Während Grundschulen und weiterführende Bildungseinrichtungen seit Montag wegen Corona mit Fernunterricht nach dem Jahreswechsel in den Schulalltag gestartet sind, lief in Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren (SBBZ) der Unterricht wieder ganz normal an, mit Präsenzunterricht im Schulgebäude, im Grunde so, wie vor den Weihnachtsferien.

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Ausnahmeregelung

Das Ministerium für Kultus, Jugend und Sport hatte diese Einrichtungen in einer Mitteilung an Schulen zum geplanten Schulbetrieb nach den Weihnachtsferien vom 6. Januar explizit ausgeklammert. „Sie können den Regelbetrieb unter Pandemiebedingungen unter Beachtung der Hygienevorgaben fortführen“, so der Wortlaut der neuen Verordnung. Eine Verpflichtung zur Teilnahme am Präsenzbetrieb bestehe jedoch nicht. Für viele Eltern war das sicher eine gute Nachricht. Sie haben seit Montag wieder mehr Luft im Alltag oder können ihrer Arbeit nachgehen. Für betroffene Schulen kam die Ausnahmeregelung allerdings unerwartet. „Wir waren überrascht, dass wir aufmachen“, so die Reaktion von Kerstin Greimel, stellvertretende Schulleiterin der Christy-Brown-Schule in Villingen. Am Vortag habe es noch keine Anzeichen darauf gegeben. „Eine Begründung für die Verordnung erfolgte nicht.“ Die Christy-Brown-Schule ist ein SBBZ mit dem Förderschwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung.

Anders als bei Regelschulen und Kindergärten, bleiben die Lichter an der Christy Brown Schule in Villingen nach den Weihnachtsferien ...
Anders als bei Regelschulen und Kindergärten, bleiben die Lichter an der Christy Brown Schule in Villingen nach den Weihnachtsferien nicht aus. Die Landesregierung hat beschlossen, Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren (SBBZ) offen zu halten. Hier wird seit Montag wieder Regelunterricht angeboten. Die Teilnehme ist allerdings freiwillig. | Bild: Fröhlich, Jens

So lief der Schulstart

Die Öffnung der Schule vorzubereiten, sei kein Problem gewesen, so Greimel. Der Unterricht konnte ähnlich wie vor den Ferien mit einem umfassenden Hygienekonzept aufgenommen werden. „Etwa 60 Prozent der Schüler nehmen das Angebot wahr“, berichtet sie. 40 Prozent würden zuhause betreut. Für diese Schüler werde Fernunterricht angeboten, was letztlich eine Doppelbelastung für das Personal darstellt. Eine etwas höhere Quote bilanziert Schulleiter Michael Fraas von der Carl-Orff-Schule in Villingen, ein SBBZ mit Förderschwerpunkt geistige Entwicklung. 26 der insgesamt 112 Schüler kommen derzeit nicht zur Schule, was rund 23 Prozent entspricht. Seitens des Schulträgers, dem Schwarzwald-Baar-Kreis, sei man gut versorgt, um den Schulbetrieb unter Corona-Bedinungen zu meistern, teilen beide Schulleiter mit. An Schutzkleidung, Mund-Nasen-Masken und anderen Gegenständen und Hygienemaßnahmen mangle es nicht. Allerdings vermissen beide ein Schutzkonzept der Landesregierung für den wieder angelaufenen Präsenzunterricht.

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Fehlendes Schutzkonzept

„Uns fehlt ein passendes Schutzkonzept für unsere Schulform. Auch eine Teststrategie, wie sie für Pflegeheime existieren gibt, gibt es für die Schulen nicht“, sagt Greimel. Viele ihrer Schüler seien bei einer Corona-Infektion besonders gefährdet. Auch viele Schüler der Carl-Orff-Schule zählen zu Risikogruppen. „Schnelltests haben wir nicht“, bestätigt auch Fraas. Für größtmögliche Sicherheit versuche man Abstandsregeln und Hygienemaßnahmen bestmöglich umzusetzen. Klassen würden in Kohorten zusammengefasst, um bei Krankheitsfällen gezielt reagieren zu können, erklärt er weiter. Das sei aber letztlich nutzlos, wenn man bedenke, dass Schüler aus der ganzen Region vor und nach der Schule eng aufeinandersitzend mit dem Bus fahren müssen. „Man muss ja nicht täglich testen, aber regelmäßig“, schlägt Greimel vor. Das würde die Sicherheit für alle erhöhen, da ist sie sich sicher. „Und wir hätten uns gefreut, wenn wir bei der Schulstart-Planung mit einbezogen worden wären.“

In der Christy Brown Schule ist Schulbetrieb wieder angelaufen. Unser Bild zeigt Lena im Unterricht. Der Klassenlehrer unterstützt sie ...
In der Christy Brown Schule ist Schulbetrieb wieder angelaufen. Unser Bild zeigt Lena im Unterricht. Der Klassenlehrer unterstützt sie bei den Aufgaben. | Bild: Christy Brown Schule

