Es war ein Streit unter betrunkenen Männern in einer Wohnung in Villingen gewesen. Er endete beinahe tödlich für einen heute 39-Jährigen. Ein 62-Jähriger hatte dem Mann damals sieben gefährliche Messerstiche in Hals, Rücken und Schulter versetzt. Das Opfer selbst hatte immer von acht gesprochen. Nun hat die Strafkammer des Landgerichts Konstanz ihr Urteil über diese Tat gesprochen.
Das Gericht geht darin davon aus, dass der 62-Jährige den Tod des Jüngeren billigend in Kauf genommen hat (bedingter Tötungsvorsatz). Es verurteilt den Mann zu drei Jahren und sechs Monaten Haft. Der Verteidiger Hartung Schreiber sieht die Rechtslage ganz anders. Er fordert eine Bewährungsstrafe. Revision gegen das Urteil ist möglich.
Das blutige Drama hatte sich im Dezember vergangenen Jahres abgespielt. Der 62-Jährige hatte einen heute 39-Jährigen in seine Wohnung mitgenommen. Beide tranken viel.
In der Nacht gerieten sie in Streit. Der Jüngere packte einen Stuhl, ging mit den Beinen voran auf den Älteren los. Dem heute 62-Jährigen gelang es, ein Messer zu greifen und den Angriff abzuwehren. Er stieß den Mann mit dem Stuhl weg, dieser fiel mit dem Kopf auf die Kante einer Kommode und blieb erst einmal auf dem Boden liegen.
Regungslos auf dem Boden gelegen
Richter Arno Hornstein sagte dazu, die Kammer nehme nicht an, dass der 62-Jährige die Kopfwunde bewusst wahrgenommen habe. Der Gegner sei aber „regungslos“ auf dem Boden gelegen.
Der 62-Jährige habe den Jüngeren dann mit dem zwölf Zentimeter langen Messer am Hals gestochen. Er sei dabei wahrscheinlich nicht mit Wucht vorgegangen, es sei aber auch kein Kratzer gewesen, wie der Angeklagte sagte, stellte der Vorsitzende Richter Hornstein fest. Gefährlich sei der Schnitt allemal gewesen, denn er hätte die Hauptschlager oder die Luftröhre treffen können.
Weitere sechs Messerstiche folgen
Doch damit war das Drama nicht zu Ende. Nach Überzeugung des Gerichts zog der Angeklagte den Regungslosen an der Kapuze seines Pullis auf den Flur des Hauses. Er soll ihm die Schuhe und die Jacke hinterher geworfen haben. Als sich der Verletzte aufzurappeln versuchte habe, habe ihm der Angeklagte von hinten weitere sechs Stiche versetzt.
„Da kommt man an dem Tötungsvorsatz nicht mehr vorbei“, sagte Arno Hornstein. Die Kammer habe keine Notwehr erkennen können. Es gebe keinerlei Beweis dafür, dass der Angriff des Verletzten unmittelbar vorgestanden habe.
Das Urteil entspricht der Einschätzung der Staatsanwaltschaft. Auch sie war von versuchtem Totschlag und gefährlicher Körperverletzung ausgegangen, und hatte vier Jahre Haft gefordert. Sie kam zu dem Schluss, der 62-Jährige habe erst aufgehört, mit dem Messer zu stechen, als sich das Opfer nicht mehr bewegt habe. Dabei wäre dieses gar nicht mehr in der Lage gewesen, nochmals einen Angriff zu starten.
„Wie Müll“ verletzt in den Hausflur geworfen
Das Schicksal des Geschädigten sei dem 62-Jährigen egal gewesen. Er habe diesen „wie Müll“ im Hausflur entsorgt. Er habe auch nicht die Polizei gerufen, sondern erst einmal seine Wohnung und das Tatmesser sauber gemacht.
Der 39-Jährige habe überlebt, weil Nachbarn die Retter verständigten. Positiv wertet die Staatsanwaltschaft die Kooperationsbereitschaft des Angeklagten, und dass die Wunden des Verletzten relativ schnell verheilten. Negativ schlage zu Buche, dass der Angeklagte wegen Todesdrohungen vorbestraft war und zum Tatzeitpunkt unter Bewährung stand.
Der Verteidiger Hartung Schreiber konnte nur eine gefährliche Körperverletzung erkennen. Er fordert zwei Jahre Haft, die zur Bewährung ausgesetzt werden sollten. Sein stärkstes Argument: Das Opfer überlebte. Schreiber sagte: Wenn der Angeklagte dieses hätte wirklich töten wollen, dann wäre es leicht gewesen, dies auch zu tun.
„Ich wollte ihm keine Wunden und Verletzungen zufügen. Ich wollte ihn nur abschrecken.“Der angeklagte 62-Jährige
Zur Situation in der Wohnung stellte der Verteidiger fest: Der Angeklagte habe um sein Leben gebangt. Er habe sich nicht anders zu helfen gewusst, als dem Jüngeren ein Messer in den Hals zu stechen.
Anwalt sieht keine Tötungsabsicht
Damals sei sein Mandant in einer psychischen Ausnahmesituation gewesen. Er haben den Jüngeren auch nicht töten wollen, als er ihn später im Hausflur sechs Mal in den Rücken und die Schultern stach.
Positiv sei zu berücksichtigen, dass sein Mandant sein Alkoholproblem in den Griff bekommen habe und seit der Tat straffrei lebe. Der Angeklagte hatte selbst angegeben, über viele Jahre jeweils zwei Flaschen Wein an einem Abend getrunken zu haben. Seit März rühre er keinen Alkohol mehr an.
Der Angeklagte betonte zum Schluss unter Tränen: „Ich wollte ihm keine Wunden und Verletzungen zufügen. Ich wollte ihn nur abschrecken.“ Er bat um Verzeihung. „Ich mache das nie wieder.“ Sein Gesundheitszustand sei zudem sehr schlecht. „Ich weiß nicht, wie lange ich noch lebe.“