entgegennehmen und Gäste bedienen. Eben jene, die unsichtbar im Hintergrund immer da waren.
„Kennen Sie einen Koch“
Und das obwohl die Beschäftigungszahlen kaum abgenommen haben. Denn: Nach den aktuellsten Zahlen, die sich auf 2021 beziehen, arbeiteten in der Gastronomie im Schwarzwald-Baar-Kreis rund 2310 Menschen.
Wie ernst ist die Lage also? „Durchaus ernst“, sagt Moretti und fragt: „Kennen Sie einen Koch?“ Köche sucht er nämlich ganz dringend. „Wir suchen überall, im Internet, über Bekannte.“ Aber gute Köche oder überhaupt gelerntes Fachpersonal, das findet er nicht.
Ruhetag, geschlossenes Café, fehlende Gäste
Um seine Mitarbeiter vor unzähligen Überstunden zu schützen, hat Moretti jetzt einen zusätzlichen Ruhetag – am Mittwoch – eingeführt. „Anders geht es nicht“, sagt er.
Nur gut 35 Meter von Moretti entfernt tigert Daniel Richter, Inhaber der Genussmanufaktur, durch seine Küche. Auch wenn er das so direkt nicht sagt. Auch wenn er betont, „gut durch die Krise gekommen“ zu sein – musste er kürzlich sein Café in der Gestalterbank am Riettor schließen. Nach gerade einmal einem Dreiviertel-Jahr.

Ist der Fachkräftemangel schuld? „Nein“, sagt Richter. Nein, das Personal sei noch da. Doch die Gäste hätten gefehlt. „Jeden Monat“, sagt er, „hatten wir Umsatzeinbußen.“ So starke Einbußen, dass er das Café sogar eine „Geldverbrenn-Maschine“ nennt.
Wenn Richter von seinem Job erzählt, leuchten seine Augen. „Essen muss begeistern“, sagt er, während seine Hände durch die Luft gleiten und imaginäres Gemüse schneiden, imaginäre Ravioli anrichten und einen imaginären Nachtisch kredenzen.
Und er sagt Sätze wie: „Wenn ich eine Suppe koche, und ich sehe das Grinsen in ihren Augen, dann bedeutet mir das viel.“ Oder: „Kochen ist Kunst. Und Leidenschaft.“
Vermehrte Kundenanfragen
Ob es ihn da nicht traurig mache, dass er jetzt sein Café schließen musste? Dass er jetzt einen Ort weniger hat, an dem er seine Leidenschaft teilen kann? Richter schüttelt den Kopf. Er hätte ja noch die Kochschule und das Catering – und da erlebe er das andere Extrem. Da sei momentan eigentlich „alles zu viel, zu intensiv“, sagt er.
„Hungrig nach Veranstaltungen“
Wo er früher für ein Wochenende fünf Kundenanfragen bekam, seien es inzwischen im Durchschnitt 15. „Jeder ist hungrig nach Veranstaltungen. Aber so viel können wir gar nicht catern.“ Und was das Teilen von Leidenschaften angehe: „Da stärken wir die Gastronomie im Augenblick.“
Soll heißen: Richter produziert Gerichte und Beilagen für andere Restaurants – und unterstützt so alle, die keine Köche finden.
Kämpft um seine Mitarbeiter
Auch Michael Weißer vom Hotel Rindenmühle weiß, wie schwierig die Situation momentan ist. „Seit Beginn der Pandemie haben wir darum gekämpft, keine Mitarbeiter zu verlieren.“ Als Weißer das erzählt, merkt man, wie sehr sie ihm am Herzen liegen. Persönlich. Und menschlich.

Als er gezwungen war, seine Mitarbeiter in Kurzarbeit zu schicken „haben wir das Kurzarbeitergeld privat aufgestockt, damit sie weiterhin 100 Prozent ihres Gehalts hatten.“ Damit sie Miete und Lebenshaltungskosten stemmen konnten.
„Und ich denke, das ist uns zugutegekommen – es gab sicherlich Betriebe, die ihre Mitarbeiter trotz der Notsituation sich selbst überlassen haben.“ Betriebe, die jetzt womöglich händeringend nach Arbeitskräften suchten. „Und auch wir merken, dass die Bewerbungen zurückgehen. Dass es nicht leicht ist, gutes Personal zu finden.“
Köche gelten als cool, Servicekräfte nicht
Besonders im Service-Bereich. Weil Kochshows im Fernsehen boomen, „weil man mit Köchen coole Typen verbindet. Kreative, die sich austoben können“ – landen auf seinem Schreibtisch immer mal wieder Bewerbungen für die Küche. Doch für den Service kaum.
„Das ist aber auch ein Bereich, der in der Gesellschaft kaum wahrgenommen wird. Und das war schon vor Corona so.“ Überhaupt sei der Mangel an Fachkräften nichts Pandemie-Gemachtes, so Weißer.

Und so auch Michael Steiger, Kreisvorsitzender des Hotel- und Gaststättenverbandes Dehoga: „Uns fehlen nicht mehr und nicht weniger Arbeitskräfte als den Handwerksbetrieben auch. Und das ist eigentlich ein gesellschaftliches Problem, weil die Lehre, die Ausbildung, an Wert verloren hat.“
Warum der Personalmangel auch eine Chance ist
Für Weißer ist die jetzige Krise deshalb vor allem eins: Eine Chance. „Überall geregelte Arbeitszeiten einzuführen.“ Auf faire Entlohnung und Wertschätzung zu achten, sagt er. Denn: „Als Branche hat uns das schon einen schlechten Ruf eingebracht, dass nicht alle Betriebe auf faire Arbeitsbedingungen gesetzt haben.“ Doch: Jetzt müssten sie es, um ihr Personal zu halten.