Benjamin Kimmich (37), seit einem Jahr Revierleiter in Schwenningen und damit Vorgesetzter über 60 Polizeibeamte. „Wir hatten zwei, drei große Körperverletzungsdelikte in der letzten Zeit im öffentlichen Raum, bei der Gruppen von fünf, sechs Leuten auf andere losgegangen sind“, berichtet er.

Polizeirat Benjamin Kimmich ist seit 2023 Leiter des Polizeireireviers Schwenningen.
Polizeirat Benjamin Kimmich ist seit 2023 Leiter des Polizeireireviers Schwenningen. | Bild: Stadler, Eberhard

Die Delikte ereigneten sich im Müllermarkt, beim Nettomarkt in der Jägerstraße sowie am Bahnhof Schwenningen. Die Taten wurden jeweils von Jugendgruppen begangen „Die Tatverdächtigen sind uns bekannt, die erforderlichen polizeilichen Maßnahmen werden aktuell getroffen“, gibt der Revierleiter zu Protokoll.

Gewaltdelikte aus dem Polizeibericht

Während der langen Kulturnacht im Jahr 2023 wurden Ordnungskräfte von Gruppen junger Männer angegriffen. Diese Aufnahme zeigt eine ...
Während der langen Kulturnacht im Jahr 2023 wurden Ordnungskräfte von Gruppen junger Männer angegriffen. Diese Aufnahme zeigt eine Situation aus der Krawallnacht. | Bild: Hans-Juergen Goetz

So wird die Sicherheitslage beurteilt

„Solche Dinge“, räumt der Polizeirat ein, „sind für die Bevölkerung wahnsinnig besorgniserregend.“ Doch dann kommt sein großes Aber: „Für eine Stadt mit einer großen Bevölkerung wie in Schwenningen ist die Zahl der gefährlichen Körperverletzungen nicht außergewöhnlich.“

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Mehr noch: Es gebe keine Verschärfung der Sicherheitslage. Kimmich bezieht sich dabei auf die polizeiliche Statistik aus dem Jahr 2023 und vergleicht sie mit früheren Jahren. Das Fazit: Die gefährlichen Körperverletzungen im öffentlichen Raum seien sogar leicht rückläufig. Dagegen nehme die Zahl der Körperverletzungen im privaten Raum – etwa bei häuslicher Gewalt – spürbar zu.

Die Straftaten im Neckarpark

Wie sieht es mit den Gewaltdelikten an bekannten neuralgischen Punkten aus? Im Schwenninger Neckarpark, dem ehemaligen Landesgartenschaugelände, registrierte die Polizei im Jahr 2023 zehn gefährliche Körperverletzungen. „Im Fünfjahresschnitt waren es 14 Fälle“, berichtet der Revierleiter.

Die Straftaten im Neckarpark insgesamt lagen bei 53 Fällten. „Im Fünfjahresvergleich waren es 57,4“, zitiert er die Statistik. Auch hier: Tendenz fallend. „Die objektive Lage ist tendenziell besser als die gefühlte“, schlussfolgert Kimmich.

Auch am Bahnhof Schwenningen kommt es immer wieder zu Schlägereien. In der Nacht vom 1. auf den 2. September 2020 wurde hier ...
Auch am Bahnhof Schwenningen kommt es immer wieder zu Schlägereien. In der Nacht vom 1. auf den 2. September 2020 wurde hier beispielsweise ein 19-Jähriger von sieben jungen Männern verprügelt. | Bild: Matthias Jundt

Er führt diese Entwicklung auch auf die Bemühungen der Polizei und des Kommunalen Ordnungsdienstes der Stadt zurück, die den Neckarpark regelmäßig bestreifen. Ein krimineller Schwerpunkt mit gleichartigen Delikten sei für die Polizei dort nicht ersichtlich.

Warum es dort immer wieder zu Straftaten kommt? In dem Park träfen sich viele junge Leute, sagt Kimmich. Oft sei der Konsum von Alkohol oder sonstiger Substanzen im Spiel.

