An ein heißes Winter-Thema wagt sich der Gemeinderat mitten im Sommer. Der Räum- und Streudienst der Stadt, im über 700 Meter hoch gelegenen Villingen-Schwenningen für viele Bürger alljährlich ein emotionales Thema, soll zukünftig deutlich reduziert werden.
Das kann schon im nächsten Winter spürbare Auswirkungen haben, vor allem in zahlreichen Wohngebieten. Die Stadträte im Technischen Ausschuss haben am Dienstag das Sparkonzept mit breiter Mehrheit empfohlen, wohlwissend, dass dies je nach Wetterlage im nächsten Winter zu Ärger mit Bürgern führen kann. Der Gemeinderat entscheidet darüber endgültig am nächsten Mittwoch.
Stadt muss einsparen
Auslöser für die Einschränkungen der Dienstleistungen im Winterdienst waren im vergangenen Jahr die Bemühungen von Stadtverwaltung und Gemeinderat, ein nachhaltiges „Sparpaket“ zur Haushaltskonsolidierung zu schnüren. Die Verantwortlichen sehen sich gezwungen, die Haushaltslage bis 2024 jährlich um einen zweistelligen Millionenbetrag zu verbessern, sonst droht die Stadt finanziell handlungsunfähig zu werden.

Ein Beitrag dazu sollen die Technischen Dienste (TDVS) der Stadt im Winterdienst leisten. Das Sparkonzept, dass TDVS-Geschäftsführer Jürgen Epting und Silvie Lamla vom Bauamt am Dienstag vortrugen, fand breite Zustimmung im Gremium. Nur zwei Stadträte lehnten das Konzept ab. Die Zustimmung wurde dem Gremium auch deshalb erleichtert, weil Bürgermeister Detlev Bührer versicherte, dass es selbstverständlich sei, dass dieses Konzept im nächsten Jahr auf seine Tauglichkeit überprüft und bei Bedarf angepasst werde.
Drei Räumprioritäten
Vorrangiges Ziel der Stadt ist es, bei der Reduzierung des Winterdienstes die gesetzlichen und die versicherungsrechtlichen Vorgaben einzuhalten. Geräumt und gestreut werden müssen damit künftig alle „verkehrswichtigen und gleichzeitig gefährlichen“ Straßenstücke. Diese Straßen mit einer Gesamtfläche von 1,7 Millionen Quadratmeter wurden von der Stadt als vorrangig zu räumende Bereiche priorisiert. In der Priorität zwei stehen Straßen, die entweder verkehrswichtig oder als gefährlich eingestuft werden (ca. 321.000 Quadratmeter) und in Priorität 3 befinden sich die restlichen Straßen (850.000 Quadratmeter).
Einsparpotenzial stark schwankend
Die Straßen der Priorität 1 sollen nach diesem Konzept künftig immer zuerst bei Schneefall geräumt und gestreut werden. Die Straßen der Priorität 2 erst ab einer Schneehöhe ab fünf Zentimetern, die Straßen der Priorität 3, das sind vor allem Anliegerstraßen in Wohngebieten, erst ab zehn Zentimeter Schneehöhe. In den vergangenen drei Wintern, so berichtet TDVS-Leiter Epting, hätte man mit diesem Konzept jährlich zwischen rund 100 000 und 800 000 Euro einsparen können. Eine enorme Schwankungsbreite. Hier gilt die Faustregel: Je milder der Winter, um so höher das Einsparpotenzial. Fahrradwege und Fußgängerüberwege müssen nicht zwingend geräumt werden.
Als weitere Maßnahme schlägt der TDVS-Leiter vor, dass die Stadt jährlich zwischen Januar und März zwei Traktoren mit Winterdienstausrüstung anmiete solle, mit denen der Winterdienst in den Innenstädten wirkungsvoll und für wenig Geld verbessert werden könne. Durch weitere ergänzende Optimierungen könnten im Winterdienst zusätzlich 114 000 Euro jährlich eingespart werden. Zugleich will die TDVS ihre Winterdienstflotte mit computergesteuerten Geräten zur Streuung von Feuchtsalz aufrüsten, das erheblich umweltfreundlicher ist als das bisher eingesetzte Trockensalz.
