Neue Töne des Widerstands aus Nordstetten: Seit der SÜDKURIER die Pläne zur Anbindung an die Bundesstraße 523 vom Neuen Markt bis zum Mönchsee enthüllt hat, ballt sich der Ärger im Weiler vor Villingen.
Nordstetten stellt sich kategorisch quer gegen die Absicht des Regierungspräsidiums, die vorhandene Ortsdurchfahrt für Zu- und Abfahrten über die neue Strecke und damit vor allem auch zur Autobahn umzuwidmen.
Martina Braun, Landtagsabgeordnete der Grünen, setzte sich jetzt mit den Bürgern Nordstettens zusammen. Ernst Reiser, Alt-Stadtrat von Villingen, begrüßte die Linacherin, die bei den beiden vergangenen Landtagswahlen in der Region die Wahl für sich entscheiden konnte.

Reiser ließ bei dem Treffen durchblicken, dass „die Martina“, mit der er seit langem per Du sei, nun liefern müsse. Die Pläne des Regierungspräsidiums müssen „so schnell verschwinden wie sie zuletzt per Pressebericht auf den Tisch gekommen“ seien, forderte er.
Reiser machte vor etwa 30 Bürgern klar, dass es der Bürgerinitiative „keinesfalls darum geht, den Lückenschluss der Bundestraße vom Neuen Markt bis zum Mönchsee zu verhindern. Wir wollen aber nicht unsere Ortsdurchfahrt als Autobahnzubringer – darum geht es uns“, dröhnte er im Nordstetter Hof und erntete spontanen Beifall.
Positionen argumentativ, klar und nachvollziehbar
Argumentativ hat Nordstetten Martina Braun erreicht. Die Politikerin, die am Stausee im Linachtal im Westkreis einen Bauernhof mit Tierhaltung betreibt, versicherte den Anwesenden, „die Positionen des Ortes argumentativ, klar und nachvollziehbar aufbereitet zu haben. Ich werde das so ins Präsidium und ins Ministerium tragen und um Antworten zu Ihren Fragen bitten“.
Die Initiative hatte Braun einen Fragenkatalog mitgegeben. Zentraler Punkt: Die Straßenbreite. Hans-Peter Joos schilderte seinen Kontakt mit der VS-Stadtverwaltung um die Jahrtausendwende.

Seinerzeit habe der damalige VS-Baubürgermeister Rolf Fußhoeller (CDU) versucht, die als Kreisstraße gekennzeichnete Ortsdurchfahrt zur Landesstraße umzuwidmen. Das sei an der Straßenbreite gescheitert, schilderte der Nordstettener weiter unter Kopfschütteln vieler Anwesender.
Haben die Planer das zu Ende gedacht?
In Nordstetten gibt es Zweifel, ob die Planer im Präsidium ihren Anbindungsvorschlag überhaupt genauer begutachtet haben könnten. Fahren hier im Ort zwei Lastwagen aneinander vorbei, wird es eng – auch auf angrenzenden Grundstücksbereichen, wenn die Brummis vorbeidonnern.
Die Verkehrssicherheit ist das zweite große Thema für die Bürger. Alexander Höllwarth sagte bei dem Treffen, „es geht hier um unsere Kinder, Familien aber auch um die vielen Radfahrer und Fußgänger“, die hier täglich in die umliegenden, Villinger Naherholungsgebiete im Norden der Stadt unterwegs sind.

