Seit Mitte Dezember sind auch die Friseure geschlossen. Die Branche, die letztes Jahr noch lange öffnen durfte, leidet inzwischen ebenfalls unter dem Lockdown, hat Existenzsorgen. Doch nicht nur die Haarkünstler und Hairstylisten leiden. Sondern auch deren Kundschaft. Bei diesen weniger aus wirtschaftlichen denn aus seelischen Ursachen. Manche Frau und mancher Mann kann sich beim Blick in den Spiegel nur noch schwer ertragen. Und viele fragen sich, wie lange das noch weitergeht. Vermissen die Menschen ihren Figaro? Der SÜDKURIER hat nachgefragt.

Margot Schaumann fühlt sich „in Ehren ergraut“.
Margot Schaumann fühlt sich „in Ehren ergraut“. | Bild: privat

„Ja, ich vermisse es sehr“, bestätigt Margot Schaumann. Sie hat nun aus der Not eine Tugend gemacht und ihrem Haar seinen natürlichen Lauf gelassen. Strähnchen ade, die wahre Haarfarbe ist jetzt ans Licht gewachsen. „Ich bin in Ehren ergraut“, sagt die 71-jährige Villingerin ohne Bedauern.

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Damit die Facon nicht ganz verloren ging, „habe ich selbst etwas dran rumgeschnibbelt, ebenso eine Freundin“, berichtet Margot Schaumann Und das Resultat? „Es ging einigermaßen“, findet sie. Die Frisöre sollten ihrer Meinung nach ab dem 15. Februar wieder öffnen dürfen. Bei Umsetzung eines ordentlichen Hygienekonzepts wie im vergangenen Jahr hat sie keine Infektionsbedenken. Außerdem sei der Friseurbesuch, besonders für Frauen, ein echter Stimmungsaufheller. Schaumann: „Wir Frauen kommen ja alle glücklich vom Friseur nach Hause.“

Karl-Heinz Senn sehnt sich dringend nach einem Haarschnitt.
Karl-Heinz Senn sehnt sich dringend nach einem Haarschnitt. | Bild: privat

„Ich war vermutlich im Oktober zum letzten Mal beim Frisör“, berichtet Karl-Heinz Senn aus der Villinger Waldstraße. Angesichts seiner Haarpracht sieht er dringenden Handlungsbedarf. Senn hat daher schon bei Arbeitskollegen rumgefragt, wie sie mit der Misere umgehen. Der ein oder andere, so hat er erfahren, hat Beziehungen zu einer Fachkraft, die auch privat schneidet. Doch bevor er diese Option zieht, will er abwarten, wie es nach dem 14. Februar mit den Corona-Einschränkungen weitergeht. Vielleicht kommt ja noch eine Lockerung, so hofft er. Seine Frau vertröstet er mit dem der Erkenntnis: „Langer Lockdown, lange Haare.“ Er fände es gut, wenn die Coiffeure bald wieder öffnen dürften. Angst, sich beim Frisör anzustecken, hat Senn in keiner Weise. Sein Stammsalon in Schwenningen, berichtet er, habe im letzten Jahr ein „tolles Hygienekonzept“ umgesetzt. Dort fühle er sich sicherer als im Gedränge des Edeka-Centers in Villingen.

Veronique Ballof lässt ihr Haar einfach wachsen.
Veronique Ballof lässt ihr Haar einfach wachsen. | Bild: privat

