
„Die rote Ampel gilt für alle. Da sind auch Kinder dabei. Sie sind ja tolle Vorbilder“ – nur einmal hatte sich die Polizei am Montagabend per Lautsprecher in Villingen zu Wort gemeldet. Mit einem Streifenwagen und zwei Beamten hatte sie die Menschen begleitet, die einen Spaziergang durch Villingen gemacht hatten. Wie in vielen anderen Städten wollten die Teilnehmer mit der Aktion ihren Protest gegen die geltenden Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie deutlich machen.
Teilnehmerzahl sehr unterschiedlich
Wie viele Menschen letztlich am Spaziergang teilgenommen haben, ist nicht ganz klar. Während einige der Teilnehmer von über 1000 sprechen, gibt die Polizei auf Nachfrage die Zahl 150 an. Der SÜDKURIER, der vor Ort war, zählte zirka 400 Teilnehmende.
Wie dem auch sei, getroffen hatten sich diese gegen 18.30 Uhr am Villinger Münster. Mit dabei waren viele Erwachsene, aber auch etliche Kinder. Nachdem viele der Anwesenden ein Licht, das üblicherweise an Gräber gestellt wird, angezündet hatten und dieses in der Hand hielten, konnte es los gehen. Wer das Kommando zum Loslaufen gab, ist nicht klar. Gegen 18.40 Uhr setzte sich der Pulk an Menschen dann aber in Bewegung.

Gelaufen wurde vom Münsterplatz über die Niedere Straße, am Amtsgericht vorbei, über den Romäusring und letztlich wieder zum Münster. Die Teilnehmer skandierten während ihres Spaziergangs immer wieder „Widerstand, Widerstand“ und „wir sind hier, wir sind laut, weil man uns die Freiheit raubt“.
Auch Aussagen wie „wir haben also eine Pandemie der Geimpften, weil die stecken uns an“ wurden getätigt und für richtig befunden. Wenige trugen Anhänger mit der Aufschrift „nein zum Impfzwang“, eine Mund-Nasen-Bedeckung wurde von nur sehr wenigen Teilnehmern getragen.
Polizei prüft Verstoß gegen Versammlungsrecht
Wie die Polizei gegenüber dem SÜDKURIER sagt, kam es zu keinen besonderen Zwischenfällen. Dennoch könnte der Spaziergang für einige rechtliche Konsequenzen haben. „Wir prüfen aktuell einen Verstoß gegen das Versammlungsrecht“ so Pressesprecher Jörg-Dieter Kluge. Hintergrund ist, dass eine Demonstration angemeldet werden müsste. Das sei hier nicht der Fall gewesen. „Dennoch ist es offensichtlich, dass sich verabredet wurde“, so Kluge weiter.
Der Pressesprecher der Polizei bezieht sich dabei auf Chats via Telegram, wie in der Gruppe mit dem Namen „Die Basis Schwarzwald-Baar“. Basis-Landtagskandidat Thomas Möcker hatte gegenüber dem SÜDKURIER jüngst gesagt, dass die Gruppe öffentlich sei und nicht von der Partei betrieben werde – trotz des Namens. Möcker rufe auch nicht zum Spaziergang auf.
Gruppe stimmt ihr Vorgehen ab
Einblicke des SÜDKURIER in diese Gruppe offenbaren aber, dass in der Gruppe Informationen über die Uhrzeit und den Ort des Treffpunkts ausgetauscht werden. Auch Bilder und Videoaufnahmen vom Spaziergang werden in der Gruppe geteilt.

Am Ende des Spaziergangs hatten sich die Teilnehmer wieder am Münster getroffen. Dort stellten sie ihre Grablichter auf der Treppe des Rathauses ab und sangen Lieder, die von „Widerstand, Widerstand“, rufen gekreuzt wurden. Einer der Spaziergänger verteilte zuvor ausgedruckte Liederzettel. Gegen 20.30 Uhr löste sich die Gruppe auf.
Am Dienstagnachmittag hat sich auch Oberbürgermeister Jürgen Roth auf Anfrage zu den „Spaziergängen“ geäußert. Wie Pressesprecherin Oxana Brunner in seinem Namen sagt, geht es für den OB im wesentlichen um die Frage, ob sich die „Spaziergänger“ an die Regeln der Corona-Verordnung halten. Roth behalte die Situation weiter im Blick, sei aber bereit, bei Verstößen weitere Konsequenzen zu ergreifen.
Dieser Text wurde um 16.50 Uhr um die Aussagen von OB Jürgen Roth ergänzt.