Nordstetten will nur eins: Die Ortsdurchfahrt soll raus aus den Plänen für den Lückenschluss der Bundesstraße 523 Richtung Mönchsee. Das Regierungspräsidium plant mit der Kreisstraße durch den Ort als Zu- und Abfahrt auf die B523 und damit auch Richtung Autobahn.

Die Bürger von Nordstetten können es kaum glauben. Das Projekt Lückenschluss soll ihrer Hauptstraße viel mehr Verkehr bringen. Grotesk mutet das im Ort auch deshalb an, weil der Lückenschluss der Bundesstraße 523 vom Villinger Neuen Markt Richtung Mönchsee und der dort verlaufenden Bundesstraße 33 mittlerweile auch einen neuen Namen trägt.

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„Ortsumfahrung Villingen“ nennt das planende Regierungspräsidium das Straßenbauprojekt mittlerweile. Weshalb die Ortsumfahrung Villingen nun Nordstetten mit Zubringerverkehr schädigen soll? Keiner weiß es. Der Ort formiert sich in einer Bürgerinitiative.

Nordstettener Bürger sind gegen mehr Verkehr in ihrem Ort. Sie befürchten eine Anbindung an die Bundesstraße 523 und die daraus ...
Nordstettener Bürger sind gegen mehr Verkehr in ihrem Ort. Sie befürchten eine Anbindung an die Bundesstraße 523 und die daraus resultierenden Folgen. | Bild: Trippl, Norbert

Wissen die Planer im Präsidium, was sie im Detail aufführen? Diese Frage stellten die Norstettener jetzt dem FDP-Landtagsabgeordneten Frank Bonath. Etwa 30 Einwohner waren gespannt, was Bonath berichten kann.

Der Vertreter der liberalen Partei sagte eingangs des Abends, für ihn sei klar, dass der Lückenschluss kommen müsse. Das Projekt sei wichtig für die Arbeitsplätze im Schwarzwald. Bonath machte klar, dass das Vorhaben – bei geschickter Planung – die Region voranbringen könne.

Martina Braun und Frank Bonath in Nordstetten: lesen Sie, wie sich die beiden Landespolitiker bei ihren Besuchen schlagen.

Weiter trat er als vernetzter Politiker auf. Ins Bundesverkehrsministerium hat er offenbar einen kurzen Draht. Dort ist sein Parteifreund Volker Wissing Minister der Ampelregierung. Und: Der frühere OB von Horb am Neckar ist heute parlamentarischer Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium. Bonath schilderte, dass er Theurer gebeten habe, den Stand des Projekts zu prüfen. Ergebnisse gebe es noch keine, das könne „ein paar Wochen dauern“, meinte Bonath.

Der Landespolitiker vor Ort: Frank Bonath besichtigt mit der Bürgerinitiative eine Straße.
Der Landespolitiker vor Ort: Frank Bonath besichtigt mit der Bürgerinitiative eine Straße. | Bild: Trippl, Norbert

Der Wirtschaftsprüfer aus dem Oberzentrum präsentierte sich in Nordstetten als Politik-Frischling. Auf dem überregionalen Parkett versuche er, die Abläufe zwischen den Behörden und Institutionen zu durchschauen, schilderte er. Für den Lückenschluss bei Villingen rechne er noch mit etwa fünf Jahren, bis das Planfeststellungsverfahren abgeschlossen sein könnte. Eine insofern bemerkenswerte Äußerung, weil der hiesige CDU-Bundestagsabgeordnete Thorsten Frei etwa zwei Jahre zuvor gesagt hatte, ab 2027 könnten bereits Autos auf der Lückenschluss-Strecke rollen.

Die Nordstetter schwanken an solchen Abenden zwischen breitem Grinsen und Empörung. Ein wenig höhnisch wird die Stimmung an diesem Abend im Nordstetter Hof, als die Runde dem Landtagsabgeordneten klar machen muss, wie lange der Weiterbau der Bundesstraße 523 vor Villingen schon debattiert werde: „40 Jahre“, sagt einer. „Es sind 50“, grummelt ein anderer aus dem Hintergrund.

Ernst Reiser (rechts) positioniert sich eingangs des Abends für seine Nachbarn. Frank Bonath (hinten rechts) sitzt nur zu Beginn am Tisch.
Ernst Reiser (rechts) positioniert sich eingangs des Abends für seine Nachbarn. Frank Bonath (hinten rechts) sitzt nur zu Beginn am Tisch. | Bild: Trippl, Norbert

Empörung macht sich immer breit, wenn Ernst Reiser eine seiner Ausführungen in den Saal nagelt. Der langjährige Stadt- und Kreisrat von Villingen hat auch fast 40 Jahre VS-und Kreispolitik auf dem Buckel.