Wie kommt es zu den Kulturnacht-Krawallen?

Alles gut daher in Schwenningen? Wie konnte es dann zu den gewalttätigen Ausschreitungen am Rande der Kulturnacht 2023 kommen? Damals machten mehrere Gruppen richtig Zoff. Am Ende mussten sich die Sicherheitskräfte gegen einen Mob von rund 300 aufgebrachten jungen Männern unterschiedlicher Nationalitäten wehren, die sich zusammengerottet hatten. Ordnungskräfte wurden durch Böllerwürfe verletzt.

Diese Eskalation erklärt sich die Polizei damit, dass viele Beteiligte auch von auswärts gekommen seien. Zugespitzt habe die Lage, weil sich zunächst rivalisierende Gruppen befehdet hätten. Anschließend hätten sich diese aber gegen die einschreitenden Ordnungskräfte verbündet.

Sicherheitskonzept angepasst

„Wir haben reagiert und unser Sicherheitskonzept umgestellt“, berichtet der Schwenninger Revierleiter. 2024 habe die Polizei mehr Präsenz gezeigt, den „Kräfteeinsatz angepasst“. Am Ende hätten alle Besucher eine sichere Kulturnacht erlebt.

Für Kimmich ist dieses Kapitel abgeschlossen. „Die Haupttäter haben wir ermitteln können und an die Staatsanwaltschaft übergeben“, berichtet er.

Nur einer kommt vor Gericht

Ist dies ein polizeilicher Erfolg? Wie die Staatsanwaltschaft auf Nachfrage bestätigt, wurden lediglich zwei Verfahren eröffnet. Ein Fall davon sei mittlerweile eingestellt worden, da der Nachweis, dass der Betreffende dabei war, nicht sicher habe geführt werden können. Das sagte Staatsanwalt Andreas Mathy auf SÜDKURIER-Nachfrage. Bei einem zweiten Mann liege die Anklage beim Amtsgericht Villingen.

„Es werden immer mehr Messer gezogen“

Eine Entwicklung, die zuletzt bundesweit für Diskussionen gesorgt hat, beunruhigt auch die Polizei in Schwenningen. „Leider Gottes sind die Fälle mit Messern als Tatmittel auch bei uns gestiegen“, berichtet Benjamin Kimmich.

Er präzisiert aber: „Es werden mehr Messer gezogen, aber es wird nicht mehr gestochen oder geschnitten als früher.“ Doch immer mehr Menschen führten Messer mit sich „und sind gewillt, dieses als Bedrohungsmittel einzusetzen“.

Revierleiter Benjamin Kimmich: „Die objektive Lage ist tendenziell besser als die gefühlte.“
Revierleiter Benjamin Kimmich: „Die objektive Lage ist tendenziell besser als die gefühlte.“ | Bild: Stadler, Eberhard

Es gehe nicht um hohe Fallzahlen, erklärt der Revierleiter. 2023 habe die Polizei im Bereich des Schwenninger Reviers etwa 20 Messerbedrohungen registriert.

Ergibt die politische Debatte Sinn?

Dass darüber nun politisch diskutiert und Maßnahmen erwogen werden, macht aus Sicht des Schwenninger Revierleiters Sinn. Aber schon jetzt, so verdeutlicht er, sei in Baden-Württemberg unter gewissen Voraussetzungen ein Messerverbot möglich.

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Unter gewissen rechtlichen Bedingungen könnten die Städte auch Messerverbotszonen einrichten. Auch bei der Schwenninger Kulturnacht gibt es entsprechende Vorgaben, unter die auch ein solches Messerverbot fällt.

Mit Villingen vergleichbar

Was die Gesamtsituation der Gewaltkriminalität angeht, sieht die Polizei indes keine besondere Lage im Schwenninger Revierbereich. „Im regionalen Vergleich sind wir mit dem Revier Villingen vergleichbar“, berichtet Kimmich. „Das gilt auch bei den Körperverletzungsdelikten.“