1: Wie Schulen in Dörfern den Ort tragen

Die Argumente aus den Ortschaften sind nicht nur pro Erhalt der Schule formuliert. Vielmehr sorgen sich die Verantwortlichen um den Fortbestand des kommunalen Lebens. Anja Keller aus Tannheim hat besonders einprägsam formuliert, wie 20 Tannheimer Vereine von der Schule am Ort profitieren.

Schule im Ort schließen? Familie Merz aus Tannheim geht vor der Tonhalle in Position.
Schule im Ort schließen? Familie Merz aus Tannheim geht vor der Tonhalle in Position. | Bild: Trippl, Norbert

Der Musikverein und die Fußballer und alle anderen rekrutierten dort ihren Nachwuchs – aber eben nicht nur: Umgekehrt brächte sich die Ortsgemeinschaft vielfach in die Gemeinden ein, wenn sich wiederum die Vereine besonders um den baulichen Erhalt oder auch um den gesellschaftlichen Faktor etwa bei Schulfesten kümmerten. Merksatz: Vereinsleben ist in den Ortschaften auch heute noch sehr persönlich und familienübergreifend.

2: Gilt der Vertrag zwischen Ort und Stadt?

Wiederum war es Anja Keller für Tannheim, die den Eingemeindungsvertrag nach Villingen-Schwenningen ins Gespräch brachte. Unter Paragraf 14, Absatz eins, wird der Ortschaft der Bestand der Einrichtung so zugesichert: „Die den Schulen zur Verfügung stehenden Mittel werden mindestens im bisherigen Umfang und unter Berücksichtigung der jeweiligen Schülerzahl gewährleistet“ heißt es darin.

Anja Keller spricht als Ortsvorsteherin von Tannheim- und wird für ihre Rede gefeiert.
Anja Keller spricht als Ortsvorsteherin von Tannheim- und wird für ihre Rede gefeiert. | Bild: Hans-Jürgen Götz

Die Frage kommt auf: Will die Stadt den Vertrag mit den Tannheimern nun brechen, dies im Jubiläumsjahr 2022 zu 50 Jahren VS beschließen und dann 2023 die Schließung vollziehen? Und das Ganze vor der Kommunalwahl 2024? In Tannheim keimt der Ärger auch deshalb auf: Zur Eingemeindung am 1. April 1972 habe der Ort große Waldungen in die Stadt eingebracht, erinnert die Ortsvorsteherin. Anja Keller unterstreicht: „Mit dem Verkauf des Holzes aus diesen Wäldern ist die Schule bis heute dreimal bezahlt.“

OB Jürgen Roth maßregelt während der Debatte zu den Schulschließungen mehrfach Eltern in der Halle. Sie hatten einzelne Redner beklatscht.
OB Jürgen Roth maßregelt während der Debatte zu den Schulschließungen mehrfach Eltern in der Halle. Sie hatten einzelne Redner beklatscht. | Bild: Hans-Jürgen Götz

3: Ist im Gemeinderat bereits die Mehrheit formiert?

Wie tickt nun den Gemeinderat: Gudrun Furtwängler (CDU), Nicola Schurr (SPD) und Ulrike Merkle (Die Grünen fielen mit kritischen Fragen an die Ortschaftsvertreter auf. Besonders aber Joachim von Mirbach. Der Grünen-Fraktionssprecher wollte von Rietheim wissen, ob man sich dort schon einmal über die Qualität des örtlichen Schulangebots Gedanken gemacht habe.

Stefan Assfalg leitet die städtische Schulbehörde.
Stefan Assfalg leitet die städtische Schulbehörde. | Bild: Hans-Jürgen Götz

Zusammengefasst – lässt sich aus diesen Fragen etwa eine Mehrheit für den Schulentwicklungsplan und die Schließung der drei Dorfschulen addieren – CDU und SPD und Grüne? In den Ortschaften gibt man sich kämpferisch: Die Fraktionen stimmten letztlich wohl nicht geschlossen ab, wird vermutet.

4: Eine Partei positioniert sich am Tag danach

Eine Partei hat sich am Tag nach dem so genannten Gedankenaustausch positioniert: Die FDP will die Schulen im Dorf lassen.

Frank Bonath, FDP
Frank Bonath, FDP | Bild: FDP BW

Frank Bonath ist Stadtrat, Landtagsabgeordneter und Familienvater. Er sagt: „Eine Grundschule im Dorf ist besser als jedes Programm, um dörfliches Leben zu erhalten. Auch die aktuellen Geschehnisse in der Ukraine beeinflussen die Schulentwicklung. Vermutlich ist das Konzept wegen dem Flüchtlingsstrom, mit dem viele kleinere Kinder zusätzlich zu uns kommen, bereits jetzt überholt und muss auf diese schrecklichen, neuen Gegebenheiten angepasst werden.“

Kathrin Piazolo, FDP
Kathrin Piazolo, FDP | Bild: www.jenshagen.info

Zu den Absichten der Stadt, die Schulgrenzen aufzulösen, sagt die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Kathrin Piazolo: „Die geplante Aufhebung der Schulbezirke würde bedeuten, dass jedes Kind einer bestimmten Schule zugewiesen wird und damit auch an sie gebunden ist. Dies wäre ein massiver Rückschritt, nicht nur für die Kinder, sondern auch für die Eltern, die sich neu organisieren müssten. Vor zwölf Jahren hat man in Villingen-Schwenningen die Schulbezirke vergrößert, um den Schulen die Möglichkeit zu geben ein eigenes Profil zu entwickeln.“

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Piazolo fährt fort: „Wir machen eine Rolle rückwärts, die für die Familien eine unzumutbare Freiheitsbeschränkung bedeutet. Wir nehmen den Eltern die Möglichkeit, selbst die beste Wahl für ihr Kind zu treffen.“

5: Wie es weitergehen soll und was die Eltern planen

Die Verwaltung will den Schulentwicklungsplan im Frühsommer im Verwaltungsausschuss debattieren lassen. Im Herbst, so das Ziel, könnte der Gemeinderat final entscheiden.

Was meinen die Eltern? Ein Plakat mit einem stummen Vorwurf an die Stadtverwaltung.
Was meinen die Eltern? Ein Plakat mit einem stummen Vorwurf an die Stadtverwaltung. | Bild: Trippl, Norbert

Der Gesamtelternbeirat hat bereits im Vorfeld über seinen Sprecher Tino Berthold dahingehend erklärt, dass das Gremium ein Schlichtungsverfahren vor dem Regierungspräsidium anstrengen wolle.

Den Gedankenaustausch verpasst?

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