Nordstetten soll frei bleiben vom Umwidmen der Ortsdurchfahrt Richtung Autobahn. Reiser steht wie ein Felsquader, wenn er, beklatscht von seinen Mitstreitern, feststellt: „In Nordstetten herrscht eine tiefe Fassungslosigkeit. Wir sind schockiert und wütend über die nicht nachvollziehbare Vorgehensweise des Regierungspräsidiums.“

Applaus überschmettert seine Worte. Dann geht es weiter: „War es im Regierungspräsidium nicht bekannt, dass es an unserer Straße Häuser gibt, in denen Menschen leben? Oder war es so, dass das zwar bekannt, aber egal war?“

Bevor Ernst Reiser endgültig außer Rand und Band gerät, knipst seine Frau fürsorglich das Licht aus. Nun soll anhand eines Plans gezeigt werden, wie überflüssig die Umwidmung der Kreisstraße durch Nordstetten in einen Autobahnzubringer ist.

Reiser schimpft und die Bürger applaudieren

Ernst Reiser setzt sich tatsächlich. Er bebt zwar, aber seine Aufwallung wird von der Dunkelheit verschluckt. Es ist eine Stimmung wie früher bei Dia-Abenden. Alle sitzen im Dunkeln und reden über die gezeigten Bilder.

Frank Bonath erzeugt an dem Abend auch ein Stück weit Irritation. Er bringt den Satz mit, dass das Regierungspräsidium überhaupt keine Anschlüsse plane. Dies habe er direkt aus der Behörde so gesagt bekommen. Dem gegenüber steht dreierlei.

  1. Die Kreisstraße 5709 ist auf der Projekt-Homepage im Internet als Anbindungsstrecke ausgewiesen.
  2. Ein offizieller Sprecher der Behörde sagte zum SÜDKURIER im Frühjahr klipp und klar, dass die K5709 und damit die Straße durch Nordstetten als Zu- und Anfahrt nun in die Planungen aufgenommen sei. Die Behörde prüft damit, inwieweit sich Verkehrsströme verändern, wenn die Straße eine Zu- und Abfahrt an die Lückenschluss-Strecke bekäme.
  3. Im offiziellen Projektplan steht die K5709 ganz unübersehbar mit der Landesstraße 178 als eine von zwei Zu- und Abfahrten auf der Lückenschlusstrecke zwischen Neuem Markt und Mönchsee.

Anbindungen aus Villingen und Mönchweiler

Weitere Zu- und Anfahrten kommen außerhalb dieser Trasse: Mönchweiler und die Peterzeller Straße werden nach derzeitigem Stand am Bundesstraßenknoten angebunden. Also dort, wo die Ausbaustrecke auf die B33 trifft. Und: Eine zweite Zu- und Abfahrt wird im Bereich des Neuen Marktes auf die bestehende B523 erfolgen. Also dort, wo heute die Straße aus Villingen heraus bei der Gärtnerei Späth hoch aufs Wiesengelände führt und dann nach einem Linksknick als Bundesstraße 523 Richtung Rottweil und Autobahn weiterführt.

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Diese Anbindungen wie auch die der Peterzeller Straße sind wohlgemerkt außerhalb der Neubaustrecke. Inwieweit sich der Bund als Bauherr des Lückenschlusses an diesen Projekten, vor allem an den Finanzierungen beteiligt? Klar ist nur, dass zur Gesamtrechnung der Bundesstraßenknoten vor dem Villinger Kurgebiet gehört. Und die Anbindung Peterzeller Straße?

Verschwunden aus den Planungen ist die Drachenloch-Anbindung. Diese ließe sich als Stichstraße geradeaus an der neuen Araltankstelle bei Jenoptik geradeaus ins Wiesenland herstellen. Weshalb diese Route kein Thema mehr ist? Die Stadt VS müsste wohl diese Strecke bezahlen. Und: Erst vor Jahresfrist scheiterte in Schwenningen in ähnliches Vorhaben an erklecklichen Kosten über 10 Millionen Euro. Das Gewerbegebiet bei Waldmann sollte eine Direktanbindung an die dort verlaufende Bundesstraßenstrecke erhalten sollte.

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Frank Bonath will nun noch einmal nachrecherchieren: Vermutlich meint das Präsidium lediglich, dass die Anbindungen des Lückenschlusses derzeit nicht weiter im Detail geplant werden, stattdessen auf ihre Effekte auf die Verkehrsströme in Villingen hin untersucht werden.

Nordstetten ist noch lange nicht am Ziel, dass die Straße durch den Ort wieder aus den Lückenschlussplänen verschwindet. Der Kampf gegen die Planungen geht weiter. Am Abend mit Frank Bonath wurde betont: „Notfalls klagen wir bis in die letzte Instanz“, wie es Ernst Reiser formulierte.