Das Probelokal der Stadtharmonie Villingen im „Haus der Musik“ ist ausgerüstet mit Kameras, Laptops, Lautsprechern, Mikrofonen und einem großen Monitor. Es sieht aus wie in einem Fernsehstudio. Die erste digitale Jahreshauptversammlung für die Jahre 2020 und 2021 der Stadtharmonie erfordert einen gewissen technischen und organisatorischen Aufwand. Im Raum haben sich der Vorstand und die Leiter der verschiedenen Abteilungen versammelt. Das Technik-Team sorgt für den störungsfreien Ablauf der Versammlung. Die Uhr an der Wand – Symbol für den Seelenzustand des Vereins – tickt wieder richtig. Es läuft in der „Harmonie“.
Regularien durchexerziert
„Wir sind experimentierfreudig,“ erklärte Vereins-Chef Henry Greif bei der Eröffnung der virtuellen Versammlung mit rund 50 Teilnehmenden. Inhaltlich entsprach der digitale Ablauf der Veranstaltung den Regularien jeder Jahreshauptversammlung: Gedenken (Norman Kilzer, Kurt Kunle, Ernst Kress), Bekanntgabe der Ehrungen, Auszeichnungen und Übernahmen.
Die Berichte der Geschäftsleitung waren geprägt von den Erfahrungen mit der Pandemie. „Corona hat uns gezwungen, auf Dinge zu achten, auf die wir bisher nicht geachtet haben,“ beschrieb Henry Greif den Lernprozess in Hinblick auf die digitale Form der Kommunikation im Vorstand und mit den Vereinsmitgliedern. Zukunftsaufgabe sei die Weiterentwicklung des Vereins.
Die Wahrheit der Corona-Monate
Danach erläuterte Alexander Heift in seiner Funktion als Leiter der Abteilung Finanzen und Wirtschaft seine detaillierte Aufstellung der Kennzahlen. Die Verluste im Jahr 2020 waren höher als der Gewinn im Jahr 2019. „So einen Einbruch gab es in den letzten 30 Jahren nicht,“ erklärte der Stadtharmonist. Finanziell war 2019 das beste Jahreskonzert gewesen. Im Jahr 2020 fielen die Einnahmen „komplett auf null“. Wenige Tage vor dem geplanten Termin musste das wichtigste Ereignis des Vereinslebens abgesagt werden. Dank der Unterstützung des Lions-Clubs, weiterer Sponsoren und durch die Verwendung der Rücklagen konnten die hohen Kosten für die Bläserschule gestemmt werden. Das Fazit des Zahlenmenschen und Musikers: „Wir wollen Musik machen – und wir machen das um jeden Preis.“
„Sieben Monate und 19 Tage: Nix einfach nix“ beschrieb Benno Kilzer, Leiter des Jugendorchesters, die größte Unterbrechung des Musikbetriebs seit dem zweiten Weltkrieg. Die erste Probe im Juni war sehr emotional. „Alle haben geklatscht.“. Für die Zukunft zeigte er sich optimistisch. Dennoch bleibe die Angst vor neuen, für die Blasmusik besonders strengen Restriktionen. „Ein weiterer Lockdown wäre für ein Jugendorchester womöglich „tödlich“, formulierte der Vollblutmusiker.
Der Blick nach vorne
„Corona fühlt sich an wie eine lange, konturlose Wurst,“ beschrieb der Dirigent Mario Mosbacher sein Empfinden der Zeit ohne Proben und Konzerte. Dennoch klinge das große Orchester jetzt besser als vorher. Man habe zu schätzen gelernt, dass man zusammen musizieren dürfe und könne. Das letzte Konzert während des Narrentreffens 2019 im Münster von Fribourg und das erste Konzert im Juli bei einer Hochzeit in der Kirche von Neudingen bezeichnete er als symbolisch für die künstlerische Perspektive des Orchesters.