Ist Altstadtrat Ernst Reiser ein politischer Wendehals? Als solcher wird er vom ehemaligen Journalisten Klaus-Peter Krager aus Villingen politisch attackiert.

Karger wirft dem streitbaren ehemaligen Kommunalpolitiker und Landwirt aus Nordstetten eine politische 180-Grad-Wende beim Thema Lückenschluss B 523 vor. In den 80er-Jahren habe Reiser noch gegen das seit Jahrzehnten diskutierte Straßenbauprojekt rebelliert. Heute aber, kritisiert Karger in einem Lesebrief, „kämpft der 83-jährige für den Weiterbau des Nordzubringers“.

Und das findet der ehemalige SWR-Journalist, der sich als Umweltaktivist gegen das umstrittene Straßenbauprojekt engagiert und das Thema in zwei selbst produzierten Filmen kritisch unter die Lupe nahm, höchst kritikwürdig. Besonders, weil Reiser beim letzten Termin in Nordstetten zur B 523-Thematik den Eindruck erweckt habe, „dass er für ganz Nordstetten spricht“.

Vom erbitterten Gegner zum Befürworter

Karger reibt Reiser genussvoll unter die Nase, dass er in den 80er-Jahren, als der Straßenbau erstmalig zu Kontroversen führte, ein erbitterter Gegner des zweiten Bauabschnitts der B 523 und Mitglied der „Aktionsgemeinschaft B 523 gegen den Nordzubringer II“ gewesen sei. Damals habe Reiser die Straße laut Zeitungsberichten als „planerischen Unfug sondersgleichen“ abgekanzelt und erklärt, der „beispiellosen Brutalität der Straßenplaner gegen Natur und Mensch muss endlich der Riegel der Vernunft vorgeschoben werden“.

Karger vermutet in seinem Leserbrief, dass es Ernst Reiser heute im Ruhestand, da er längst nicht mehr in der Landwirtschaft tätig ist, nur noch um den Werterhalt seines landwirtschaftlichen Anwesens mit Gasthaus an der Ortsdurchfahrt in Nordstetten gehe.

„Die Zeiten haben sich geändert“

Wer Ernst Reiser kennt, weiß: Eine solche Frontalattacke lässt er nicht unkommentiert auf sich sitzen. „Dass sich meine Meinung geändert hat“, sagt er auf SÜDKURIER-Anfrage, „das streite ich gar nicht ab.“ Er sagt aber aber auch: „Die Zeiten haben sich geändert. Das Verkehrsaufkommen hat sich geändert. Ich kann nicht das Jahr 2023 mit 1986 vergleichen.“ Damals habe sich die politische Debatte auf den Landschaftsschutz fokussiert. Heute geht es aus seiner Sicht auch um den Schutz der menschlichen Gesundheit.

Dass er bezüglich des Straßenbaus seine Meinung geändert hat, begründet der ehemalige Kommunalpolitiker, der sich fast 40 Jahre im VS-Gemeinderat engagierte, mit den Verkehrszahlen, die das Regierungspräsidium bei der öffentlichen Informationsveranstaltung am 15. Dezember 2022 in der Tonhalle in Villingen präsentiert hatte.

„Erst seit dem 15. Dezember kenne ich die Zahlen und weiß, was passiert, wenn der zweite Teil des Nordzubringers nicht gebaut wird“, argumentiert Reiser. Diese Zahlen hätten ihn zum Umdenken bewogen.

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Sorge über die Verkehrsflut bis 2040

Um welche Zahlen geht es? Nach der Verkehrsprognose, die das Regierungspräsidium (RP) Freiburg vorlegte, soll das Verkehrsaufkommen in Nordstetten bis zum Jahr 2040 von derzeit 6050 Fahrzeuge pro Tag auf dann 10.100 Fahrzeuge ansteigen. Das entspräche einer ganz erheblichen Zunahme von 68 Prozent.

In der Ortsdurchfahrt Weilersbach käme es noch schlimmer: Hier stiege das Fahrzeugaufkommen bis ins Jahr 2040 von derzeit 5700 auf 9800 Fahrzeuge (+73 Prozent), in Obereschach um rund 30 Prozent auf 12.400 Fahrzeuge. Dies alles unter der Voraussetzung, dass der „Lückenschluss“ nicht gebaut wird.

Würde aber die fünf Kilometer lange Straße zwischen Mönchsee und Schwarzwald-Baar-Center realisiert, müssten die drei Ortschaften nur mit einer leichten Verkehrszunahme bis 2040 rechnen, sagt Reiser in Berufung auf die Zahlen des Regierungspräsidiums. Das habe für ihn den Ausschlag gegeben.

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Naturschutz contra Menschenschutz

Dieses Thema hat nach Reisers Urteil zwei Seiten: Der Naturschutz einerseits, der Schutz der menschlichen Gesundheit vor den Verkehrsbelastungen andererseits. Da müsse sich jeder fragen, was ihm wichtiger sei. Dass sich der Ortschaftsrat von Weilersbach einstimmig für den „Lückenschluss“ ausgesprochen habe, wertet Reiser klares Zeichen, dass die Bevölkerung dort auf die Verkehrsentlastung in der Ortschaft durch durch den Nordzubringer setzt.

Im Übrigen weist der Rentner den Vorwurf Kargers als falsch zurück, er kämpfe inzwischen für den „Lückenschluss“. Dies habe er bisher an keiner Stelle getan und werde dies auch künftig nicht tun. Auch habe er bei keiner Gelegenheit den Eindruck erweckt, er spreche diesbezüglich für ganz Nordstetten. Dies sei lediglich seine persönliche Auffassung, stellt er klar.

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