„Wir werden schließen“, sagt ein sichtlich angefasster Klaus Sigwart im SÜDKURIER-Gespräch. 34 Jahre hat er Reisen verkauft, in wenigen Wochen ist Schluss. „Meine Mitarbeiterin und ich sind gerade dabei, die Kunden zu informieren und die Verträge mit den Partnern zu kündigen. Wenn das erfolgt ist, schließe ich den Laden ab“, sagt der 67-Jährige.

In der Rietstraße in Villingen befindet sich das Reisebüro Klaus Sigwart. Die Coronakrise führt nun dazu, dass es geschlossen werden muss.
In der Rietstraße in Villingen befindet sich das Reisebüro Klaus Sigwart. Die Coronakrise führt nun dazu, dass es geschlossen werden muss. | Bild: Matthias Jundt

Eigentlich habe er noch einige Jahre weitermachen wollen. Wegen der Corona-Krise sehe er aber keine Zukunft mehr. Sigwart: „Ich habe versucht, die Situation auf der sachlichen Ebene zu betrachten. Der Optimismus in unserer Branche ist wichtig. Aber es geht einfach nicht mehr.“ Corona und die Folgen gingen nicht so schnell weg. Außerdem sei eine wirtschaftliche Rezession zu erwarten. „Reisen sind nicht unbedingt notwendig. Sie rutschen auf der Prioritätenliste der Menschen nach hinten“, sagt Sigwart. Er befürchtet, dass die schwierige Situation für die Branche bis Tief ins kommende Jahr andauern wird.

Bild 2: Keine Buchungen, nur Stornierungen: Klaus Sigwart schließt nach 34 Jahren – und wie geht es anderen Reisebüros aus Villingen und Schwenningen?
Bild: Matthias Jundt

Krisen habe er schon viele erlebt – 11. September, Terroranschlag in der Türkei, Vulkanausbruch in Island – aber keine sei so schlimm gewesen wie diese. Noch nie habe er so lange auf Umsätze warten müssen. Sich zu dem Schritt entschlossen hat er sich nach einem längeren Prozess im Mai: „Ich habe das nicht gerne gemacht, aber es geht nicht anders. Ich bin enttäuscht, traurig und auch wütend“, sagt der 67-Jährige. Wie es für ihn weitergeht, wisse er noch nicht. Jetzt gelte es, erst einmal das Reisebüro gut abzuwickeln.

Sylvia Hoffmann, 62, ist verantwortlich für die Büroleitung im Reisebüro Hoffmann in der Villinger Färberstraße.
Sylvia Hoffmann, 62, ist verantwortlich für die Büroleitung im Reisebüro Hoffmann in der Villinger Färberstraße. | Bild: Matthias Jundt

Noch keine Entscheidung über die Zukunft ist beim Reisebüro Hoffmann in der Färberstraße gefallen. Eigentlich habe sich Sylvia Hoffmann von der Büroleitung bis Ende Mai entscheiden wollen, ob sie das Reisebüro schließt oder nicht. Sie denke aber auch an ihre Mitarbeiter und wolle diesen so lange wie möglich einen Job garantieren. Rosig sehe die Situation derzeit nicht aus. „Wir hatten in den vergangenen Monaten nur Stornierungen, keine einzige Buchung. Seite Ende März habe ich nichts verdient“, sagt Hoffmann. Wegen der Stornierungen habe sie bereits 30.000 Euro an erhaltenen Provisionen zurückzahlen müssen. Insgesamt habe sie ein Umsatzvolumen von 380.000 Euro storniert. Schon im vergangenen Jahr habe das Reisebüro Hoffmann 25.000 Euro aufgrund der Thomas-Cook-Pleite verloren.

Bild 4: Keine Buchungen, nur Stornierungen: Klaus Sigwart schließt nach 34 Jahren – und wie geht es anderen Reisebüros aus Villingen und Schwenningen?
Bild: Matthias Jundt

„Für den Sommer haben wir noch ganz wenige, noch nicht stornierte Buchungen„, sagt Hoffmann. Im Höchstfall, so schätzt sie, blieben 20 bis 25 Buchungen bis zum Ende des Jahres übrig. Vom Staat gebe es kaum Hilfe. Die 62-Jährige meint: „Große Veranstalter wie etwa die Tui werden gerettet. Und denen müssen wir Reisebüros dann noch die Provisionen für stornierte Buchungen zurückzahlen. Ich bin stinksauer.“

Die 62-Jährige ist zwiegespalten: „An manchen Tagen möchte ich alles hinschmeißen, an anderen habe ich Hoffnung.“ Die Menschen bittet Hoffmann, in Reisebüros zu buchen: „Die meisten glauben, dass es im Internet oder im Hotel direkt günstiger ist. Das stimmt aber nicht.“ Dass viele Angst haben zu verreisen, versteht sie dagegen.

