An Dieter Petrollis Schreibtisch hängt ein Kalenderblatt vom 23. März, gut sichtbar hat er es platziert. Darauf ein Zitat von Nelson Mandela mit den Worten: „Wir können nicht auf etwas vorbereitet sein, wenn wir eigentlich glauben, dass es gar nicht geschehen wird.“

Das Kalenderblatt vom 23. März. Dieter Petrolli hat es in seinem Büro aufgehängt.
Das Kalenderblatt vom 23. März. Dieter Petrolli hat es in seinem Büro aufgehängt. | Bild: Hanna Mayer

Dass dieses Zitat Dieter Petrolli einmal auf solch erschreckende Weise aus der Seele sprechen könnte, hätte der Chef des Reisebusunternehmens Anfang des Jahres wohl kaum geglaubt. Denn: „Wir hatten dieses Jahr so viele Buchungen wie nie“, erzählt der 52-Jährige. Ein gutes Jahr stand bevor. Zumindest bis die Corona-Krise seine Busse lahmlegen sollte. Vorbereitet war niemand darauf.

Dis Busse stehen still Video: Hanna Mayer

Telefon läuft in der Coronazeit heiß

Die vergangenen drei Monate hat Busunternehmer Dieter Petrolli hauptsächlich am Telefon verbracht. Während auf dem Betriebshof in Fischbach die meisten der 22 Busse stillstanden, hat das Telefon beinahe ununterbrochen geklingelt: Reisen, die storniert wurden, Kunden, die ihr Geld zurückwollten, Urlauber, mit Fragen zu ihrem Feriendomizil.

Verena Buer kümmert sich um die Anliegen der Kunden. Ein neuer Alltag zwischen Stornierungen, Änderungen und Kompromissen.
Verena Buer kümmert sich um die Anliegen der Kunden. Ein neuer Alltag zwischen Stornierungen, Änderungen und Kompromissen. | Bild: Hanna Mayer

Räder dürfen wieder rollen

Seit Montag dürfen die Reisebusse wieder rollen. Theoretisch. Die Praxis sieht etwas anders aus, wie Petrolli erzählt: „Von den Reisebussen sind bis auf zwei alle noch abgemeldet.“ Seit 25 Jahren ist Dieter Petrolli im Betrieb. Doch ein Jahr wie dieses gab es noch nie. Es ist eine Durststrecke, sagt er. „Irgendwie müssen wir es überstehen.“

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Und irgendwie hat das Unternehmen die drei Monate überstanden. Ohne Einnahmen, die meisten der 39 festangestellten Mitarbeiter in Kurzarbeit, eine Verlängerung des Busreiseverbots nach der anderen. Vor ein paar Tagen kam sie dann: die Corona-Verordnung für Reisebusse. Reisen ist also wieder möglich, aber anders als gewohnt. Es gibt fest zugewiesene Sitzplätze, im Bus eine Maskenpflicht, das Fahrzeug muss vor und nach jeder Fahrt desinfiziert werden, informiert Petrolli. Die gute Nachricht: Der Bus darf voll belegt werden. „Durch die Deckenbelüftung ist die Ansteckungsgefahr nicht größer als in anderen Fahrzeugen„, erklärt der Geschäftsführer.

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Reise mit vielen Komponenten

Doch auch wenn der Bus wieder voll besetzt werden darf, sei das nicht immer sinnvoll, weiß Petrolli. Denn angenommen die Busreise sei mit einem Gasthausbesuch verbunden, bei dem nur 20 Leute mit ins Lokal genommen werden dürften, müssten entweder genügend Restaurants gefunden oder die Teilnehmerzahl beschränkt werden, erklärt Petrolli das Dilemma.

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So sei es mit einigen der geplanten Busreisen: Einige der mehrtägigen Touren waren mit einer bestimmten Veranstaltung verbunden. Heißt: Ist das Event abgesagt, fällt auch die Reise flach. Oder die andere Option: Eine Alternative muss gefunden und alle Teilnehmer der Reise informiert und in die Planänderung miteinbezogen werden. „Das ist dreimal so viel Aufwand wie vorher“, sagt Petrolli und seufzt.

Dieter Petrolli an seinem Schreibtisch.
Dieter Petrolli an seinem Schreibtisch. | Bild: Hanna Mayer

Wollen die Leute denn überhaupt wieder verreisen?

„Wir hatten einige Anrufe. Wir merken, die Leute wollen wieder raus“, sagt Petrolli. Trotzdem seien die Nachfragen noch etwas verhalten. Petrolli würde sich mehr Buchungen wünschen. „Die Gäste müssen erst noch überzeugt werden“, sagt er. Viele der älteren Personen, und das sei nun einmal die Zielgruppe von Busreisen, seien noch vorsichtig und ängstlich wegen des Virus. Hinzu kommen abgesagte Schulfahrten, Studienfahrten oder Vereinsausflüge, die sonst auch von dem Busunternehmen Gebrauch machen würden.

Busfahrer Andreas Petke sitzt hinter dem neu installierten Spuckschutz im Linienbus. Jetzt dürfen die Leute wieder vorne einsteigen und ...
Busfahrer Andreas Petke sitzt hinter dem neu installierten Spuckschutz im Linienbus. Jetzt dürfen die Leute wieder vorne einsteigen und dem Busfahrer Fragen stellen. | Bild: Hanna Mayer

Das ist in diesem Jahr geplant

79 Reisen seien dieses Jahr noch im Angebot, verrät Produktmanagerin Verena Buer, die für die Reiseplanungen zuständig ist. Wahrscheinlich würden 60 davon tatsächlich stattfinden. Etwa 26 der Reisen seien innerhalb Deutschlands geplant, Schweiz, Österreich und Südtirol seien ebenfalls im Programm. Auf Fernreisen würden viele Kunden in diesem Jahr verzichten. Der Trend, so Petrolli, gehe verstärkt in Richtung Tagesfahrten oder Kurztrips. Pendelreisen, also lediglich ein Hin- und Rückfahrtsangebot, nach Italien seien bis August ausgesetzt worden wegen mangelnder Nachfrage. Dafür setze das Unternehmen, so Buer, in diesem Jahr besonders auf Ziele, die „schon immer gut ankamen“, wie Destinationen in Österreich.

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Zwei Drittel in Tourismusbranche tätig

Das Unternehmen Petrolli-Reisen ist nach Angaben des Geschäftsführers zufolge zu einem Drittel im öffentlichen Personennahverkehr und zu zwei Dritteln in der Tourismusbranche tätig. „Die Krise trifft uns hart“, fasst Petrolli die Verluste zusammen. In den letzten Jahren sei viel Geld in die Ausstattung der Busse investiert worden. „Die Zinsen, Darlehen und Tilgungen laufen weiter bei null Einnahmen.“ Wann und in welchem Ausmaß der zugesagte Rettungsschirm des Landes für sein Unternehmen greife, sei, so Petrolli, noch nicht abzusehen. Trotzdem: „Wir hoffen und sind zuversichtlich für kommendes Jahr.“ Schließlich hätten viele Kunden ihre Reisen um ein Jahr verschoben.