Jörg-Dieter Klatt

Die Grasflächen des Villinger Kurparks wirken wenig einladend. Lösen die Besucher ihre Blicke jedoch davon und richten sie auf das Ensemble der Majoliken im geometrisch gestalteten Teil des Kurparkes, so haben sie die Relikte einer einzigartigen und kulturhistorisch bedeutsamen Gartenanlage vor Augen.

  • Denkmalschutz: Seit 2014 stehen Trinkhalle und Kurgarten unter Denkmalschutz. Gartenplanerin Anna Schrade gelang es anlässlich einer Führung durch den seit 1935 bestehenden Kurgarten anhand von Bildern und Zeichnungen die Geschichte rund um dieses Kleinod am Zusammenfluss von Kirnach und Brigach zu verdeutlichen. Der Villinger Kurgarten zeugt von tiefsinniger Planung, die schon im 19. Jahrhundert ihren Anfang nahm. Mäandrierend bahnte sich seinerzeit die Brigach vor den Toren der Zähringerstadt ihren Weg durch die Wildnis.
Der kleine Flötenspieler gilt als Meisterwerk der Fayence-Technik aus der Kandener Majolika-Werkstatt.Mit breitem Wissen offenbart Anna ...
Der kleine Flötenspieler gilt als Meisterwerk der Fayence-Technik aus der Kandener Majolika-Werkstatt.Mit breitem Wissen offenbart Anna Schrade (links im Bild) die Geheimnisse um die auffälligen Figuren im Villinger Kurgarten. | Bild: Jörg-Dieter Klatt
  • Naherholungsgebiet: 1871 zeigte Oberförster Ganter Weitsicht. Er sorgte dafür, dass der Wald um Villingen neben seiner Funktion als Wirtschaftsfaktor auch der Naherholung dienen sollte und im Eigentum der Stadt blieb. Mit Villingens Anschluss an die Schwarzwaldbahn 1873 kamen auch Wohlhabende zur Sommerfrische in die Region. Im Zuge des Bahnbaus erfolgte eine Begradigung des Brigachlaufs. „Öffentliches Grün gab es seinerzeit noch nicht“, sagte Anna Schrade. „Die Enge der Stadt und die aufkommende Industrialisierung forderten geradezu Erholungsmöglichkeiten.“ So entstand entlang der Brigach zwischen der Waldmühle und dem Villinger Bahnhof ein Naherholungsgebiet von beeindruckendem Ausmaß. Zwei Eisweiher, ein Ausstellungsgelände sowie eine Kneipp‘sche Badeanstalt waren Elemente des landschaftlichen Teils des Kurparks.
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  • Allegorische Figuren: Der geometrische Teil des Kurparks birgt bis heute eine technische Meisterleistung der 30er Jahre. Die allegorischen Figuren entlang der Südseite des Kurparks entstanden in komplizierter Fayence-Technik und halten seit über 80 Jahren Wind und Wetter stand. Die beiden Akte mit der wasserspendenden Amphore sind im Gegensatz zu den fünf Seitenfiguren lebensgroß. Von der östlichen Treppe betrachtet wirken alle Figuren gleich mächtig. Schreiten Betrachter entlang der Ost-West-Achse durch den Senkgarten auf die Flussallegorien zu, scheinen diese jedoch zu wachsen. Dieses gestalterische Element sei einzigartig in Europa, so Anna Schrade. Haben die vier Badenden expressionistische Züge, so sind die drei Musikanten dem Jugendstil zuzuordnen. Alle zeigen jedoch die Ideale der Jugendbewegung.
Mit Staffelei und breitem Wissen offenbarte Anna Schrade (rechts im Bild) die Geheimnisse um den Villinger Kurgarten.
Mit Staffelei und breitem Wissen offenbarte Anna Schrade (rechts im Bild) die Geheimnisse um den Villinger Kurgarten. | Bild: Jörg-Dieter Klatt
  • Verfall: Nach dem Zweiten Weltkrieg fiel das Gelände in einen Dornröschenschlaf, aus dem es nur mühsam zu erwachen scheint. Spaziergänger und Boule-Spielende bevölkern gegenwärtig das Gelände, das dereinst als Kurgebiet gedient hatte. Pläne, wonach auf dem Gelände Einfamilienhäuser entstehen sollten, wurden 2014 durch die Denkmalschutzbehörde vereitelt.