Höllwarth und Ernst Reiser stellten die Frage, wo denn an der Straße Platz sein soll für Radler und Fußgänger. Martina Braun bezeichnete diesen Punkt spontan als „sehr wichtig“. Dass es „seit Corona in Nordstetten beispielsweise viel mehr Radler gebe als früher“, unterstrich an dem Abend nicht nur Höllwarth.
Martina Braun informierte auch darüber, dass der Flächenverbrauch bei Projekten aller Art „eine immer wichtigere Rolle“ spiele. „Das ist doch unser Thema“, polterte Ernst Reiser.
Für die Pläne des Regierungspräsidiums brauche es eine breitere aber auch belastbarere Straße wegen des Schwerverkehrs. „Breiter geht aber nicht“, stellte er fest und brachte damit die Zweifel der Bürger an den Planungen noch einmal auf den Punkt.
Martina Braun konnte nur zustimmend lächeln. Sie ist für die Grünen Mitglied im Verkehrsausschuss des Landtages, was Ernst Reiser als Vorteil bezeichnete. Auch dass „es im Verkehrsministerium einen grünen Minister gebe“, sei gut für die bevorstehenden Aktionen der Angeordneten für die Bürger Nordstettens, meinte er.
Wer hat Nordstetten das nur eingebrockt?
Aber die Nordstetter beschäftigt noch etwa ganz anderes: wer dem Ort diese Suppe eingebrockt haben könnte. „War die Anbindungsabsicht auch ein Wunsch der Stadt Villingen-Schwenningen“, heißt es etwa im Fragenkatalog Nordstettens.

„Zwei Anbindungen oder gar keine“
Mit im Blick hat Nordstetten auch Obereschachs Ortsvorsteher Klaus Martin. Der fordert seit Jahren für seinen Villinger Ort „zwei Anbindungen oder gar keine“ an den Lückenschluss der Bundessstraße 523. Nordstettens Gerold Honold sagte nun im Beisein von Martina Braun, man nehme „den Ortsvorsteher aus Obereschach gern beim Wort“.
Das hieße aus Sicht der Nordstettener gar keine Anbindung vor Obereschach. Zur Erklärung: Der Anschluss über Nordstetten gilt als Problemlöser für Obereschach und als die zweite Anbindung, die Klaus Martin immer für Obereschach fordert.
Grundsätzliche Bedenken gibt es zum Lückenschluss offenbar bei Martina Braun. „Wie der Bundesstraßenknoten beim Mönchsee den dort erforderlichen Auflagen des Naturschutzes gerecht werden kann, kann ich mir auch nicht vorstellen“, sagte sie in Nordstetten offen.
Dass bei den Anbindungsplänen der Nordstettener Ortsdurchfahrt auch Flächen eines Vollerwerbslandwirts gebraucht würden, ließ die Abgeordnete ratlos zurück: „Ich werde nachhaken“, sagte sie entschlossen und betonte, „wie wichtig die Nahrungsmittelsicherheit seit Ausbruch des Kriegs um die Ukraine ist.“
Was bei dem Treffen nur auf Grund einer Frage von Alexander Höllwarth zur Sprache kam: Bauherr des Lückenschlusses ist der Bund, nicht das Land. Das Freiburger Regierungspräsidium plant das Vorhaben im Auftrag des Landes, das nur zu Teilen an der Finanzierung beteiligt ist.
Hat das Vorhaben noch Priorität?
Fest steht: Die vor fünf Jahren in den Raum gestellten Projektkosten von 25 Millionen Euro können heute nur Makulatur sein angesichts der Preissteigerungen für Bauwerke aller Art.
Und: Martina Braun stellte in Nordstetten die Priorität des Vorhabens in Frage. „Man muss sich nach den Millionen-Schulden im Land wegen Corona und jetzt für die Ukraine-Krise schon fragen, was demnächst Vorrang haben muss“, sagte sie.
Im Bundesverkehrswegeplan ist das Vorhaben des Villinger Lückenschlusses im vordringlichen Bedarf. Noch aber gibt es nicht einmal Ansätze für die Planfeststellung.
Im Zuge dieser Verfahrensphase können sich überhaupt erst Betroffene wie Anwohner, Naturschützer und Behörden faktisch und verfahrensrelevant äußern.
Die Strecke der neuen Bundesstraße vom Neuen Markt zum Mönchsee führt auch an Vogelschutzgebieten vorbei. Priorisiert ist das Vorhaben in der Region, weil eine einfachere Fahrt zur und von der Autobahn vor allem für das Gewerbe in St. Georgen und Mönchweiler als wichtig gilt. Auch für die landesweite Ost-West-Verbindung für den motorisierten Verkehr gilt das Vorhaben als echter Lückenschluss.