VS-Schwenningen Was für ein wunderbarer Glücksfall – eine Ausstellung in direkter Nachbarschaft, die wesentlicher Teil ihres Forschungsthemas ist: Julika Baumann Montecinos, Professorin an der Hochschule Furtwangen, beschäftigt sich mit Transkulturalität und transkulturellem Lernen und freut sich, dass die nun in der Städtische Galerie VS eröffnete Ausstellung „Le Sel Noir“ den sinnlich-künstlerischen Rahmen für ihr Vermittlungsangebot bietet. Allen Grund zur Freude hat selbstverständlich auch Galerieleiter Alejandro Perdomo Daniels, denn mit seiner nun erstmals selbst kuratierten Ausstellung hat er ein, wie die große Publikumsresonanz zeigt, bewundernswertes Debüt geliefert.

Eine grandiose Premierenausstellung, die seine zum Amtsantritt formulierten Ansprüche an sein Programm bild- und facettenreich unterstreicht. „Gesellschaftsrelevant, interdisziplinär und gattungsübergreifend werden sich die geplanten Ausstellungen jenseits der Kategorien autonomer Kunst bewegen“, so Perdomo Daniels im Interview im vergangenen Sommer. Ansichten, die auf die zehn gezeigten Positionen zutreffen, wobei der Aspekt der Gesellschaftsrelevanz am augenscheinlichsten mit den Mitteln der Kunst verhandelt wird. „Perspektiven Schwarzer Gegenwartskunst“: Im Zentrum steht eine Auseinandersetzung mit dem weißen Blick auf Schwarze Menschen.

Dieser Blick wird nun in der Städtischen Galerie mit ästhetischen Mitteln kritisch beleuchtet, mit dem Ziel, das mit ihm verbundene asymmetrische Differenzgefühl durch Selbstermächtigung und Emanzipation umzukehren. Inwieweit das gelingt, hängt auch immer mit der Bereitschaft des Publikums, sich darauf einzulassen, seinen Erfahrungshorizonten und den Blickwinkeln zu tun. Gerade der Aspekt des Perspektivwechsels ist ein wesentlicher Grundgedanke der Ausstellung, in der es, so der Galerieleiter, nicht primär um Hautfarbe und nicht um Identität gehe. Es geht vielmehr um Dinge auf der Welt, die sich unserer Sicht entziehen.

Geheimnisvoller Titel

Schon der geheimnisvolle Ausstellungstitel „Le Sel Noir“ zwingt zum Perspektivwechsel. Der programmatische Titel ist durch den karibischen Autor Édouard Glissant inspiriertes Zitat, Metapher, Paraphrase und schließlich Türöffner für einen Rundgang durch eine abwechslungsreiche Ausstellung, der immer durch die Erkenntnis bereichert wird, dass Salz nicht immer zwingend weiß sein muss. Auch wenn sich nicht alles direkt erschließt, durchaus im Sinne des Galerieleiters, entsteht in der Auseinandersetzung mit den Arbeiten ein neues Bild, das zwischen Schwarzer Selbstbehauptung und Fremdwahrnehmung verhandelt und in ihrer Komplexität, Tiefe und Unergründlichkeit des Selbst in der transkulturellen Begegnung zum Vorschein kommt.

Sonia E. Barretts Beitrag führt exemplarisch diese Komplexität vor Augen. Die wolkenartigen, amorphen Papierelemente nehmen überaus ästhetisch den Raum ein. Bei näherer Auseinandersetzung mit der Arbeit „Dreading the Map“ erkennt man ein Geflecht von geschredderten Landkarten, historischen wie zeitgenössischen, die England und die Karibik darstellen. Die Karten, in denen sich das hegemoniale Bestreben der Kolonialmacht ausdrückt, werden in einem kollektiven Prozess mit afro-karibischen Frauen in eine neue Form überführt. Auf die geschredderten Karten wird zudem eine Technik angewendet, die aus der Haarflechtkunst stammt. „dreading the map“, das mit grauen vor der Karte übersetzt werden kann, und die allgegenwärtigen afro-karibisch konnotierten „Dreadlocks“: Barrett offenbart die Komplexität zwischen Benennenden und Benannten und eröffnet ein weites Assoziationsfeld.

Mónica de Miranda, die auf der vergangenen Venedig-Biennale den portugiesischen Pavillon bespielt hat, bewegt sich in ihrer Arbeit an der Schnittstelle Kunst, Natur, Ökologie und Aktivismus. Ihre Videoarbeit „Transplanting“ wird so zu einer poetischen Metapher für einen Prozess der Kolonisierung, in dem nicht nur Pflanzen, sondern auch Millionen von Menschen entwurzelt wurden, um auf neuen Kontinenten weiter ausgebeutet zu werden.

Dies sind zwei von zehn unterschiedlichen Positionen, die von Dislokation und Adaption handeln, Kriegserfahrungen thematisieren, koloniale Kontinuitäten hinterfragen, komplexe Dynamiken des Selbst zwischen Selbstbehauptung und Fremdwahrnehmung beleuchten und den Betrachter beim Eintauchen in diese Welt auch immer zum Perspektivwechsel anregt.