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Einen Teil dieser Angst schreibt Sandra Pietraszek der Politik zu. „Wenn der Außenminister sagt, dass die Menschen im Sommer gar nicht ans Reisen denken müssen, verunsichert das“, sagt die Inhaberin des Sonnenklar-TV-Reisebüros im Brandenburger Ring in Schwenningen. Seit etwa 20 Jahren ist sie eigenen Angaben zufolge in der Branche, ein eigenes Reisebüro besitzt sie seit 2018. Seitdem die Reisewarnung für die EU- und Schengen-Staaten aufgehoben wurde, verbucht Petraszek wieder vermehrt Buchungen. Den Profit auf dem Konto hat sie aber noch lange nicht: „Wenn wir eine Reise buchen, erhalten wir vom Veranstalter erst unser Geld, wenn der Kunde das Hotel nach der Reise wieder verlassen hat.“

Die Vorgehensweise der Politik ist für sie nicht nachvollziehbar: „Es müsste für jedes Land einzeln abgewogen werden, ob es eine Warnung gibt oder nicht. Eine für die gesamte EU auszusprechen oder aufzuheben, ist nicht sinnvoll.“ Für dieses Jahr rechnet sie mit einem Umsatzverlust von 75 bis 80 Prozent. Finanziell sehe es aufgrund der guten Rücklagen 2019 noch in Ordnung aus – trotz Thomas-Cook-Pleite.

In der Rietstraße in Villingen befindet sich eines von 31 Reisebüros der Firma Bühler.
In der Rietstraße in Villingen befindet sich eines von 31 Reisebüros der Firma Bühler. | Bild: Matthias Jundt

31 Standorte hat das Reisebüro Bühler, eines davon befindet sich in der Villinger Rietstraße, ein anderes in der Muslen in Schwenningen. „Derzeit sind wir von der Intensivstation runter und liegen auf einer normalen Station“, beschreibt Peter Finke aus der Geschäftsführung die aktuelle Lage. Von Februar bis Juli habe es ausschließlich Stornierungen gegeben – auch für das weitere und das kommende Jahr. Finke rechnet mit einem langsamen Anstieg der Buchungen im Juli und August. „Die Menschen halten sich wegen Corona zurück und wegen der Kurzarbeit fehlt bei vielen schlicht das Geld“, sagt Finke. Für 2021 rechnet Finke mit Umsätzen von 70 bis 75 Prozent im Vergleich zu normalen Jahren.

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Trotz der Krise denkt das Reisebüro Bühler aber nicht daran, den sich in Kurzarbeit befindlichen 200 Mitarbeitern zu kündigen. Auch an Filialschließungen denke man im Unternehmen, das im Monat hohe sechsstellige Fixkosten hat, nicht. Anders sehe das bei Mitbewerbern aus, sagt Finke: „Galeria Kaufhof macht 70 Reisebüros zu. Uns wurden einige davon angeboten. Auch einige Edeka-Reisebüros werden geschlossen.“

Das sagt die Politik

Einer, der sich mit dem Thema auskennt, ist Marcel Klinge (FDP). „In der kommenden Woche entscheidet sich im Bundestag, was in das zweite Konjunkturpaket kommt“, sagt der Abgeordnete für den Schwarzwald-Baar-Kreis und tourismuspolitische Sprecher seiner Fraktion im Bundestag auf Anfrage. Seine Hoffnung: „Die Provisionen, die die Reisebüros bei stornierten Buchungen zurückzahlen müssen, müssen Teil der Corona-Soforthilfe werden.“ Außerdem fordern er und seine Partei einen Fonds, aus dem sich Reisebüros Kredite leihen können, die sich innerhalb der nächsten zehn Jahre mit einem Prozent zurückzahlen müssen. Darüberhinaus fordert auch Klinge eine differenzierte Betrachtung beim Aussprechen von Reisewarnungen.

Ob all das umgesetzt wird, wird man bald sehen. Für Klaus Sigwart jedenfalls kämen solche Maßnahmen zu spät.