Besondere Bedingungen

Eltern hätten es in der Krise eh schon schwer, das weiß die stellvertretende Schulleiterin. Einerseits sei die Schulöffnung eine Entlastung für Familien, andererseits seien viele verunsichert, zum Beispiel was Krankheitstage für die Pflege ihrer Kinder anbelangt. Die Betreuung von förderbedürftigen Kindern ist nicht einfach und zeitintensiv. Für berufliche Verpflichtungen ist häufig kaum Platz. Die Frage steht im Raum, wie lange die Kinderbetreuung rechtlich abgesichert ist. Zudem ist nicht klar, wie lange die Situation noch anhält. Auch Fraas kann Eltern daher gut verstehen, die froh sind, dass die Schule wieder offen ist. Er spricht aber auch eine andere Seite an: „Für viele Kollegen ist die Situation ebenfalls schwierig. Sie haben selbst Kinder, die jetzt zuhause sind. Sie selbst müssen hier arbeiten und sich um andere Kinder kümmern.“ Und die Arbeit ist angesichts der Corona-Situation nicht einfacher geworden. Einige Schüler können aufgrund von Einschränkungen keine Maske tragen. Auch Abstands- und Hygieneregeln bei nötigen Pflegetätigkeiten einzuhalten, ist kaum möglich, zum Beispiel beim Wickeln, Essenreichen oder beim An-und Ausziehen.

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Verbesserungen

Wie könnte der Unterricht in einem SBBZ also sicherer und besser gestaltet werden? Mit einer Kombination aus Wechselunterricht und Fernunterricht, da sind sich beide Schulleiter einig. „Damit haben wir im Frühjahr gute Erfahrungen gemacht, gekoppelt mit einer Notbetreuung“, blickt Greimel zurück. „Wir sind vom Landkreis mit digitaler Ausstattung gut versorgt worden. Fernunterricht technisch möglich.“ Auch Fraas sieht das so. Allen Schüler stünde ein Tablet zur Verfügung und der Umgang mit digitalen Lerninhalten werde seit dem Sommer regelmäßig geübt. Eine Kombination aus Präsenz- und Fernunterricht wäre daher auch sein bevorzugtes Modell in der aktuellen Situation. „Öffen ja, aber mit Strategie“, fasst es Greimel zusammen. Dann seien abwechselnd ganze Klassen anwesend. Diese könnten dann besser aufgeteilt und betreut werden.

Elternsicht

„Wir sind zwar mit dem Hygienekonzept in der Schule ganz gut aufgestellt, aber die Angst bleibt dennoch. Zumal es bei uns ja schon mit dem Bustransport anfängt. Viele Kinder tolerieren keine Maske und sitzen zum Teil bis zu einer Stunde und länger pro Strecke im Bus, da wir ein sehr großes Einzugsgebiet aus mehreren Landkreisen haben.“ Das ist die Meinung von Heidi Uetzfeld, Elternbeiratsvorsitzende der Christy Brown Schule. Der Schulstart in dieser Woche sei gut verlaufen, sagt sie und fügt hinzu: „Die Frage ist hier ja wohl eher, ob diese Vollöffnung so sinnvoll war.“ Ihrer Meinung nach hätte es geholfen, im Vorfeld die Mitarbeiter dieser Schulen zu fragen, ob es eine sinnvolle Idee ist, die Schulen wieder voll zu öffnen. „Ich hätte es sinnvoller gefunden, die Schule im Wechselunterricht zu öffnen“, so Uetzfeld, die die ihre Tochter ebenfalls wieder zur Schule gehen lasst. „Da sie keiner Hochrisikogruppe angehört.“ Eine Zweiteilung in vollbeschulte Schüler einer Klasse und solche im Fernunterricht macht für die Elternbeiratsvorsitzende keinen Sinn, und sei auch personell durch die Lehrkräfte nicht leistbar.

Das gesamte Gespräch mit der Elternbeiratsvorsitzenden könne Sie hier nachlesen:

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Onlinepetition

Beide Schulen unterstützen aus genannten Gründen eine Onlinepetition unter dem Titel „Schulöffnungen am SBBZ nur, wenn der Gesundheitsschutz gewährleistet ist„, die bereits über 10.000 Unterzeichner hat. Darin wird gefordert, dass beim Gesundheitsschutz für SBBZ-Einrichtungen, unter Berücksichtigung der Besonderheiten dieser Schulart, nachgebessert wird. Auch eine Impfstrategie ist Teil der Forderungen, die auch Greimel und Fraas bislang vermissen. „Wann und ob bei uns geimpft wird, ist noch nicht bekannt“, sagt Greimel.