„Frauen und Haare ist noch ein kritischeres Thema als bei Männern“, urteilt Veronique Ballof aus Schwenningen. Im ersten Lockdown habe sie die vorübergehende Schließung der Salons relativ leicht hingenommen, berichtet die Stadträtin. Jetzt fällt ihr der staatliche Einschnitt beim Haarschnitt deutlich schwerer. „Ich rutsche so langsam in einen depressiven Alltag“, sagt die fünffache Mutter. „Beim Friseur tun wir Frauen uns was Gutes“, weiß sie. Es sei daher schon frustrierend, dass dieser Wohlfühlfaktor wegfällt. Eigene Maßnahmen zur Hairstyle-Optimierung ergreift Veronique Ballof aber nicht. „Ich mache gar nichts!“ Und sie lehnt es auch kategorisch ab, sich professionelle Hilfe zu organisieren. Insofern nimmt sie den Lockdown und dessen haarige Ergebnisse mit Gleichmut. Ihr schwant: „Wenn es nach lange geht, werden meine Haare immer grauer und zehn Zentimeter länger sein.“

Alexander Brüderle empfiehlt für Notfälle Kappen oder Stirnbänder.
Alexander Brüderle empfiehlt für Notfälle Kappen oder Stirnbänder. | Bild: privat

Für Alexander Brüderle ist die Haarfrage kein persönliches Top-Thema. Zum einen, weil er das Glück hatte, kurz vor dem letzten Lockenschnitt noch beim Haareschneiden gewesen zu sein. Zum zweiten hat der stellvertretende Zunftmeister der Narrozunft für närrische Filmaufnahmen sein Haar jüngst noch einmal nachschneiden lassen müssen. Von einer „Lockdown-Matte“ ist er noch weit weg. Und zum dritten, stellt er fest: „Ich bin nicht eitel.“ Auch ein weiterer wochenlanger Lockdown würde ihn hairstylisch nicht aus dem Gleichgewicht werfen. Mit „Stirnbänder und Kappe“ würde er überbordendes männliches Haupthaar kaschieren.

Ulrike Heggen trägt im Freien inzwischen gerne eine Mütze.
Ulrike Heggen trägt im Freien inzwischen gerne eine Mütze. | Bild: privat

In normalen Zeiten geht Ulrike Heggen alle sechs Wochen zum Friseur. „Es wäre jetzt echt wieder an der Zeit“, sagt die Stadträtin, deren freche Kurzhaarfrisur unleugbar langsträhniger wird. Was also tun? „Wenn ich rausgehe, ziehe ich eine Mütze auf“, verrät sie. Ansonsten betreibt sie morgens erhöhten Aufwand, um sich zu richten. Und als ultima ratio: „Zur Not muss man dann halt mal einen Haargummi nehmen.“ Von der Idee, die Friseursalons früher zu öffnen als andere Einzelhandelsgeschäfte, hält sie aus Gründen der Gleichbehandlung nichts. Ein Einzelhandels-Lockdown bis Ostern, findet sie, „wäre für alle eine Katastrophe“. Indes: Eine baldige Öffnung des Haarschneide-Handwerks fände auch Ulrike Heggen allein aus mentalen Gründen erbaulich: „Wenn man in den Spiegel schaut und sich beknackt findet, träg das sicher nicht zur Hebung der Stimmung bei.“

Dominik Schaaf sah sich schon zu Sofortmaßnahmen veranlasst.
Dominik Schaaf sah sich schon zu Sofortmaßnahmen veranlasst. | Bild: privat

„Ich hoffe, dass es bald zu einem Lichtblick im Einzelhandel kommt“, sagt Dominik Schaaf. Normalerweise könnte der Chef der Villinger Katzenmusik in der fünften Jahreszeit sein Haupthaar leicht tarnen. „Für uns wäre jetzt eigentlich Kappenzeit“, erinnert er an die Fasnet. Doch auch die Kappenzeit wurde Corona-Opfer. Deshalb sah er sich schon veranlasst, gegen seine wuchernde Haartracht vorzugehen. Die Absicht, unter Anleitung einer Bekannten über Video-Instruktionen selbst Hand anzulegen, hat er aber rechtzeitig abgebrochen. Sein Lebensgefährte habe es dann sicherheitshalber übernommen, mit Schere und Schneidegerät die Facon zu erneuern, berichtet Schaaf.