Abbau von 14 Arbeitsplätzen
Durch die Reduzierung des Winterdienstes sollen 14 Arbeitsplätze bei den Technischen Diensten abgebaut werden. Bürgermeister Detlev Bührer wies darauf hin, dass dort niemand entlassen werde. Der Personalabbau soll durch das altersbedingte Ausscheiden von Mitarbeitern erfolgen. Er stellte aber klar: Erst wenn dieser Stellenabbau vollzogen ist, findet eine reale Einsparung im Haushalt statt.
Die meisten Stadträte bewerteten die Vorschläge als positiv und gut durchdacht. Es gehe nun darum, bei der Haushaltssanierung „auch Farbe zu bekennen“, so der Tenor, ansonsten könne man das gesamte Sparpaket, bei dem auch schmerzhafte Steuer- und Gebührenerhöhungen vorgesehen sind, „in die Tonne treten“, so Ulrike Salat von den Grünen.
Das sagen Kritiker
Einzig Dietmar Wildi (CDU) äußerte sich skeptisch, ob die Stadt das Nichträumen von Wohngebieten durchhalten kann. Kritik kam auch aus den Ortschaften. Silke Lorke, Ortsvorsteherin von Weilersbach, kritisierte, dass den Ortschaften das Räumkonzept übergestülpt worden sein, ohne dass die neuralgischen Punkte vor Ort bewertet worden seien. Bürgermeister Bührer versicherte, dass dies nachgeholt und bei Bedarf nachgebessert werde.
Die Rechtslage
Die Gemeinden sind in der Pflicht Fahrbahnen der öffentlichen Straßen innerhalb geschlossener Ortslagen an verkehrswichtigen und gleichzeitig gefährlichen Stellen bei Schnee und Eisglätte zu räumen und zu streuen. Verkehrswichtig sind Straßen nur dann, wenn auf ihnen erfahrungsgemäß mit starkem Verkehrsaufkommen zu rechnen ist.
Gefährlich ist ein Straßenabschnitt insbesondere dann, wenn der Straßenbenutzer trotz Anwendung der erforderlichen Sorgfalt und Aufmerksamkeit die drohenden Gefahren nicht ohne weiteres erkennen oder sich nicht darauf einstellen kann (auch nicht durch wintertaugliche Ausstattung des Fahrzeugs). Schneeglätte allein macht eine Straße nicht gefährlich.
Gefährlich wird es laut BGH erst in scharfen, unübersichtlichen oder sonst schwierig zu durchfahrenden Kurven, starken Gefällstrecken, unübersichtlichen Kreuzungen und Straßeneinmündungen etc.–also an Stellen, an denen Autofahrer erfahrungsgemäß bremsen, ausweichen oder sonst ihre Fahrtrichtung oderGeschwindigkeit ändern müssen.Nach § 41 Straßengesetz (StrG) Baden-Württemberg sind durch den Winterdienst der Gemeinde „zumutbare Verhältnisse“ zu schaffen. So ist z.B. ein Räumen und Streuen während der Nachtzeit um jederzeit jegliche Gefahrenzustände zu verhindern nicht erforderlich. Die Nachtzeit beginnt i.d.R. spätestens um 22:00 Uhr und endet mit dem Einsetzen des allgemeinen Verkehrs auf dem betreffenden Straßenabschnitt (sachliche Zumutbarkeit)
Erforderlichenfalls müssen sie ihre Fahrzeuge wintertauglich machen (Winterreifen, Schneeketten etc.).Ebenso soll die Stadt/Gemeinde im Rahmen ihrer Einflussmöglichkeiten darauf hinwirken, dass andere Fahrzeuge im Winter zumindest Winterreifen benutzen z.B.-2-Beteiligt waren in unterschiedlichem Umfang Vertreter der Ortsverwaltungen, demLandratsamt, verschiedener Ämter und dem ÖPNV. Unter dem Begriff „Straßen“ fallen insbesondere die Fahrbahnen, die Geh-und Radwege, Haltestellenbuchten, Straßenbrücken, Parkplätze und verkehrsberuhigte Bereiche.