VS-Villingen Manchmal ist es einfach so: Man geht hundertmal an einer Sache, einem Gebäude oder wie in diesem Fall an einem Denkmal vorbei, um erst irgendwann später die Bedeutung zu erfassen. So geschehen dieser Tage, als das Villinger Gymnasium am Romäusring zum Tag des offenen Denkmals eingeladen hatte. Nachdem der ehemalige Schulleiter Friedemann Schmidt so manche Besonderheit des Gebäudes und der Entwicklungsgeschichte der Lehranstalt erzählt hatte, blieb man am Ende der Führung hängen an einem Denkmal, das den Flur des Erdgeschosses ziert. Eine dort installierte Heldengedenktafel fordert den Betrachter zum Denken auf.
„Nur wer die Vergangenheit kennt, kann die Gegenwart verstehen und die Zukunft gestalten“: Dieser Satz von August Bebel, einer der Begründer der deutschen Sozialdemokratie, gewinnt mehr an Bedeutung angesichts dieses Denkmals, das zu Nazizeiten in den Fluren des Villinger Gymnasiums installiert wurde. Insbesondere mit Blick auf die aktuelle politische Lage und die um sich greifenden Abkehr von den demokratischen Werten, die diesem Land und Europa mehr als 80 Jahre Frieden beschert haben.
Mit dem Spruch „Blüh‘ Deutschland überm Grabe mein, jung, stark und schön als Heldenhain“ erinnert dort ein 1934 von den Nationalsozialisten installiertes Denkmal an die im Ersten Weltkrieg gefallenen Lehrer und Schüler der Schule. Man feierte 1934 das 25-jährige Bestehen der Schule am Romäusring und die Installation dieses Heldendenkmals stand damals im Mittelpunkt der Jubiläumsfeiern. Gleichzeitig diente dieses den Heldentod verehrende Denkmal den nach der Machtübernahme regierenden Nazis längst schon wieder als Einstimmung auf erneute Heldenverehrung und zur Vorbereitung auf den nächsten großen Krieg, der in der Folge unendliches Leid über die deutsche Bevölkerung und über die Menschen der überfallenen Völker brachte.
Dem gegenüber nennt das ebenfalls als Denkmal konzipierte Holzkreuz daneben zwar die Namen der im Zweiten Weltkrieg gefallenen Lehrer und Schüler, ist aber ohne heroisierende Aussagen und ohne Heldenverehrung dem Gedenken dieser gefallenen Menschen gewidmet, die man nicht vergessen sollte.
Der damals 18-jährige Ulrich Schnitzer, Schüler der Unterprima und heute angesehener Professor, hatte in einer lediglich mit dem Hausmeister des damaligen Realgymnasiums abgestimmten Nacht- und Nebelaktion die bis dahin lediglich auf Papier geschriebenen Namen der im Zweiten Weltkrieg gefallenen Lehrer und Schüler in ein Holzkreuz gebrannt, um so das Gedenken an die meist jungen Menschen, welche im Krieg ihr Leben verloren hatten, zu bewahren.
Aktuell überlegt man an der Schule, wie Schulleiter Jochen von der Hardt erklärte, inwieweit man – um Missdeutungen vorzubeugen – einen erklärenden Text gestalten und zwischen beiden Denkmälern platzieren kann, um über die verschiedenen Ansätze von Totengedenken aufzuklären.